eiMeyerTageblall
Erscheint täglich nutzer Msntag. NSonnemcnts-reiS mir
dem wöchentl. Unterhalwngsblatt „Alt Heidelberg", sür Heidel-
berg: monatlich .50 Pfa. mit Trcigerlohn, durch die Post be-
zogen vierielj. Mk. 1.2» ohne Zusiellungsgebühr.
Anzeigen: die t-spaltige PeNlzeile »Nr deren Raum für aus.
»atts 10 Pfg., Lokalanzeigen S Pfg., Stellengesuche und
Wohnungs-Anz. 3 Pfg. Reclame 20 Pfg. Bei mehrm. Erschein,
bedeutenden Rabatt. Gratts-VerbreiNm, durch Mauer-Anschlag
'--LVlttljNM.__vuchdruckerer und L?-tdmsn: Brunnengaffe L4-
« SS.
Vcrantwortl. Redacteur PH. Klausner
in Heidelberg.
Freitag, 10. Februar
Druck und Verlag von Carl Pfeffer
vorm. Wurm L Pfeffer in Heidelberg.
1888.
Der Mndrüfivertrag und Wulgarim.
Zu den bemerkenswertbcsten Stellen der cm wichtigen
Einzelheiten so reichen, des genauesten Studiums würdigen
Rede des Reichskanzlers gehört die Bemerkung, der Biind-
nißvertrag sei so abgcfaßt, daß er die Selbstständigkeit der
Verbündeten nicht berühre, daß keiner der Verbündeten
durch den Vertrag in Abhängigkeit vom andern gerathe.
Das eben mache den Vertrag dauerhaft und fest. In der
That gewahrt man gerade in dieser Richtung die Meister-
hand, die den Unterzeichnern des Bündnisses die Feder
führte Nur die gemeinsamen und dauernden Interessen
der Verbündeten erhalten ihren Ausdruck im Vertrag, da-
rüber hinaus ist jedem die volle Selstständigkeit der eigenen
Interessen gewahrt. Keinem ist zugemuthet, für Interessen
des Nachbars einzutretcn, die er nicht als die eigenen er-
kennt, für die er also nur zögernd, widerwillig eintreten
könnte. In Wien wurden vor Veröffentlichung des Wort-
laut des Bündnisses bedenkliche Stimmen darüber laut,
daß Oesterreich unter Umständen mit den Waffen für
Elsaß-Lothringen cinzutreten hätte, während Bismarck l
wiederholt seine gänzliche Gleichgiltigkeit gegenüber den §
worgenländischen Dingen erklärt habe. Diese Aengstlichen l
werden durch die Bismarck'schc Rede beruhigt worden sein, j
Für Elsaß-Lvthringen ist auf die Hülfe Oesterreichs ver-
ächtet. Nach dieser Seite hin hat Deutschland wichtige -
und dauernde Interessen nicht mit Oesterreich, aber mit
dem italienischen Nationalstaat gemein. Die dauernden
Interessen, die wir mit Oesterreich gemein haben, liegen
'w Osten. Doch so, daß wir an den Ereignissen der
Valkanhalbinsel erst in zweiter Linie bethciligt sind. Bis- :
warck hat sich zwar nicht mehr so stark ausgedrückt wie i
früher, er wiederholte nicht, daß Bulgarien uns Heknba
aber das sagte er sehr deutlich, daß mit Rußland sich t
Zu schlagen oder zu vertragen andere Mächte vor uns be- s
rufen seien, daß wir lediglich die Politik unserer eigenen
Interessen zu treiben und wenn orientalische Krisen ein-
kreten, vorerst abzuwarten haben, welche Stellung die mehr
detheiligten Mächte dazu nehmen. Auf diese Abwehr un-
dercchtigter Zumuthnngen, diese negativen Sätze beschränkt
Üch aber Bismarck in seiner Rede nicht. Es gibt auch
"nen positiven Beitrag zur bulgarischen Frage. Anscheinend
8°nz beiläufig läßt er Rathschlägc einfließen, zeichnet er
Zeradczu die Umrisse eines Programms, wie man die bul-
garische Schwierigkeit überwinden könne. Man kann sich
Wagen, man kann sich aber auch vertragen, und das letz-
ist die Meinung und der Rath des Reichskanzlers,
^ußland hat Rechte auf eineu vorwiegenden Einfluß in
Bulgarien erworben; niemals wird Deutschland es billigen
°iwr mithelfen, wenn Rußland diese Rechte auf gewalt-
samem Wege zu erlangen sucht. Wenn es aber mit diplo-
matischen Mitteln versucht zu seinem Rechte zu komme«,
so ist ihm die loyale Unterstützung der deutschen Politik
sicher. Mit anderen Worten: wenn Rußland und Oester-
reich geneigt sind, über ihre Interessen und ihren Einfluß
auf der Balkanhalbinsel eine Verständigung herbeizuführen,
so ist Deutschland zwar weit entfernt sich einmischen zu
wollen in Dinge, die es nichts angehen, aber es ist im
Interesse des Friedens bereit, seine diplomatische Mitwir-
kung und Vermittlung, falls diese gewünscht wird, zur
Verfügung zu stellen. „Sobald Rußland den Wunsch aus-
spricht", sagte der Reichskanzler. Ob dieser Wunsch aus-
gesprochen wird, daran hängt die Zukunft.
Deutsches Msich.
Karlsruhe, 7. Febr. Alle Welt steht unter dem be-
herrschenden Eindruck der Reichstagsrede des Reichs-
kanzlers. Niemals ist Deutschland gewaltiger vor der
Welt gestanden als Macht des Friedens und der Wahr-
heit. Dieser Gedanke verleiht jedem Einzelnen ein Be-
wußtsein sittlicher Erhebung, das die Parteiunterschiede
auflöst und alle zusammenführt in opfersähiger Liebe zum
Vaterland. Daß diesmal der Reichstag dem leuchtenden
Beispiele des Reichskanzlers mit patriotischer Hingebung
folgte, gibt dem an sich weltbedeutendcn Vorgang einen
ergreifenden Gemüthszug, der von der gesamntten Bevöl-
kerung tief empfunden wird. — Die Zweite Kammer
hofft im Laufe der nächsten Woche ihre Haushalts-
berathungen zu Ende zu führen und das Finanzgesetz fertig
zu stellen. In dem Bauhaushalt der Eisenbahnen dürfte
wohl nur die Anforderung van vorläufig 600000 Mark
für Geländeankäuse zu künftiger Verlegung des Bahnhofs
für die Linien Maxau und Graben-Mannheim am Mühl-
burger Thor mit den daran sich knüpfenden ziemlich un-
berechenbaren weiteren Maßnahmen ernsteren Bedenken
begegnen. — Nach den in der heutigen Sitzung der
Zweiten Kammer gegebenen Andeutungen steht dem
Landtage aus der Erhebung über die Lage des Kleinge-
werbes noch ein umfassender Geschäftsstoff bevor, der,
wenn er auch nur annähernd den Umfang der lsndwirth-
schaftlichen Erhebuugserörterungen annimmt, sehr geeignet
ist, die Dauer des Landtags wesentlich zu verlängern.
Karlsruhe, 8. Febr. Der ziemlich seltene Fall, daß
die Regierung von den Ständen um Einbringung einer
Nachtragsforderung angegangen wird, hat sich gestern in
der Zweiten Kammer zu Gunsten der Landwirthschaft,
ähnlich wie auf dem letzten Landtag, wiederholt und dürfte
demgemäß die Anforderung zur Preisvertheilung für Zucht-
thiere erhöht werden. In einer späteren Periode des
Landtags werden dann wohl weitere Anträge auf einem
Gebiete, nämlich zu Gunsten des Kleingewerbebetriebes,
erfolgen, da auch auf dem gewerblichen Gebiete ein ähn-
liches Verfahren eingeschlagen wird, wie auf dem letzten
und vorletzten Landtag nach Fertigstellung der Erhebungen
über die Landwirthschaft. — Durch die Gesetzesvorlage,
betr. die Ausführung der Bregt halb ahn (Furtwangen-
Föhrenbach-Donaueschingen), wird die Staatskasse im ganzen
mit 1025 000 Mk. belastet; davon treffen 600000 Mk.
als Unterstützungsbeitrag die Amortisationskasse und 425 000
Mark die Eisenbahnschuldentilgungskasse als Ausführungs-
kosten für die als Staatsbahn zu erbauende Theilstrecke
Donaueschingen-Hüfingen. So lange nicht eine Fortsetzung
der Höllenthalbahn beschlossen wird, bleibt die Bregthal-
bahn eine für sich abgeschlossene Localbahn. — Als nächste
Vorlage wird an die Stände das neue Gebührengesetz für
Verwaltungs- und Verwaltungsstreitsachen gelangen. Weit
wichtigere Vorlagen, die in der Thronrede angekündigt
sind, wie namentlich die Aufbringung des örtlichen Kirchen-
aufwandes und insbesondere noch das Dienergcsetz, stehen
noch aus.
Berlin, 8. Febr. Der Reichstag genehmigte die
Wehrvorlage in dritter Lesung debattenlos sm dlos
und überwies nach unerheblicher Debatte den Antrag
Lohren, betreffend die Brottaxen, an eine vierzehn-
gliedrige Commission, begann hierauf die Berathung der
Anträge Munckel und Rintelen, betreffend Entschädi-
gung unschuldig Verurtheilter beziehungsweise
Wiederaufnahme desVcrfahrens. Nächste Sitzung
morgen. Tagesordnung: Militäranleihegesetz, Verlängerung
der Legislaturperioden und Etat.
Berlin, 8. Febr. In der Budgetcommission
des Reichstags begründet Graf Herbert Bismarck die
Erhebung der Gesandtschaft in Madrid zu einer Botschaft.
Dann rechtfertigte der Staatssekretär Dr. v. Stephan
den Ankauf der Telegraphenlinien Grealseel-Valentia und
Borkum-Lowestoft, indem er durch eingehende Zifferangaben
nachwies, daß der bisherige Zustand nicht aufrecht zu er-
halten gewesen sei. Auch finanziell ist das Geschäft nicht
schlecht, da bei der Fortdauer des bisherigen Verkehrs der
Kaufpreis eine Verzinsung von neun Procent erfahren
wird. Interessant waren seine Mittheilungcn über die
Verhandlungen mit England und die Aussicht, den Tarif
für die englisch-deutschen Telegramme vielleicht binnen
Kurzem herabsetzen zu können. Der Ankauf wurde schließ-
lich einstimmig genehmigt.
HEerrrich-M-MM.
Wien, 8. Febr. Nach einer Mittheilung aus au-
thentischer Quelle wirkte die Veröffentlichung der deutsch-
österreichischen Bündnißurkunde auf König Milan sehr
günstig. Die nationalen Kreise in Serbien sind davon
23)
Gn-deckte Herren.
Roman von Hugo v. Rittberg.
(Fortsetzung.)
„Ich wollte gleich nach dem Schlosse. Es wird mir
Wst zu sp^", entgegnete Steffens ausweichend Willner.
"W nicht doch! Meine Frau wäre zum ersten Mal böse
""sh' werm sie hörte, daß ich Sie getroffen, und sie
wcht die Freude gehabt hätte. Sie gleichfalls zu begrüßen."
„Wirklich!"
„Sie können mir glauben, daß selten ein Tag ver-
gchsi tvo wir uns nicht Ihrer erinnern."
„Sie setzen mich in Erstaunen!"
„Meine Frau wird noch mehr erstaunen über das
Ksiäüige Zusammentreffen. Und wie schön triffl's sich.
vier bis fünf Wochen denke ich ein glücklicher Familien-
r^zu sein. Sie müssen das neugeborene Kindlein über
'E Laufe halten, niemand anders; das mögen Sie gleich
"fahren."
„Ich fürchte, ich werde nicht zugegen sein können!"
„Was, nicht zugegen sein können?" polterte Willner.
>'Äie sind doch kein Sklave! Der gute Herr Baron wird
Menlich nichts dagegen haben, wemHSie dieser feierlichen
Handlung beiwohnen. Ebensowenig wie er es Ihnen ver-
kigern kann, nach gethaner Arbeit mit einem lieben
»^eunde einen Schoppen zu trinken."
- . Vei diesen Worten hatte er Steffens Arm wieder er-
»i und zog ihn mit sich fort.
nick. D'°ser sah ein, daß von dem gutmüthigen Manne
Pt loszukommen war, er folgte.
». Die verschiedensten Gedanken durchzogen seine Brust.
, er auch eben erfahren, daß die Geliebte seines
ihn verloren war, so empfand er dennoch eine
»e Sehnsucht, sie wieder zu sehen. Vielleicht, sagte sein
«/Z, bist du geheilt, der Nimbus ist weg — sie ist das
eines anderen.
, Ebenso fragte er sich, ob er nicht dem treuherzigen
i Willner Aufklärung über sein Verhältniß zu dem Baron
- geben müsse. Doch weßhalb? Der bescheidene Mann wäre
ängstlich von ihm zurückgetreten, er hätte einen Freund
verloren.
Er ging schweigend an der Seite Millners, doch dieser
plauderte fortwährend, und bald hatten beide das Gasthaus
erreicht. Bei ihrem Eintritt stand Franziska wieder, wie
sie Steffens zum ersten Mal erblickt, an eine der Stein-
figuren gelehnt und las in einem Buche.
Sie sah auf als sie Willner kommen sah, doch eine
hohe Röthe ergoß sich über ihr Gesicht, als sie Steffens
an seiner Seite bemerkte.
Willner grüßte nachlässig, auch Steffens zog seinen
Hut. Aber auf das Aeußerste überrascht, schaute er nach
der Geliebten hin. Wie, diese schlanke Gestalt sollte Willner
bald zu einem glücklichen Vater machen? Unmöglich!
Willner mußte bethört sein, oder er, Steffens, träumte.
Wie paßte auch die kühle Begrüßung beider zu der so hoch
gepriesenen Glückseligkeit?
Willner eilte nach dem Gastzimmer, um für einen
Labetrunk zu sorgen und setzte sich dann zu Steffens,
welcher halb träumend an einem Tische Platz genommen hatte.
Eine fremde Kellnerin brachte zwei Kannen Bier und
entfernte sich wieder.
Willner ergriff seine Kanne, stieß mit Steffens an und
versetzte:
„Auf Ihr Wohl! Möge es Ihnen gut bekommen!
Sie sehen noch immer sehr blaß aus. Und solch ein ver-
drießliches Gesicht!"
„Verzeihen Sie, Herr Willner, wenn ich ein Frage
nicht unterdrücken kann", entgegnete Steffens, der seinem
Herzen Luft schaffen mußte. „Wie paßt der kalte Empfang
Ihrer Frau zu der von Ihnen gepriesenen Glückseligkeit?"
„Meiner Frau? — Wo ist denn meine Frau?" meinte
Willner ganz verwundert und sah nach allen Seiten umher.
„Aber, lieber Willner, sind Sie denn kurzsichtig ge-
worden? Dort sicht sie ja, an der Scinfigur. Sic grüßten
doch, als wir eintraten."
„Was, die meine Frau?" spottete Willner und lachte
laut aus. „Da wäre ich ein beneidenswerther Mann!
Nein, Freundchen! Sie irren gewaltig! — Himmel! Jetzt
erst fällt mir ein, daß ich schuld an diesem Mißverständ-
niß bin. In meiner Zerstreuung und in der unverhofften
Freude, Sie wiederzusehen, habe ich vergessen, Ihnen zu
sagen, daß nicht der Zankteufel da, sondern mein hübsches
Mühmchen Martha mein liebes Frauchen geworden ist.
Mein Gott, Freundchen, Sie zittern! Was ist Ihnen?
Sie sehen ganz erschreckt aus!"
Steffens war in der That vollkommen außer sich.
Seine Brust wollte zerspringen vor Wonne, das Herz jubelte
froh auf und rief ihm zu: „Sie ist frei! Du darfst wie-
der hoffen!" Nur mit Mühe brachte er die Worte heraus:
„Ja, ich bin auf das Höchste überrascht. Nach Ihrer
früheren Mitttheilung mußte ich glauben —"
„Daß Franzisca meine Frau sei," fiel Willner ein.
„Ja, ja, Sie haben recht! Aber es fügte sich anders und
zu meinem Glück. Wissen Sie, es war mit meiner Cousine
nicht mehr auszuhalten. Sie wurde von Tag zu Tag
immer bissiger und gehässiger, vorzüglich gegen mich.
Endlich war meine Langmuth zu Ende; ich sprach kein
Wort mehr mit ihr, um so mehr aber mit meiner Muhme
Martha, die ich mit jedem Tage liebenswürdiger fand.
Als ich ihr nun vollends erklärte, daß ich niemals Franzisca
heirathen würde und von meiner Liebe zu ihr sprach, ge-
stand auch sie mir ihre herzliche Zuneigung, und bald
wurden wir beide ein glückliches Pärchen. Mein Vater war
Anfangs sehr gegen meine Heirath, jetzt jedoch ist er sehr
glücklich und lobt meinen Entschluß. Auch meinen Schwie-
gervater habe ich in mein Haus genommen. Die beiden
Alten halten unzertrennlich zusammen und sind ein Herz,
und eine Seele. So bin ich denn der glücklichste
Mensch unter der Sonne. Aber mit Franziska, dem
stolzen Trotzkopf, ist es beim alten geblieben. Wir zanken
Erscheint täglich nutzer Msntag. NSonnemcnts-reiS mir
dem wöchentl. Unterhalwngsblatt „Alt Heidelberg", sür Heidel-
berg: monatlich .50 Pfa. mit Trcigerlohn, durch die Post be-
zogen vierielj. Mk. 1.2» ohne Zusiellungsgebühr.
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Vcrantwortl. Redacteur PH. Klausner
in Heidelberg.
Freitag, 10. Februar
Druck und Verlag von Carl Pfeffer
vorm. Wurm L Pfeffer in Heidelberg.
1888.
Der Mndrüfivertrag und Wulgarim.
Zu den bemerkenswertbcsten Stellen der cm wichtigen
Einzelheiten so reichen, des genauesten Studiums würdigen
Rede des Reichskanzlers gehört die Bemerkung, der Biind-
nißvertrag sei so abgcfaßt, daß er die Selbstständigkeit der
Verbündeten nicht berühre, daß keiner der Verbündeten
durch den Vertrag in Abhängigkeit vom andern gerathe.
Das eben mache den Vertrag dauerhaft und fest. In der
That gewahrt man gerade in dieser Richtung die Meister-
hand, die den Unterzeichnern des Bündnisses die Feder
führte Nur die gemeinsamen und dauernden Interessen
der Verbündeten erhalten ihren Ausdruck im Vertrag, da-
rüber hinaus ist jedem die volle Selstständigkeit der eigenen
Interessen gewahrt. Keinem ist zugemuthet, für Interessen
des Nachbars einzutretcn, die er nicht als die eigenen er-
kennt, für die er also nur zögernd, widerwillig eintreten
könnte. In Wien wurden vor Veröffentlichung des Wort-
laut des Bündnisses bedenkliche Stimmen darüber laut,
daß Oesterreich unter Umständen mit den Waffen für
Elsaß-Lothringen cinzutreten hätte, während Bismarck l
wiederholt seine gänzliche Gleichgiltigkeit gegenüber den §
worgenländischen Dingen erklärt habe. Diese Aengstlichen l
werden durch die Bismarck'schc Rede beruhigt worden sein, j
Für Elsaß-Lvthringen ist auf die Hülfe Oesterreichs ver-
ächtet. Nach dieser Seite hin hat Deutschland wichtige -
und dauernde Interessen nicht mit Oesterreich, aber mit
dem italienischen Nationalstaat gemein. Die dauernden
Interessen, die wir mit Oesterreich gemein haben, liegen
'w Osten. Doch so, daß wir an den Ereignissen der
Valkanhalbinsel erst in zweiter Linie bethciligt sind. Bis- :
warck hat sich zwar nicht mehr so stark ausgedrückt wie i
früher, er wiederholte nicht, daß Bulgarien uns Heknba
aber das sagte er sehr deutlich, daß mit Rußland sich t
Zu schlagen oder zu vertragen andere Mächte vor uns be- s
rufen seien, daß wir lediglich die Politik unserer eigenen
Interessen zu treiben und wenn orientalische Krisen ein-
kreten, vorerst abzuwarten haben, welche Stellung die mehr
detheiligten Mächte dazu nehmen. Auf diese Abwehr un-
dercchtigter Zumuthnngen, diese negativen Sätze beschränkt
Üch aber Bismarck in seiner Rede nicht. Es gibt auch
"nen positiven Beitrag zur bulgarischen Frage. Anscheinend
8°nz beiläufig läßt er Rathschlägc einfließen, zeichnet er
Zeradczu die Umrisse eines Programms, wie man die bul-
garische Schwierigkeit überwinden könne. Man kann sich
Wagen, man kann sich aber auch vertragen, und das letz-
ist die Meinung und der Rath des Reichskanzlers,
^ußland hat Rechte auf eineu vorwiegenden Einfluß in
Bulgarien erworben; niemals wird Deutschland es billigen
°iwr mithelfen, wenn Rußland diese Rechte auf gewalt-
samem Wege zu erlangen sucht. Wenn es aber mit diplo-
matischen Mitteln versucht zu seinem Rechte zu komme«,
so ist ihm die loyale Unterstützung der deutschen Politik
sicher. Mit anderen Worten: wenn Rußland und Oester-
reich geneigt sind, über ihre Interessen und ihren Einfluß
auf der Balkanhalbinsel eine Verständigung herbeizuführen,
so ist Deutschland zwar weit entfernt sich einmischen zu
wollen in Dinge, die es nichts angehen, aber es ist im
Interesse des Friedens bereit, seine diplomatische Mitwir-
kung und Vermittlung, falls diese gewünscht wird, zur
Verfügung zu stellen. „Sobald Rußland den Wunsch aus-
spricht", sagte der Reichskanzler. Ob dieser Wunsch aus-
gesprochen wird, daran hängt die Zukunft.
Deutsches Msich.
Karlsruhe, 7. Febr. Alle Welt steht unter dem be-
herrschenden Eindruck der Reichstagsrede des Reichs-
kanzlers. Niemals ist Deutschland gewaltiger vor der
Welt gestanden als Macht des Friedens und der Wahr-
heit. Dieser Gedanke verleiht jedem Einzelnen ein Be-
wußtsein sittlicher Erhebung, das die Parteiunterschiede
auflöst und alle zusammenführt in opfersähiger Liebe zum
Vaterland. Daß diesmal der Reichstag dem leuchtenden
Beispiele des Reichskanzlers mit patriotischer Hingebung
folgte, gibt dem an sich weltbedeutendcn Vorgang einen
ergreifenden Gemüthszug, der von der gesamntten Bevöl-
kerung tief empfunden wird. — Die Zweite Kammer
hofft im Laufe der nächsten Woche ihre Haushalts-
berathungen zu Ende zu führen und das Finanzgesetz fertig
zu stellen. In dem Bauhaushalt der Eisenbahnen dürfte
wohl nur die Anforderung van vorläufig 600000 Mark
für Geländeankäuse zu künftiger Verlegung des Bahnhofs
für die Linien Maxau und Graben-Mannheim am Mühl-
burger Thor mit den daran sich knüpfenden ziemlich un-
berechenbaren weiteren Maßnahmen ernsteren Bedenken
begegnen. — Nach den in der heutigen Sitzung der
Zweiten Kammer gegebenen Andeutungen steht dem
Landtage aus der Erhebung über die Lage des Kleinge-
werbes noch ein umfassender Geschäftsstoff bevor, der,
wenn er auch nur annähernd den Umfang der lsndwirth-
schaftlichen Erhebuugserörterungen annimmt, sehr geeignet
ist, die Dauer des Landtags wesentlich zu verlängern.
Karlsruhe, 8. Febr. Der ziemlich seltene Fall, daß
die Regierung von den Ständen um Einbringung einer
Nachtragsforderung angegangen wird, hat sich gestern in
der Zweiten Kammer zu Gunsten der Landwirthschaft,
ähnlich wie auf dem letzten Landtag, wiederholt und dürfte
demgemäß die Anforderung zur Preisvertheilung für Zucht-
thiere erhöht werden. In einer späteren Periode des
Landtags werden dann wohl weitere Anträge auf einem
Gebiete, nämlich zu Gunsten des Kleingewerbebetriebes,
erfolgen, da auch auf dem gewerblichen Gebiete ein ähn-
liches Verfahren eingeschlagen wird, wie auf dem letzten
und vorletzten Landtag nach Fertigstellung der Erhebungen
über die Landwirthschaft. — Durch die Gesetzesvorlage,
betr. die Ausführung der Bregt halb ahn (Furtwangen-
Föhrenbach-Donaueschingen), wird die Staatskasse im ganzen
mit 1025 000 Mk. belastet; davon treffen 600000 Mk.
als Unterstützungsbeitrag die Amortisationskasse und 425 000
Mark die Eisenbahnschuldentilgungskasse als Ausführungs-
kosten für die als Staatsbahn zu erbauende Theilstrecke
Donaueschingen-Hüfingen. So lange nicht eine Fortsetzung
der Höllenthalbahn beschlossen wird, bleibt die Bregthal-
bahn eine für sich abgeschlossene Localbahn. — Als nächste
Vorlage wird an die Stände das neue Gebührengesetz für
Verwaltungs- und Verwaltungsstreitsachen gelangen. Weit
wichtigere Vorlagen, die in der Thronrede angekündigt
sind, wie namentlich die Aufbringung des örtlichen Kirchen-
aufwandes und insbesondere noch das Dienergcsetz, stehen
noch aus.
Berlin, 8. Febr. Der Reichstag genehmigte die
Wehrvorlage in dritter Lesung debattenlos sm dlos
und überwies nach unerheblicher Debatte den Antrag
Lohren, betreffend die Brottaxen, an eine vierzehn-
gliedrige Commission, begann hierauf die Berathung der
Anträge Munckel und Rintelen, betreffend Entschädi-
gung unschuldig Verurtheilter beziehungsweise
Wiederaufnahme desVcrfahrens. Nächste Sitzung
morgen. Tagesordnung: Militäranleihegesetz, Verlängerung
der Legislaturperioden und Etat.
Berlin, 8. Febr. In der Budgetcommission
des Reichstags begründet Graf Herbert Bismarck die
Erhebung der Gesandtschaft in Madrid zu einer Botschaft.
Dann rechtfertigte der Staatssekretär Dr. v. Stephan
den Ankauf der Telegraphenlinien Grealseel-Valentia und
Borkum-Lowestoft, indem er durch eingehende Zifferangaben
nachwies, daß der bisherige Zustand nicht aufrecht zu er-
halten gewesen sei. Auch finanziell ist das Geschäft nicht
schlecht, da bei der Fortdauer des bisherigen Verkehrs der
Kaufpreis eine Verzinsung von neun Procent erfahren
wird. Interessant waren seine Mittheilungcn über die
Verhandlungen mit England und die Aussicht, den Tarif
für die englisch-deutschen Telegramme vielleicht binnen
Kurzem herabsetzen zu können. Der Ankauf wurde schließ-
lich einstimmig genehmigt.
HEerrrich-M-MM.
Wien, 8. Febr. Nach einer Mittheilung aus au-
thentischer Quelle wirkte die Veröffentlichung der deutsch-
österreichischen Bündnißurkunde auf König Milan sehr
günstig. Die nationalen Kreise in Serbien sind davon
23)
Gn-deckte Herren.
Roman von Hugo v. Rittberg.
(Fortsetzung.)
„Ich wollte gleich nach dem Schlosse. Es wird mir
Wst zu sp^", entgegnete Steffens ausweichend Willner.
"W nicht doch! Meine Frau wäre zum ersten Mal böse
""sh' werm sie hörte, daß ich Sie getroffen, und sie
wcht die Freude gehabt hätte. Sie gleichfalls zu begrüßen."
„Wirklich!"
„Sie können mir glauben, daß selten ein Tag ver-
gchsi tvo wir uns nicht Ihrer erinnern."
„Sie setzen mich in Erstaunen!"
„Meine Frau wird noch mehr erstaunen über das
Ksiäüige Zusammentreffen. Und wie schön triffl's sich.
vier bis fünf Wochen denke ich ein glücklicher Familien-
r^zu sein. Sie müssen das neugeborene Kindlein über
'E Laufe halten, niemand anders; das mögen Sie gleich
"fahren."
„Ich fürchte, ich werde nicht zugegen sein können!"
„Was, nicht zugegen sein können?" polterte Willner.
>'Äie sind doch kein Sklave! Der gute Herr Baron wird
Menlich nichts dagegen haben, wemHSie dieser feierlichen
Handlung beiwohnen. Ebensowenig wie er es Ihnen ver-
kigern kann, nach gethaner Arbeit mit einem lieben
»^eunde einen Schoppen zu trinken."
- . Vei diesen Worten hatte er Steffens Arm wieder er-
»i und zog ihn mit sich fort.
nick. D'°ser sah ein, daß von dem gutmüthigen Manne
Pt loszukommen war, er folgte.
». Die verschiedensten Gedanken durchzogen seine Brust.
, er auch eben erfahren, daß die Geliebte seines
ihn verloren war, so empfand er dennoch eine
»e Sehnsucht, sie wieder zu sehen. Vielleicht, sagte sein
«/Z, bist du geheilt, der Nimbus ist weg — sie ist das
eines anderen.
, Ebenso fragte er sich, ob er nicht dem treuherzigen
i Willner Aufklärung über sein Verhältniß zu dem Baron
- geben müsse. Doch weßhalb? Der bescheidene Mann wäre
ängstlich von ihm zurückgetreten, er hätte einen Freund
verloren.
Er ging schweigend an der Seite Millners, doch dieser
plauderte fortwährend, und bald hatten beide das Gasthaus
erreicht. Bei ihrem Eintritt stand Franziska wieder, wie
sie Steffens zum ersten Mal erblickt, an eine der Stein-
figuren gelehnt und las in einem Buche.
Sie sah auf als sie Willner kommen sah, doch eine
hohe Röthe ergoß sich über ihr Gesicht, als sie Steffens
an seiner Seite bemerkte.
Willner grüßte nachlässig, auch Steffens zog seinen
Hut. Aber auf das Aeußerste überrascht, schaute er nach
der Geliebten hin. Wie, diese schlanke Gestalt sollte Willner
bald zu einem glücklichen Vater machen? Unmöglich!
Willner mußte bethört sein, oder er, Steffens, träumte.
Wie paßte auch die kühle Begrüßung beider zu der so hoch
gepriesenen Glückseligkeit?
Willner eilte nach dem Gastzimmer, um für einen
Labetrunk zu sorgen und setzte sich dann zu Steffens,
welcher halb träumend an einem Tische Platz genommen hatte.
Eine fremde Kellnerin brachte zwei Kannen Bier und
entfernte sich wieder.
Willner ergriff seine Kanne, stieß mit Steffens an und
versetzte:
„Auf Ihr Wohl! Möge es Ihnen gut bekommen!
Sie sehen noch immer sehr blaß aus. Und solch ein ver-
drießliches Gesicht!"
„Verzeihen Sie, Herr Willner, wenn ich ein Frage
nicht unterdrücken kann", entgegnete Steffens, der seinem
Herzen Luft schaffen mußte. „Wie paßt der kalte Empfang
Ihrer Frau zu der von Ihnen gepriesenen Glückseligkeit?"
„Meiner Frau? — Wo ist denn meine Frau?" meinte
Willner ganz verwundert und sah nach allen Seiten umher.
„Aber, lieber Willner, sind Sie denn kurzsichtig ge-
worden? Dort sicht sie ja, an der Scinfigur. Sic grüßten
doch, als wir eintraten."
„Was, die meine Frau?" spottete Willner und lachte
laut aus. „Da wäre ich ein beneidenswerther Mann!
Nein, Freundchen! Sie irren gewaltig! — Himmel! Jetzt
erst fällt mir ein, daß ich schuld an diesem Mißverständ-
niß bin. In meiner Zerstreuung und in der unverhofften
Freude, Sie wiederzusehen, habe ich vergessen, Ihnen zu
sagen, daß nicht der Zankteufel da, sondern mein hübsches
Mühmchen Martha mein liebes Frauchen geworden ist.
Mein Gott, Freundchen, Sie zittern! Was ist Ihnen?
Sie sehen ganz erschreckt aus!"
Steffens war in der That vollkommen außer sich.
Seine Brust wollte zerspringen vor Wonne, das Herz jubelte
froh auf und rief ihm zu: „Sie ist frei! Du darfst wie-
der hoffen!" Nur mit Mühe brachte er die Worte heraus:
„Ja, ich bin auf das Höchste überrascht. Nach Ihrer
früheren Mitttheilung mußte ich glauben —"
„Daß Franzisca meine Frau sei," fiel Willner ein.
„Ja, ja, Sie haben recht! Aber es fügte sich anders und
zu meinem Glück. Wissen Sie, es war mit meiner Cousine
nicht mehr auszuhalten. Sie wurde von Tag zu Tag
immer bissiger und gehässiger, vorzüglich gegen mich.
Endlich war meine Langmuth zu Ende; ich sprach kein
Wort mehr mit ihr, um so mehr aber mit meiner Muhme
Martha, die ich mit jedem Tage liebenswürdiger fand.
Als ich ihr nun vollends erklärte, daß ich niemals Franzisca
heirathen würde und von meiner Liebe zu ihr sprach, ge-
stand auch sie mir ihre herzliche Zuneigung, und bald
wurden wir beide ein glückliches Pärchen. Mein Vater war
Anfangs sehr gegen meine Heirath, jetzt jedoch ist er sehr
glücklich und lobt meinen Entschluß. Auch meinen Schwie-
gervater habe ich in mein Haus genommen. Die beiden
Alten halten unzertrennlich zusammen und sind ein Herz,
und eine Seele. So bin ich denn der glücklichste
Mensch unter der Sonne. Aber mit Franziska, dem
stolzen Trotzkopf, ist es beim alten geblieben. Wir zanken