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.M 9.

Berantwortl. Redaktmr PH. Klausner
in Heidelberg.

Mittwoch, 11. Januar

Druck und Berlag »an Wurm L Pfeffer
in Heidelberg.

1888.

Gegen die Weinfälschungen.
Zu der Angelegenheit reichsgesetzlicher Bestimmungen
gegen die Weinfälschungen schreiben die „Berliner Polit.
Nachrichten": Seit langer Zeit bemüht man sich, gesetz-
liche Bestimmungen zu formuliren, mit welchen man den
Weinfälschungen entgegentrcten könnte. Noch neuerdings
haben die verbündeten Regierungen dem Reichstage einen
diesbezüglichen Gesetzentwurf vorgclegt, es scheint jedoch
nach den Mittheilungen, welche über die Berathungen der
sich mit dem Entwürfe beschäftigenden Commission in die
Oeffcntlichkeit gelangten, daß auch diesmal die größte
Meinungsverschiedenheit in dieser Frage hervortreten wird.
Nun existirt ja bereits ein Gesetzparagraph, auf Grund
dessen die Gerichte Fälschungen beikommcn können, es ist
dies der K 10 des Nahrungsmittelgesetzes, nach welchem
Derjenige bestraft wird, welcher zum Zweck der Täuschung
im Handel und Verkehr Nahrungs- oder Genußmittel
nachmacht oder verfäscht, indessen ist der Begriff der Nach-
ahmung und Verfälschung so unbestimmt, daß, wie sich
aus einer vom Reichsgesundheitsamt neuerdings heraus-
gegebenen Zusammenstellung der auf Grund dieses tz 10
ergangenen gerichtlichen Entscheidungen ergibt er die ver-
schiedenste Auffassung hat finden können. Das ist haupt-
sächlich der Fall bezüglich des sogenannten, namentlich bei
ausländischen Rothweinen üblichen Mouillirens oder Ver-
schnitts des Weins mit Wasser und Sprit. Milde und
strenge Auffassungen wechseln dabei je nach der Auffassung
der Sachverständigen ab. In einer Beziehung allerdings
ist durch rcichsgerichtliches Urtheil eine feste Norm ver-
zeichnet. Es ist nämlich entschieden worden, daß K 10 des
Nahrungsmittelgesetzcs nicht nur dann anwendbar sei, wenn
der unmittelbare Abnehmer über die wahre Beschaffenheit
des verfälschten oder nachgemachten Weines in Unkenntniß
gelassen werde, sondern auch dann, wenn die Fabrikation
des Weines bewußtermaßen dazu diene, trotz einer Auf-
klärung des unmittelbaren Abnehmers das Wein erwerbende
Publikum zu täuschen. Der bloße Zusatz von reinem Zucker
und das Chaptalisiren (Entsäuren mittelst Marmormehls
und Zusatz von Zucker), sowie das Verschneiden verschie-
dener Weinsorten ist bisher auf Grund des Nahrungs-
mittelgesetzes nicht bestraft worden. Die Manipulationen
des Gallisirens und Petitiosirens konnten manchmal, weil
die Chemie dieselben zu constatiren nicht im Stande war,
überhaupt nicht entdeckt werden. Bei dieser Sachlage wäre
cs nur zu wünschen, daß wenigstens für einige Punkte,
wie es in dem letzten dem Reichstage zugegangenen Ge-
setzentwurf vorgesehen ist, feste Grundlagen für die Recht-
sprechung geschaffen werden.

Deutsches Reich.
Karlsruhe, 9. Jan. Von Ihren Königlichen Hoheiten
dem Erb großherzog und der Erbgroßherzogin
sind aus Cannes inzwischen gute Nachrichten eingetroffen.
Ihre Königlichen Hoheiten verließen am 7. ds. früh Genua,
blieben einige Stunden in San Remo bei Ihren Kaiser-
lichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin
des Deutschen Reiches und von Preußen und trafen Abends
nach 6 Uhr in Cannes ein. Der ganze Reisetag war
vom schönsten Wetter begünstigt und bot die Fahrt längs
der Riviera einen herrlichen Anblick. Die Erbgroßherzogl.
Herrschaften bewohnen das Hotel du Pavillon und werden
voraussichtlich dort einige Monate verweilen.
Berlin, 7. Jan. Dem Prinzen Wilhelm ist aus
Anlaß des Jahreswechsels seitens der Berliner Hof- und
Domprediger ein Glückwunsch zugegangen, in welchem es
u. A. heißt: „Wenn Sie cs in den letzten Wochen des
alten Jahres erfahren haben, daß auch das lautere Ein-
treten für die Arbeit des Reiches Gottes nicht ohne Wider-
spruch bleibt, so sei das Wort des Herrn Ihr Licht: „Wer
mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen
vor meinem himmlischen Vater." In tiefster Ehrerbietung
verharren Eurer Königlichen Hoheiten unterthänigste Hof-
und Domprediger. Berlin, den 31. Dezember 1887. (gez.)
Kögel. Stöcker. Schrader. Bayer." — Der Prinz hat hie-
rauf die folgende Antwort ertheilt: „Potsdam, den
3. Januar 1888. Das Hof- und Dom-Ministerium hat
mich durch seine zur Jahreswende dargebrachten freund-
lichen Glück- und Segenswünsche wieder herzlich erfreut.
Die mir ausgedrückte Theilnahme an dem Befinden Seiner
Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen, meines inniggeliebten
Vaters, hat mich besonders tief gerührt. Ich beuge mich
vor der Autorität der ärztlichen Wissenschaft, erhoffe aber
mit den Meinigen und der gejammten Nation, daß die
kräftige Natur meines Vaters unter gnädiger Hilfe des
Allmächtigen die ernste Krankheit überwinden werde. Die
von Ihnen erwähnten Mißdeutungen, welche mein Ein-
treten für das Wohl der geistig und körperlich Nothleiden-
den vielfach hervorgerufen hat, haben mich schmerzlich be-
rührt, sie werden mich aber nicht abhalten, dem Vorbilde
unseres erhabenen Kaisers und meines theuren Vaters
folgend, unbeirrt von politischen Parteibestrebungen, stets
zur Hebung des Wohles aller Nothleidenden nach Kräften
beizutragen, (gez.) Wilhelm, Prinz von Preußen."
Berlin, 8. Jan. Die Berathungen zwischen den
Reichsbehörden und den Vertretern der Colonialge-
sellschaften über den Entwurf einer demnächst zu er-
lassenden Verordnung betreffend die Gewinnung von Gold
und Edelsteinen in dem südwestafrikanischen Schutzgebiet

sind ihrem Abschlüsse nahe. Es werden in demselben die
Bedingungen festgestellt, auf Grund derer im Schutzgebiete
Gold gewonnen werden kann; insbesondere wird der süd-
westafrikanischen Gesellschaft das Bergregal eingeräumt. —
Der mehrfach gedachte Antrag wegen Beseitigung des Iden-
titäts-Nachweises bei der Getreide-Ausfuhr soll dem
Reichstage gleich nach den Ferien zugehen und Graf Udo
Stolberg wiederum als Antragsteller erscheinen. Es heißt,
die Unterzeichner des Antrages versprächen sich, trotz des
Umstandes, daß die Regierung seinem Inhalte in der Ge-
treidecommission ablehnend gegenübergestanden hätte, dies-
mal umsomehr Erfolg, als sie den Nachweis führen wollen,
daß die bisher entgegenstehenden Schwierigkeiten beseitigt
seien oder leicht zu beseitigen wären.
Berlin, 9. Jan. Den „Posener Nachrichten" zufolge
hat Erzbischof Din der den Geistlichen seiner Diözese
verboten; an öffentlichen Volksversammlungen theilzunehmen.
Gesterreich-ALMr«.
Wien, 9. Jan. König Milan von Serbien
beabsichtigt, im Frühjahr eine Rundreise durch die radi-
calen Kreise des Landes zu machen, um eine innigere Ver-
söhnung der Radicalen mit der Krone herbeizuführen. —
Die russische Kaiserfamilie hat den Bewohnern
Montenegros ein Schiff voll Getreide gespendet; bisher
ist dasselbe noch nicht angekommen. — Es heißt, in Mon-
tenegro seien 30000 Menschen ohne Nahrungsmittel.
IrasLreich.
Paris, 9. Jan. Morgen wird die ordentliche Tagung
des Parlamentes für 1888 eröffnet. Im Palais Bour-
bon wird Floquet wieder zum Präsidenten gewählt wer-
den; ein Wettbewerb wird nur für die Stellen der drei
Quästoren erwartet, von denen die Stelle Margaines, der
in den Senat gewählt wurde, frei geworden ist. Als
Candidaten werden genannt: de Mahy, Desmons, Le Noel,
Perfait, Labordsre. Die Sprechzimmer im Palais Bour-
bon waren bereits heute recht belebt. Der Finanz-
minister gab dem Budgetausschuffe folgende Erklärungen:
1) über die vollständige Abschaffung der neuen Steuer
von Wein und Obstwein und der Einführung der Fabrikat-
steuer für Alkohol; 2) über die von dem Ausschüsse be-
antragte Reform der Erbschaftssteuer. Bei dem ersten
Punkte willigte Tirard in einige Abänderungen, die
Reform der letztgenannten Steuer lehnte er jedoch ent-
schieden ab.
Paris, 9. Jan. Der Untersuchungsrichter Vigneau
hat heute Wilson und Legrand vernommen. Vig-
neau gedenkt heute die Untersuchung zu Ende zu führen. —-
Der Schriftsteller August Naquet, seiner Zeit Mitarbeiter
von Alexandre Dumas, ist heute im Alter von 75 Jahren
gestorben. — In der Kirche Saint-Augustin wurde

Charlotte Oldenstatt.
Criminal - Novelle von A. Klock.
35) (Fortsetzung.)
„Das ist Gottes Stimme", schluchzte die Büßerin,
„wenn Du noch ein Herz im Busen schlagen fühlst, so
sprich das Wort der Verzeihung aus!"
Sie schwieg; das Antlitz sank nieder auf den Hügel
des todten Gatten — noch einmal stöhnte sie flehend:
„Bergieb!"
Ein eisiger Thau fiel bleischwer herab, und durch-
rieselte schauernd Charlottens Gestalt — der Glocken
schwermüthiges Lied erstarb. —
„Steh auf", tönte es hart und kalt bis in die Seele
der reuigen Sünderin, „Du beschworst mich beim Ange-
denken jener theuren Todten, die ich durch Deine Schuld
verlor — und weil ich ihrer gedenke, kann ich Dir nicht
vergeben!"
Regina schwankte empor, erhob die Hände zu der
Gnadenlosen und rief mit dem Tone bittersten Jammers aus:
„Grausames Weib, Du treibst mich in den Tod!"
„Du hast Dir selber Deinen Weg gezeichnet", ertönte
die Antwort ohne den leisesten Klang barmherziger Milde;
sie wendete sich ab, finster verloren senkte sich ihr Blick
zur Erde nieder.
Regina wankte fort, aber als sie ein Stück Weges
zurückgelegt hatte, blickte sie noch einmal um und rief:
„Charlotte!"
Alles blieb still — sie harrte — vergebens, dann schritt
ste wie trunken weiter, bis die Dunkelheit ihr Bild getilgt.
Charlotte sank in die Knie; des Vaters Grab um-
chlingcnd, preßte sie ihre Wange auf die kühle Erde und
leise murmelnd glitt es über ihre Lippen:
„Ich hielt mein Wort, das ich Dir, dem Sterbenden,
gab — ich habe ihr nicht vergeben und werde es niemals
thun! —"

Säuselnd strich der Wind durch die Trauerweiden —
Stern um Stern flammte auf in ätherischen Höhen — ihr
traumhafter Schimmer spielte zitternd auf der Einsamen
bleichen Stirn — noch immer flüsterte sie mit dem ge-
liebten Todten und sandte ihre Seufzer hinab zu ihm in
tiefe Gruft!
Da tönten voll und klar zehn Glockenschläge durch die
kühle Nacht; fröstelnd erhob sich Charlotte.
„Ich muß fort", lispelte sie, „o, daß mein müdes
Herz hier endlich schlummern dürfte!" — Umschweben Dich
nicht die Geister der Geschiedenen, arme Dulderin, winken
sie Dir nicht zu bleiben an dem Ort des Friedens, um
auszuruhen von des Lebens bitterem Kampfe. Ein verklärtes
Lächeln umschwebt — seit Jahren zum ersten Male —
ihren lieblichen Mund und leise die Hand erhebend
haucht sie:
Aus Wiedersehen, Ihr Geliebten, aus Widersehen!" —

Was konnte geschehen sein, daß eine Gruppe von
Neugierigen das sonst so stille Haus in der L.Straße
umsteht? Die Hausthür ist weit geöffnet — der Flur-
lampe matter Schein wirft lange Streiflichter über die
Häupter der Anwesenden, bis auf die andere Seite der
Straße.
Vom Friedhöfe heimkehrend, nahte in diesem Augen-
blicke Charlotte Oldenstätt. Man mußte sie schon erwartet
haben, denn Bertha trat ihr rasch entgegen und sagte ihr
einige Worte mit halblauter Stimme. Verwundert trat
die Angekommene ins Haus — zwei Polizisten und meh-
rere Arbeiter umstanden eine Bahre.
„Was soll das?" fragte Charlotte in herbem Tone
einen der Beamten.
„Entschuldigen Sie, Fräulein", antwortete der An-
geredete, „aber es war der letzte Wunsch dieser Todten,
hierher gebracht zu werden, erkennen Sie in ihr die Gattin
Ihres verstorbenen Herrn Vaters?"
Die Hülle wurde zurückgeschlagen — eine Frauen-

gestalt lag auf der Bahre. Die großen schwarzen Augen
blickten verglast zur Decke empor — um das von Narben
entstellte Gesicht fielen lange nasse Strähnen goldenen
Seidenhaares — wollten sie die Todte über die verlorene
Schönheit trösten, daß sie so dicht sich an das schmale
Antlitz schlossen?
Kein Lächeln umspielte die einst so klassischen Züge,
um die fest zusammengepreßten Lippen lag ein Ausdruck
bitterster Verzweiflung. —
Stumm betrachte Charlotte die Entschlafene, aber
aus ihren ehernen Zügen hätte man vergebens versucht,
ihre Gedanken zu errathen.
Nachdem sie die Frage des Polizisten bejahend be-
antwortet, fuhr dieser fort:
„Vor ungefähr einer Stunde beobachteten zwei Männer
von einem Kahne aus eine händeringende Frauengestalt
am Ufer des Kanals, welche plötzlich in das Wasser sprang.
Schnell ruderten die Leute hin, doch gelang es ihnen nur
noch, sie als Leiche ans Land zu bringen. Ein in der
Nähe wohnender Chirurg stellte vergebens Wieder-
belebungsversuche an. Einige Kleidungsstücke und dies
Notizbuch lagen an der Stelle, von wo aus sie sich den
Tod gab. In dem inneren Deckel des Buches stehen
die Worte: Man bringe meine Leiche in das Haus
L .. . . . Straße 10, wo ihr die Aufnahme bis zur Be-
stattung nicht verweigert werden wird. Regina Olden-
stätt. Dann ist hier noch ein zusammengefaltetes Blatt
an das Fräulein adressirt."
Der Beamte reichte es Charlotte, während er sie auf-
merksam betrachtete. Sein Inhalt lautete:
Du hattest im Leben keine Verzeihung für mich,
wird mein Tod Dich versöhnen? Vergieb der Sünderin,
auf daß sie im Jenseits Ruhe finde — verweigere ihr
nicht ein ehrliches Begräbniß bei dem Gedanken, daß sie
Deinen Namen trägt.
Ich habe mit dieser Frau nichts zu schaffen", sagte
Charlotte kalt, „ste ist die geschiedene Gattin meines
 
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