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1 Verantwort!. Redactcur PH. Klausner i ! Druck und Verlag von Carl Pfeffer
in Heidelberg. ^IKNfrag, A^. j vorm. Wurm L Pfeffer in Heidelberg. LOOO.

Deutsches Meich.
Baden-Baden, 8. Juni. Der Großherzog und die
. ^'ȧherzogin fuhren heute Vormittag IO'/? Uhr bei
Hotel Meßmer vor und statteten der Kaiserin-Mutter
Men Besuch ab. Hierauf besuchten sie noch die übrigen
Zeit hier weilenden Fürstlichkeiten. Auf die Kaiserin
leint der Sommcraufenthalt vortrefflich einzuwirken;
günstiger Witterung unternimmt sie ihre regelmäßigen
- ^zicrfahrten in die nahen herrlichen Waldungen, woran
jeweils einen kleinen Spaziergang knüpft.
. Aus Baden, 8. Juni. In Betreff der den Ständen
Liegenden Entwürfe des Beamteng esetzcs und der
^shaltsordnung haben die oberen Classen der Ange-
"ten der Eisenbahnverwaltung, welche ihre in den Ent-
mehrfach geäußerten Wünsche noch nicht berück-
^"gt sehen, in einer am 2. d. M. in Karlsruhe abge-
^üenen, zahlreich besuchten Versammlung über die weitere
. ^Migung dieser Wünsche Berathung gepflogen. Das Er-
derselben war der einmüthige Beschluß, eine Petition
ri^u ^^oßhkrzogliche Regierung und an die Stände zu
^Meii. Schließlich nahm die Versammlung eine Resolu-
vol? welcher oer Großherzoglichen Regierung der
bw!« Tank aller Subaltern-Angestellten der Eisenbahnver-
Mag fjjr die Einbringung der Entwürfe ausgesprochen
zur Vervollständigung der Reform der dienstlichen
licke Enisse der Subalternbeamten im Sinne größtmög-
Wer Annäherung an die Bcamtengesetzgebung Preußens
° i'ks Reiches aber die noch übrig bleibenden Wünsche
. «ubalternangcstcllten der Eisenbahnverwaltung formulirt
der av ^ren hauptsächlichste Punkte die Unterscheidung
^ Diener des Staates in Beamte erster und zweiter
, ste vermieden, eine Umgestaltung des Wohnungsgeld-
SefrE dem Vorbilde des preußischen Tarifs herbei-
^Mhrt und die Verhängung von Ordnungsstrafen bis zum
Mk. einschließlich ohne vorheriges Verhör
Aosl^bamten für unstatthaft erklärt wissen will. Ein
H^Ichuß soll diese Wünsche alsbald mittels Petition der
^herzoglichen Regierung und den Landständen vortragen.
H.. Berlin, 9. Juni. Der Kaiser besichtigte gestern
bei einer Spazierfahrt das Barackenlager des
^^"fanterie-Bataillons bei Bornstedt.
s^Elr- 9. Juni. Als gut verbürgt wird gemeldet,
lücki! Paßmaßregel zu Gunsten Englands die er-
ztvim Äderung erfahren hat. Nach Abmachungen, welche
Mäi " der deutschen und englischen Regierung auf An-
der letzteren getroffen worden sind, können die Eng-
tzh welche von Frankreich her die deutsche Grenze
d^M'eiten, den dazu erforderlichen Paß sich auf der
pichen Botschaft in London visiren lassen. Die Paß-

gebühren sind indeß die nämlichen, wie bei der deutschen
Botschaft in Paris. — Der Reichskanzler machte heute
Vormittag Herrn v. Puttkamer einen Besuch.
Berlin, 9. Juni. Wer der Nachfolger des Herrn
v. Puttkamer als preußischer Minister des Innern
werden wird, steht noch in keiner Weise fest. Die bis-
her genannten Namen beruhen auf Combinationen. Ein
Vortrag des Fürsten Bismarck bei dem Kaiser fand heute
noch nicht statt; die Frage wegen der Entsetzung des
Ministers von Puttkamer befindet sich noch völlig in der
Schwebe. — Am künftigen Montag tritt die Commission
zur Umänderung des Exercir-Reglements unter Vorsitz des
Generals der Infanterie Frhrn. v. Meerschcidt-Hüllessen
zusammen.
Berlin, 9. Juni. In einem Artikel über russisch-
französische Wandlungen kommt die „Kreuzztg." zu folgen-
dem Schluß: Nach unseren letzten Mittheilungen aus
Petersburg ist der Czar entschlossener als je, das revolu-
tionäre Frankreich in einem Kriege mit Deutschland allein
zu lassen und seine berechtigten Ziele im Orient zu ver-
folgen. Die Freunde eines Friedens zwischen Rußland
und Deutschland finden mehr denn zuvor geneigtes Gehör
bei dem Czaren. Giers ist seit kurzem wiederum xsrsonu
Aruba.
Marienburg, 9. Juni. Die Kaiserin und die
Prinzessin Victoria trafen heute früh 8 Uhr hier ein
und machten sofort eine Rundfahrt durch die festlich ge-
schmückte Stadt, überall von der zahlreich zusammen-
gestrebten Bevölkerung mit Begeisterung begrüßt. Von
einem Schulmädchen nahm die Kaiserin Victoria einen
prächtigen Strauß entgegen; auch im Remter (Versamm-
lungssaal) des Schlosses überreichten Damen Blumen-
spenden. Hier begrüßte ein Sängerchor des Schullehrer-
seminars die Kaiserin mit dem Gesang des Liedes „Gott
grüße Dich". Hierauf fand die Vorstellung der Behörden,
der Hilfscomites und der Geistlichkeit, darunter des Bischofs
Thiel aus Frauenburg, dann eine Besichtigung des Schlosses
statt. Um N/z Uhr fuhren die hohen Herrschaften auf
einem rcichgeschmückten Dampfer nach Jonasdorf.
Elbing, 9. Juni. Die Kaiserin und die Prinzessin
Victoria trafen mit Sonderzug um 11 Uhr 50 Minuten
ein. Auf dem festlich geschmückten Bahnhofe waren 3200
Schülerinnen aufgestellt, die Blumen warfen. In der
Stadt, wo Schüler, Kriegervereine und Gewerke in den
Straßen Spalier bildeten, wurde die Kaiserin überall mit
Jubel begrüßt. Gegen 3 Uhr erfolgte die Abreise der
Kaiserin nach Berlin.
Breslau, 9. Juni. Von der seit dem 7. Juni hier
tagenden zweiten Wanderversammlnng der Deutschen Land-
wirthschaftlichen Gesellschaft wurde der Vorschlag, im Jahre

1890 die Ausstellung der Deutschen Landwirthschafts-
Gesellschaft in Straßburg abzuhalten, begeistert ausgenommen.
Die Entscheidung darüber wird am Montag getroffen.
IrsrrSreich.
Paris, 8. Juni. Das Blatt „Paris" bringt unter
der Überschrift „Verletzung des Frankfurter Friedensver-
trags" einen Artikel, worin es zu beweisen sucht, daß die
jüngsten Anordnungen' des Statthalters Fürsten Hohenlohe
über den Aufenthalt und die Durchreise von Franzosen
durch Elsaß-Lothringen, die Paßtaxe und die Vorschrift,
bloß an der französischen Grenze einen Paß nöthig zu
haben, im Widerspruch zu dem Artikel 11 des Frankfurter
Friedensvertrages ständen, den Frankreich streng beobachte.
„Paris" fügt hinzu: „Wenn der Tag erscheint, wo die
Geschichte sich wieder wendet, wo die Gerechtigkeit wieder
waltet, wo Missethaten ihren Lohn empfangen, wo die
Welt wieder befreit ist, so darf Frankreich das, was es
jetzt noch nicht zu sagen das Recht hat, sagen, daß es
seine Pflicht gethan und volle Genugthuung verdient hat,"
Aus Oran (Algerien) wird wieder ein Handgemenge
zwischen Juden und Matrosen gemeldet, wobei Revolver-
schüsse gewechselt uud ein Matrose schwer verwundet wurde.
Paris, 9. Juni. Von der bereits gemeldeten an-
geblichenGrenzverletzung des französischen Gebiets
durch deutsche Soldaten gibt die Lothringer Zeitung nach
dem „Progres de l'Est" zu Nancy folgende nähere Dar-
stellung : Am vorigen Samstag um halb 8 Uhr Vormittags",
so erzählt das genannte Blatt, „sah die Ehefrau Mailfert,
Bahnwärterin an dem Bahnübergänge der Gemeinde St.
Ail, Kreis Brie, etwa 20 deutsche Soldaten in Waffen auf
sich zukommen. Dieselben machten an dem Bahnübergänge
Halt und, da sie in dem Gärtchen Flieder erblickten, baten
sie um die Erlaubniß, „Blumen aus Frankreich" pflücken
zu dürfen, um solche mit nach Metz zu nehmen. Frau
Mailfert verweigerte ihnen die Erlaubniß, und da die
fremden Soldaten darauf bestanden, erklärte sie ihnen, daß
französisches Militär in dem benachbarten Walde sei, welches
sie herbeirufen wollte, und gleichzeitig machte sie Miene,
in ihr Wärterhorn zu stoßen. Die Deutschen erklärten
der Frau Mailfert, sie wüßten wohl, daß die französischen
Soldaten von Verdun zu weit entfernt seien, um herbei
zu kommen, und fügten hinzu, die französischen Soldaten
seien um diese Zeit noch im Bett und hätten sich übrigens
um andere Sachen zu kümmern, als um die Grenze.
Darauf hin e^'H-Re sich die Schaar, nur zwei derselben
blieben einen A>' - efi.ck zurück und nahmen trotz der An-
wesenheit zweier kleinen Mädchen der Frau des Bahn-
wärters eine unschickliche Haltung an."
Paris, 9. Juni. Der „Progrös de l'Est" meldet,
daß die deutsche Polizei die Frau des Bahnwärters auf-

Die Neilcherrdame.
42) Roman von Carl Görlitz.
(Fortsetzung.)
zurück ^..Prediger, sagte Therese, indem sie ihre Thränen
Uicht versuchte, eine letzte Bitte: wenn ich heute
eine kleine Unterstützung rechnen kann . . .
dos Damen horchten mit wachsender Staunung auf
' T^rese jetzt noch vorbringen würde.
hat ; ""e kleine Tochter, fuhr die unglückliche Frau fort,
ihr -Ne schwere Halskrankheit durchgemacht, davon ist bei
ihr große Schwäche zurückgeblieben. Der Arzt hat
^ein » Wein verordnet, aber ich bin zu arm, um
selch,,. ,"Ufen zu können. Auf der Tafel dort steht ein
eiPllß an Wein, daß es keine Lücke geben wird,
sch°„., e mir eine Flasche davon für mein geliebtes Kind
"en würden.
einx k Prediger streckte beide Hände aus, als wenn er
Üef .^ende Gefahr abwehren wollte. Um Gotteswillen,
Der N?^wittfsvoll aus, Frau, was muthen Sie mir zu?
gehört ja nicht mir, sondern dem Samariter-
nicht an fremdem Eigenthum
itzno Sörnmtliche Damen nahmen eine fast drohende Hal-
Th^se an.
Ä bm gewiß sehr langmüthig und habe große Ge-
britig. ? Menschlichen Schwächen, wie es mein Amt mit sich
solche der Prediger, aber ich muß sie doch warnen,
W Ordnungen zu stellen, das könnte sehr nachtheilig
d späteres Untcrstützungsgesuch wirken.
Al?"^E er von Therese zurück.
tztzh ff? o Aists vergebens! murmelte diese vor sich hin
^usc fgrl d"""' bon Verzweiflung übermannt, aus dem
Das Gefühl der Empörung über die erlittene Ab-

weisung war von ihr gewichen, dafür war das ganze Be-
wußtsein ihres Elends wieder über sic gekommen.
Eine Stunde war mindestens verstrichen, seitdem sie
Mann und Kind verlassen, sie wurde jedenfalls schon mit
Sehnsucht erwartet und sie verzweifelte, daß sie mit leeren
Händen heimkehren sollte; sie konnte das grinsende Gespenst
des Hungers nicht aus ihrer Dachkammer verscheuchen.
In ihrem Jammer achtete sie gar nicht auf den Weg,
welchen sie einschlug. Planlos eilte sie durch die Straßen,
als sie plötzlich durch einen dumpfen Hülferuf aus ihrem
trüben Sinnen aufgescheucht wurde.
Betroffen blieb sie stehen und sah sich um. Sie be-
fand sich, in der äußersten östlichen Grenzstraße der Resi-
denz, welche nur eine Reihe Häuser hatte und auf deren
gegenüberliegenden Seite sich ein weit ausgedehnter Park
hinzog. Die Bäume und Sträucher dieses Parkes standen
in herrlichster Frühlingsblüthe.
Kaum hatte Therese ihren Schritt gehemmt und
spähte um sich, von woher der Schrei gekommen sein
möchte, so geschah etwas sehr Auffälliges.
Durch die Scheiben eines zugemachten Fensters, das
dadurch klirrend zerbrach, wurde ein Bügeleisen auf die
Straße geschleudert, dasselbe fiel mit großem Geräusch dicht
vor Theresens Füße nieder. Sie prallte erschreckt zurück.
Gleichzeitig erschallte abermals Hülfegeschrei, nur
viel deutlicher und durchdringender als das erste Mal.
Therese erkannte sogleich, daß diese angstvollen Rufe
mit dem auf die Straße geworfenen Eisen in Verbin-
dung standen.
Sie eilte an das zerbrochene Parterrefenster und sc i
nun durch die bedeutende Oeffnung in der zersplitterten
Scheibe, daß in der hinter derselben gelegenen Stube ein
junges, feingekleidetes Mädchen sich gegen einen Mann
und eine Frau wehrte und denselben zu entfliehen suchte.
Sowie Therese vor dem Fenster erschien, ließen der
Mann und die Frau ihr jugendliches Opfer los und ver-
schwanden durch eine am Fenster gegenüberliegende Thüre.

Das junge Mädchen eilte an das Fenster, riß das-
selbe auf, schwang sich in ihrer Angst auf den niedrigen
Sims und sprang auf die Straße hinaus.
Therese fing die junge Dame in ihren Armen auf.
Gerettet, Gott sei Dank, ich bin gerettet! rief die
Letztere und klammerte sich in Todesangst an Frau Lam-
precht an! verlassen Sie mich nicht! Dann brach sie in
Weinen aus.
Da die Straße abgelegen und sehr einsam war, so
hatte Niemand den Vorgang bemerkt.
Als einige Männer sich aus der Ferne näherten, zog
die junge Unbekannte die von dem Vorgang ganz betäubte
Therese mit sich fort, nach dem Park hinüber.
Dort sank die Fremde aus eine, unter blühenden
Fliederbüschen stehende Bank, Therese setzte sich an ihre Seite.
Erklären Sie mir doch nur, sagte die Letztere, welche
über diesen seltsamen Vorgang für den Augenblick ihre
eigene traurige Lage vergessen hatte, was Sie zu dieser
wunderbaren Flucht aus dem Fenster veranlassen konnte?
Das junge Mädchen seufzte.
Wohnen Sie in jenem Hause?
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
Wie sind Sie denn dort hineingekommen? Wollten
jene Leute, mit welchen ich Sie im Kampfe sah, Ihnen
ein Leid zufügen?
Die junge Fremde schauderte und bedeckte das Gesicht
mit den Händen. Nach einer kleinen Pause, nachdem sie
sich etwas beruhigt zu haben schien, wandte sie sich zu Therese.
Ach Madame, sagte sie, indem sie ihre Thränen trock-
nete, Sie haben ein Vertrauen erweckendes Aeußere, er-
lauben Sie mir nur, daß ich vorläufig in ihrer Gesellschaft
bleibe, bis ich mich vollständig erholt habe und zu meiner
Mutter zurückkehren kann; ach, ich habe derselben einen
sehr großen Kummer bereitet. Sie glaubt mich todt, ich
habe mir gestern das Leben nehmen wollen.
Therese erschrack. Wie konnten Sie nur solche Sünde
begehen wollen?
 
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