Weucral
M 134
1888
Sonntag, 10. Juni
Druck und Verlag von Carl Pfeffer
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Wochenschau.
Heidelberg, 9. Juni.
Kaiser Friedrich ist am 1. d. M. nach Potsdam
w^Sesiedelt, vorher und nachher hatte er mehrere längere
!prechungen mit dem Reichskanzler Fürsten Bismarck,
verschiedene Vollsitzungen des preußischen Staats'
^ifteriums stattfanden. Anlaß dazu soll eine Puttkamer-
gegeben haben, die augenblicklich noch in der Schwebe
Kaiser Friedrich — so heißt es — hätte schon das
betreffs fünfjähriger Verlängerung der Legislatur-
°°e des deutschen Reichstags nur widerstrebend unter-
^Met. Mit noch geringerer Neigung habe er das gleiche
für den preußischen Landtag genehmigt. Die Wahl-
sh ^sten, welche noch in der letzten Sitzung des preußi-
Abgeordnetenhauses vorkamen, hätten sodann dem
den Wunsch erzeugt, durch einen besonderen Erlaß
Minister v. Puttkamer die Aufrechterhaltung der
b'e Leihest scharf zu betonen. Herr v. Puttkamer habe
tz^bsicht gehabt, gegen diesen Erlaß sich zu verant-
sei aber dann zu dem Entschluß gekommen, seine
deg Mng anzubieten. Ob mit oder ohne Zustimmung
ikdx s ^bn Bismarck, ist nicht bekannt, ebenso fehlt noch
^"ubwürdige Andeutung über die Persönlichkeit des
Nachfolgers, falls Herr v. Puttkamer aus dem
^eri> scheidet. Ferner war in vergangener Woche das
^breitet, daß der Königliche Hausminister Graf
^-°^g-Wernigerode von seinem Posten scheiden und
! °en ehemaligen Marineminister Stosch ersetzt werden
von welchem bekannt ist, daß er beim jetzigen
-kz^aare eine gern gesehene Persönlichkeit ist, da-
lwg' vnt dem Reichskanzler in vollem Unfrieden aus-
ging.
Ikiyx er österreichisch-ungarische Generalslab hat
sihsEvße Uebungsreise begonnen, die einen politischen
H dasjenige erhielt, was die Generalstäbler
^unternehmen. Die Reise unter der Leitung des
lU ^fftabschefs F.-M.-L. Baron v. Beck wird sich dies-
Oberösterreich, das Tauerngcbiet und Kärnthen
liilitÄ' Es wird der Ankündigung dieser Reise von
Snte die Bemerkung beigcfügt, daß absichtlich
^hlt w Terrain für die diesjährige Uebungsreise ge-
^üllw vden, weil diese Wahl irgend welche tendenziöse
^«gen ausschließt, welchen, wenn die nördlichen Gegen-
Monarchie für diese Uebungsreise» ausersehen
v wären, diese kaum entgangen sein würde.
loh der französischen Deputirtenkammer wurde
bjmtirten Laur der Antrag cingebracht, als Ant-
°uf die deutschen Paßvorschriften eine französische
Osten einzurichten, wo die Deutschen gleichen
an —
-'passen ^weisend zu Therese: Hochmuth und Armuth
'E V>ie :'/chlbcht zusammen, meine liebe Frau. Wenn
v) fast auch glauben möchte, um Unterstützung
! zu oen anoeren Deremsoamcn.
si^^Über kann doch kein Zweifel obwalten, versetzte
^Eer mit Achselzucken, es ist eine von den Bett-
- wie sie uns ost genug in den Weg laufen.
tzkA muß sie bitten, rief die gekränkte Therese cr-
hhab' vorsichtiger in der Wahl ihrer Worte zu sem;
? mich ja nicht an Sie gewandt.
v. Weller schlug die Hände zusammen. Ah,
lh aL °uf, ich b^omme mein Astma. Was muß man
^lles sagen lassen, wenn man Dame des Sama-
i "Ws ist, Oh! Oh!
Prediger Libau, die auf Alles wohl geachtet
leisteVcm Arrangement der Confituren ein und
verweisend zu Therese: Hochmuth und Armuth
Pi- E"' schleckt sn-n»
Die Meilchendame.
stj Roman von Carl Görlitz.
. (Fortsetzung.)
die U Therese kämpfte gegen die Thränen
N>"Utwort eintrifft, möchte es schon zu spät sein.
^>Ie Ihre Sache, fuhr die Dame fort, so große
diüa s° können Sie mir dieselbe wohl anvertrauen,
Tk ^ine Frau.
^!>th yerese blickte verwirrt zu Boden. Mir fehlt der
^widerte sie im Flüstertöne, ich habe nur zum
Hediger Vertrauen.
H»lia f bann warten Sie auf dem Flur, bis mein
^ilbn^wt, sagte Frau Libau pikirt, er befindet sich
Lj^ 'ch im Nebenzimmer.
"l »a sandte sich nach diesen Worten von Therese ab,
Cons""" Seitentisch, und füllte dort Crystallschalen
2^ " zum Dessert des Vereinsschmauses.
kann die Person nur wollen? meinte ein junges
p. ^„^^vbierig zu den anderen Vercinsdamen.
Paß- und Aufenthaltsbestimmungen unterliegen, wie die
Franzosen in Elsaß-Lothringen.
Ebenso wie in England wird in Italien eine Er-
höhung der Vertheidigungsfähigkeit des Landes von der
Regierung verlangt. In einer der letzten Kammersitzungen
wurde durch einen Antrag Nicoteras, den die Kammer an-
nahm, die Regierung zu dem Versprechen gedrängt, im
kommenden November bei Wiederaufnahme der Parlaments-
sitzungen eine außerordentliche Vorlage im Betrage von 150
Millionen Lire zur Vervollständigung der Küstenbefesti-
gungen zu machen.
Die irischen Mitglieder des en g lis chen Parlaments
haben sich, wie erinnerlich, gegen die Einmischung des
Papstes in die Politik der Landliga ausgesprochen. Als
Entgegnung darauf wurden in einer besonders berufenen
Versammlung der irischen Erzbischöfe und Bischöfe ver-
schiedene Beschlüsse angenommen, in denen erklärt wird,
daß das päpstliche Rescript sich nur auf das Gebiet der
Moral beschränke und sich in keiner Weise in die irländi-
schen politischen Angelegenheiten mische. Die Resolutionen
tadeln alsdann die unehrerbietige Sprache gegen den Papst
und sprechen zwar den Häuptern der nationalistischen Be-
wegung Anerkennung aus, erinnern sie jedoch an die Autorität
des Papstes in Fragen des Glaubens und der Moralität.
Bezüglich der Verwaltung Egyptens erklärte der
englische Unterstaatssecretär Fergusson im Unterhause, das
viel umstrittene Suakim werde nicht von England, sondern
von der egyptischen Regierung gehalten. Diese Erklärung
involire einen großen Unterschied. Die Verwaltung Egyp-
tens sei den Egyptern überlassen, wenn auch England ihm
beistehe, die Landesverwaltung zu verbessern.
Hinsichtlich des Handels von Südafrika — so
führte Fergusson des Weiteren aus — seien andere Nationen
nicht unempfindlich; dort sei für den britischen Handel
wenig Aussicht, ausgenommen durch Eröffnung neuer
Märkte. Die Errichtung von Handelsgesellschaften in Afrika
sei die legitime Form für britische Unternehmungen, und
geeignet, Englands Interessen zu fördern. Es sei nicht
wünschenswerth, die britischen colonialen Besitzungen da
auszudehnen, wo dieselben sich nicht in natürlicher Weise
ausdehnten; aber es sei entschieden erwünscht, englischen
Kaufleuten, die bereit seien, ein ernstes Risico zu über-
nehmen, um den britischen Handel in Afrika zu fördern,
jede legitime Unterstützung zu gewähren.
Der britisch-ostafrikanischen Gesellschaft ist
nach den Erklärungen des britischen Ministers noch kein
königlicher Schutzbrief gewährt worden, weil sie sich noch
nicht constituirt habe, aber der bezügliche Schutzbrief werde
in jedem Falle in derselben Weise begrenzt werden, wie
derjenige der Niger-Gesellschaft.
Der Kaiser sowie die Kaiserin von Brasilie n sind am
4. d. M. von Mailand aus in Begleitung von vier Acrzten
nach Aix-les-Bains abgcreist.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 7. Juni. Zum Beamten gesetz. Die
Herren Lehrer gehen bei Vertheilung der Gaben, so von
Oben herabkommen, wieder einmal leer aus und ihre Be-
schwerden darüber, die in allen Blättern widerhallen, sind
nur zu berechtigt. Man hat für den Lehrerstand, so wird
dem „M. Anz." geschrieben, überall und allenthalben schöne
Worte und stets ist es bei allen möglichen Gelegenheiten
die Schule, auf deren Wirksamkeit als einem der wichtigen
Factoren im öffentlichen Leben man maßgebender Seits ab-
hebt und mit welcher man es sogar liebt, dem Ausland
gegenüber Staat zu machen. Sobald es sich jedoch darum
handelt, den Organen dieser Anstalt, d. h. den Lehrern eine
Wichtigkeit ihres Berufes auch nur annähernd entsprechende
materielle Existenz zu gewahren, da fehlt es aller Orten, da sind
ganze Massen weit nothwendigere Ausgaben zu bestreiten, da
können die armen Herren Lehrer warten und immer wieder
warten, bis sie am Ende gar — „schwarz" werden. Trost-
gründe, gnädige Blicke, wohlwollende Hinweisungen auf
die Zukunft, ja sogar Lobsprüche regnet es in Hülle und
Fülle, aber auf den Geldbeutel drückt man den Herren
Lehrern gegenüber nach Fieser'scher Anweisung den Daumen.
Der Mensch, auch der nationalliberale, ist bekanntlich
ein Sclave der Gewohnheit; Jedermann ist aber von
seiner Geburt an gewohnt, in dem Herrn Lehrer einen
bedürftigen Mann zu erblicken, der für jede Zuwendung
dankbar ist, wenn sie ihn auch noch so sehr erniedrigt.
Diese Gewohnheit, einem Manne gegenüber, dessen
wichtige Dienste man immerhin gerne anerkennt, sich
als Wohlthäter und als Gönner erweisen zu können, ist
um so süßer, als man sich ja keine großen Opfer aufzu-
erlegen braucht und sich ein gewisses vornehmes Air dabei
geben kann. Ist aber der Lehrer materiell sicher gestellt,
so hat es mit diesem angenehmen Kitzel ein Ende; ja der
Lehrer könnte es sogar wagen, es in Verschiedenem seinem
ehemaligen Protector gleich zu thun, und das darf eben
doch nicht sein. Die Herren Lehrer mögen nur die
Hoffnung aufgeben, daß ihre Wünsche um Besserstellung
erfüllt werden, bevor die zwingendste Nothwendigkeit dazu
treibt. „So lange wir noch mehr als genug „Material"
haben, sehe ich nicht ein, warum man die Lehrer auf-
bessern soll," hat früher einmal ein Minister gefaxt. Ganz
so rücksichtslos ist man heute zwar nicht mehr, aber so
lange die Lehrer selbst nicht nur ihre Söhne und Töchter
ihrem eigenen Berufe zuführen, sondern auch Andere dazu
anspornen und sie darauf vorbereiten, statt abzuwehren,
bei unserem Samariterverein einkommen wollen, stände
Ihnen Demuth besser an. Damit würden Sie weiter kommen.
Therese brach nun wirklich in Thränen aus und ging
nach dem Flur hinaus.
Ich hätte mir ein Vergnügen daraus gemacht, sagte
Frau v. Weller, der armen Frau durch eine Empfehlung
bei dem Herrn Prediger zu helfen; man hätte ihren Namen
notiren und ihr zu Weihnachten eine kleine Unterstützung
zukommcn lassen, aber jetzt, wo sie so heftig wurde, darf
ich mich nicht um sie bekümmern.
Ach, meine Damen, fuhr Frau v. Weller fort, wissen
Sie denn schon von der gestrigen Liebestragödie.
Nein.
Was ist geschehen?
Erzählen Sie, liebste Majorin.
Frau v. Weller wurde dicht umringt. Sie begann
sogleich: Die einzige Tochter der Wittwe Lessing, einer
alten Bekannten von mir — nur Bekannten, nicht gerade
Freundin, — hat sich gestern Früh aus der mütterlichen
Wohnung entfernt unter Hinterlassung eines Briefes, in
welchem sie die Absicht ausspricht, sich das Leben zu nehmen.
Leben nehmen? Schrecklich! Gräßlich! Wohl garer-
tränken? Oder sich vor einen Eisenbahnzug werfen?
Sagen Sie so was nicht, kreischte eine der ältesten
Vereinsdamen auf, ich bin zu nervenschwach, um der-
gleichen hören zu können.
Weiter, liebste Majorin, weiter.
Helene Lessing war Braut!
Braut?
Ja wohl, fuhr die Majorin v. Weller fort, erst seit
fünf oder sechs Wochen. Kein Mensch begreift den
Grund dieses Selbstmordes, und todt muß sie schon sein;
denn gestern Früh hat sie sich entfernt und ist trotz aller
Nachforschungen nicht gefunden worden. Es ist schreck-
lich; die Mutter fällt immer aus einer Ohnmacht in die
andere, und der Bräutigam soll die Absicht haben, sich
zu erschießen, wenn er es inzwischen noch nicht gethan hat.
Neues Aufschreien, neues Lamentiren.
Wer war denn der Bräutigam?
Ernst Simmern, der bekannte Assessor, der trotz seiner
Jugend schon ein so ausgezeichneter Redner ist. Er hat
schon mehreren Capitalverbrechern durch seine glänzenden
Vertheidigungsreden ein freisprechendes Urtheil erwirkt.
Als die Vereinsdamen mit seltener Zungenfertigkeit
diesen Sensationsfall besprachen, trat der Herr Prediger
Libau, ein weißhaariger Greis von imponirendcr Gestalt,
von der entgegengesetzten Seite in den Saal. Die lärmende
Unterhaltung der Vereinsdamen stockte augenblicklich. Alle
eilten dem geistlichen Herrn entgegen und überhäuften ihn
mit Complimenten. Therese, deren Hoffnung bei dem Er-
scheinen des Predigers, den sie wiederholt auf der Kanzel
so schöne, menschenfreundliche Worte hatte sprechen hören,
sich neu belebte, trat wieder in den Saal; da sie auf der
Schwelle desselben ganz allein stand, wurde sie sehr bald
von dem Prediger bemerkt.
Nachdem er die überschwänglichen Complimente und
Ergebenheitsversicherungen der Damen lächelnd entgegen-
genommen, und durch einige sehr sanfte Worte erwidert
hatte, zeigte er auf Therese. Wer ist das?
Die Frau wollte Dich sprechen, sagte seine Gattin kurz.
Die den Prediger umringenden Vereinsdamen traten
zurück und bildeten eine Gasse, durch welche Herr Libau
hindurch schritt.
Das blasse Gesicht Theresens röthete sich wieder, als
sie den Geistlichen auf sich zukommen sah; es erhöhte ihre
Verlegenheit, da auch die Blicke sämmtlicher Vereinsdamen
auf sie gerichtet waren.
Sie wünschen, meine Liebe? fragte der Prediger
Therese, indem er die Hände kreuzte.
Therese nahm ihren ganzen Muth zusammen, sie
dachte an Mann und Kind, vergegenwärtigte sich deren
trostlose Lage und erwiderte freimüthig: Ich komme als
eine Bittende zu Ihnen, Herr Prediger. Oft habe ich
schon von den Segnungen des Samaritervereins gehört,