Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
M 137.

Verantwort!. Redacteur PH. Klausner !
in Heidelberg.

Dorrrrerftag, 14. Juni

Druck und Verlag von Carl Pfeffer
vorm. Wurm L Pfeffer in Heidelberg.


Erscheint täglich außer Msntag, MonnementsprriS mit
dem wöchentl. UnterhaltungSblatt „Alt Heidelberg", für Heidel-
berg: monatlich 5V Pfg. mü Trägerlvhn, durch die Post be-
zogen viertelj. Mk. 1.2» ohne Zustellungsgebühr.


Anzeigen: Lie'l-lpaliige Pktitjei!» »ttt deren Raum für aus»
wärts Ist Pfg., LokalanzeigtN L Ufg., Stellengefuche und
Wohnungs-Anz. 3 Pfg. Reclamr AH Pfg. Bei mehrm. Erschein,
bedeutenden Rabatt, Gratis-Verbrcitunr durch Mauer-Anschlag.

Verkündigungs-Blatt für die Krzirke Heidelberg, Weinheim, Schwetzingen, Wiesloch, Sinsheim, GpptuZes, Mosbach, Uklkarbischsfshrm. Ebrrbach, Kschr^
Buchdruckerei und Expedition: Brunnengasse 24. MalldÜrN, AdklsheiM, 80lkberg, 8>anbkrbilch0^SheiM NNd WkrihklK. Buchdruckern und K^Kedick««: Brunnen gaffe 24-

1888.


w
itt
c-
n-
n,

r
hr.
g'
ffw
d-

i
o
b

Derrtsches Weich.
Karlsruhe, 11. Juni. Der Großherzog hat die
Gnade gehabt, den 4 Schullchrerseminarien und den 3
Präparandcnanstalten des Landes je ein großes Bild des
verewigten Kaisers zu schenken. — Nach der „Bad.
Schulzeitung" soll noch im jetzigen Landtag die Borlage
über Erhöhung der Lchrergehalte durch Alterszulagen,
der Pensionen und der Wittwenbezügc erfolgen. Der Be-
frag von 155000 Mk. soll von der Budgetcommission auf
200000 Mk. erhöht worden sein. Gleichwohl werden die
Lehrerconfcrenzen durch Abordnungen bei den Vertretern
ihrer Bezirke vorstellig werden, daß auch der crhökle Be-
trag nicht zugänglich ist. Wenn nur 100 Mk. auf einen
angestellten Lehrer kommen sollen, so bedarf man einer
Summe von 350000 Mk., und das glauben die Lehrer
Unter allen Umständen verlangen zu dürfen.
Karlsruhe, 11. Juni. Nach dem neuen Gebühren-
Lesetz beträgt die Sportel für Endentscheidungen auf vor-
Sängigcs Verfahren bei einem Bezirksamt 6, bei dem Be-
Hirksrath und Landescommissär 10, bei einer Centralmittel-
llclle 14, bei einem Ministerium und bei der Oberrech-
UUngskammer 20, bei dem Staatsministerium 24 Mk.;
ferner bei dem Verwaltungsgerichtshof 20, 40 oder 60 Mk.,
Uach jeweiliger Bestimmung des Gerichtshofs, entsprechend
der Ausdehnung des Verfahrens oder der Schwierigkeit
des Falls. Auch die anderen genannten Behörden können
der weitläufigem Verfahren oder bei besonders schwierigen
Mllen eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Sportel
^ordnen. Durch das neue Gesetz ist die alte Einrichtung
des Stempels bezw. der Stempelmarkc auch aus dem
ganzen Verwaltungsgcbietc beseitigt und geldlich theilweise
gesetzt durch die neue sogen. Verfahrenssportel, drei Zehntel
"r für die Endentscheidung festgesetzten Sportel, eventuell
"Uch nur ein Zehntel derselben.
Karlsruhe, 11. Juni. Ueber die Restdauer des
Landtags gehen die Meinungen auseinander. Zum min-
^sten aber wird man vier bis fünf Wochen rechnen müssen,
^enn die Erste Kammer außer dem Beamten-, dem Kirchen-
llcuer- und dem Haustrunkgesetz, auch noch die Erhebungen
Lage des Kleingewerbes erledigen soll. Die Bericht-
^nattung über das Beamtengesetz kann Seitens der Zweiten
Kammer schon zu Anfang nächster, vielleicht schon zum
Schlüsse dieser Woche gedruckt vorliegen.
Karlsruhe, 12. Juni. Die im Bundesrathe ange-
^gte Besteuerung dcr Cons umvereine ist in Baden
chon seit der Einführung des Einkommensteuergesetzes
Meinatisch durchgcführt. Man hat sich allerdings dabei
Uicht verhehlt, daß gewichtige rechtliche Gründe, entnommen
der besonderen Natur des Genossenschaftswesens,

einem solchen Schritte entgegenstehen, namentlich da, wo
diese Vereine ihren Absatz lediglich auf den Kreis ihrer
Mitglieder beschränkten. Dies ist jedoch in Süddeutsch-
land meist nickt der Fall und so fand man in diesem
außergenossenschaftlichen Betriebe die erste Handhabe für
eine Theilbesteuerung. Die weitere Besteuerung ging so-
dann aus den parlamentarischen Kreisen hervor, anlehnend
an die Anschauung, daß die Steuerfreiheit eine allzu große
Vergünstigung gegenüber dem privaten Gewerbetreiben-
den darstelle.
Karlsruhe, 12. Juni. Indem auf die mit Nach-
druck gegebenen Erklärungen Berliner officiöser Blätter
hingewicsen wird, laut denen die Namensnennung von
Nachfolgern des Herrn v. Puttkamer nur auf
Vermuthungen beruhen, kann man doch nicht umhin, des
über Wien einlaufenden Gerüchtes Erwähnung zu thun,
dem zu Folge der frühere badische Ministerialpräsident
Herr v. Roggenbach „in unterrichteten Kreisen" zu
Berlin vielfach als muthmaßlicher Nachfolger genannt wird.
Was an dem Gerüchte Wahres ist, muß man durchaus
dahingestellt sein lassen.
Baden-Baden, 11. Juni. Der Familienkreis
des Großherzogl. Hauses wird morgen in seltener
Vollständigkeit, aber auch aus selten schmerzlicherem Anlaß
hier versammelt sein, um den Geburtstag des Heimge-
gangenen PrinzenLudwig im Großhcrzoglichen Schlosse
in den vom Prinzen bewohnten Gemächern in stiller Zurück-
gezogenheit zu begehen. Während die Großfürstin Olga,
Schwester des Großherzogs, schon am Samstag dahier cin-
! getroffen ist, gelangten die zwei anderen Schwestern, die
Herzogin Alexandrine von Sachsen-Coburg-Gotha und
die Fürstin von Leiningen heute hier an. Ebenso ist
der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von
Freiburg kommend heute Mittag dahier eingetroffcu.
Baden-Baden, 12. Juni. In dem hohen Alter von
94 Jahren ist am 8. ds. Mts. der Kaiserlich Russische
Wirkliche Geheimrath v. Persiany, der Nestor der rus-
sischen Diplomatie, dahier verstorben. Seine Erziehung
und Schulbildung hatte er in Kiew erhalten und wurde
in früher Jugend im Dienste der russischen Diplomatie
verwendet. So wirkte er Anfangs dieses Jahrhunderts am
deutschen Bundestage in Frankfurt a. M. als Secretär
der russischen Gesandtschaft, wurde später an die Gesandt-
schaft in Athen versetzt und amtete daselbst von 1843 bis
zu Ende des Krimskrieges 1856 als OsiurAs ä'uKuirss.
Hierauf wurde er zum Gesandten am königlichen Hofe in
Hannover ernannt, welche Stelle er mit Aufhören dieses
Königreiches aufgebcn mußte. Seit jener Zeit lebte er als
Pensionär in hiesiger Stadt und verbrachte die letzten Jahre
eines bewegten und an geschichtlichen Ereignissen reichen

Lebens in stiller Zurückgezogenheit. Die Gemahlin des-
selben, eine geborene Prinzessin Callimachi, ist ihm vor
wenigen Wochen im Tode vorausgegangen.
Berlin, 12. Juni. Der Kaiser hat dem Erbgroß-
herzog von Hessen, Ernst Ludwig, und dem Prinzen
Wilhelm von Hessen den Schwarzen Adler-Orden ver-
liehen. — Dem Vernehmen nach hat der Chef des Civil-
cabinets Sr. Majestät des Kaisers, Wirklicher Geh.-Rath
v. Wilmowski, aus Gesundheitsrücksichten um seinen
Abschied gebeten. Es heißt, daß der Kaiser das Gesuch
genehmigte und Herr v. Wilmowski bereits am 1. Juli
in den Ruhestand treten wird.
Berlin, 12. Juni. Der Kronprinz besuchte heute
morgen den Reichskanzler. — Auf dem gestrigen Diner
bei dem Reichskanzler brachte der Fürst das Wohl
des Kaisers aus. Minister Mahbach toastete auf Herrn
v. Puttkamer.
Berlin, 12. Juni. Durch die Stille des heutigen
Mittags ertönte seit langer Zeit einmal wieder der un-
heimliche Ruf der Extrablätterverkäufer. Es handelte sich
um die amtliche Mittheilung über das Befinden des
Kaisers, die Zunahme der Schlingbeschwerden und die
damit verbundene Schwierigkeit der Ernährung und den
' angegriffenen Zustand des Kaisers. Es ist nicht zu ver-
wundern, daß hierdurch lebhafte Besorgnisse hervorgerufen
wurden. Eine bisher unbedeutende Steigerung des Fiebers
hatte auch die Verringerung der Eßlust herbeigeführt. Die
Aerzte hoffen alle diese Erscheinungen wieder zu beseitigen,
auf deren zeitweises Hervortreten sie ohnehin vorbereitet
z waren. Die Aerzte treten heute Abend zu einer zweiten
Berathung zusammen.
Potsdam, 12. Juni. Der heute Vormittag 9^ Uhr
ß ausgegebene ärztliche Bericht lautet: Bei Sr. Majestät
s dem Kaiser und König haben die Schlingbeschwerden
zugenommen, so daß die Ernährung schwierig wird. In
Z Folge dessen fühlt sich Se. Majestät schwächer als bisher.
^Mackenzie. Wegner. Krause. Hovell. Barde-
- leben. Leyden. Senator.
Potsdam, 12. Juni. Der Kaiser hat im Laufe
l des Tages genügende Nahrung zu sich genommen und fühlt
z sich heute Nachmittag etwas gestärkt. Der Generaladjutant
! Generallieutenant v. Mischke soll in der Umgebung des
Kaisers in Friedrichskron verbleiben. — Der Kronprinz
kam gestern Abend um 11 Uhr noch nach Friedrichskron,
um sich nach dem Befinden seines kaiserlichen Vaters zu
erkundigen. Die Professoren Krause und Leyden
werden heute Abend wieder zur Berathung hierher kommen.
Leipzig, 12. Juni. DerLandesverrathsproceß
wegen Unterschlagung der Mobilmachungsordre beginnt

i
Die Ueilchendame.

Roman von Carl Görlitz.
(Fortsetzung.)
„ . Die Gräfin eilte Helene auf der Treppe entgegen
b .hatte Mühe, sie zurückzuhalten, damit sie nicht unvor-
L bitet vor ihrer Mutter erschien. Helene wartete im
alon der Gräfin, und letztere begab sich zu Frau Lessing,
' derselben die Nachricht von Helenens Rückkehr mit
kim Vorsicht mitzutheilen, denn auch die plötzliche Freude
""U tödten.
n... Sw hatte erst wenige Worte gesprochen, als Frau
unl?c^ Plötzlich aufrichtetc und die Gräfin mit einem
d k'^fiblichen Blick ansah. Ihr Mutterherz hatte aus
dak ^?""derten Stimme der Gräfin sofort herausgesühlt,
wieder etwas Unerwartetes zugetragcn hatte.
V " rief sie bebend, Sic haben mir etwas mitzutheilen.
hehlen Sie mir nichts.
dies ihrer großen Gewandtheit fehlte der Gräfin in
lern Augenblick das rechte Wort. Sic war tiefergriffen,
»neu stürzten aus ihreu Augen.
sie mk Frau Lessing auf, Sie weinen! Man hat
'w gefunden, man bringt mir die Leiche meiner Tochter.
Die Gräfin schüttelte hastig den Kopf.
, Hi! So ist sie lebend da. Ich habe mein Kind
Wo ist meine Herzensheleue?
Gräri E war Fran Lessing aufgesprungen, stieß die
Saln welche sie aufhalten wollte, fort und eilte in die
us der Gräfin. Helene! rief sie.
Meine Mutter, meine liebe Mutter!
Tin-ff und Tochter lagen sich in den Armen, ihre
"on vermischten sich, dann sanken Beide in enger Um-
ohnmächtig zur Erde nieder.
,^ler dem Beistände der Gräfin und dem von dieser
TgH.'g^Knen Dienstmädchen erholten sich Mutter und
endlich wieder; Beider Besinnung kehrte zurück.

Sie dachten in ihrer Freude nicht daran, daß die Zimmer
der Gräfin eigentlich nicht ihre Wohuräume waren, die
Wonne des unverhofften Wiedersehens hatte Mutter und
Tochter den Beobachtungen gesellschaftlicher Etiquette entrückt.
Die Gräfin zog sich mit feinem Taktgefühl in ihr
Schlafzimmer zurück; sie empfand, daß Mutter und Tochter
sich Erklärungen und Mittheilungen zu machet hätten, bei
welchen ein Dritter nicht gegenwärtig sein durste.
Eine selige Stunde war den Wiedervereinten ver-
gönnt; nicht mehr. Die Corridorglocke wurde gezogen. Der
Briefträger brachte einen an Frau Lessing addressirten Brief.
Sie öffnete ihn, las und saß wie erstarrt. Ueber die
Leichenblässe und Unbeweglichkeit erschreckt, nahm Helene
ihr den Brief aus der Hand und überflog mit den Blicken
dessen Inhalt.
„Theure Mutter!
Alles Suchen war vergebens, jede Hoffnung ist da-
hin! Helene ist todt, ihr Schatten zieht mich nach sich.
Mit der Enthüllung des letzten Geheimnisses wird Ihnen
Alles klar werden. Meine Untreue hat Helene in ein
frühes Grab getrieben; dafür giebt es nur eine Sühne
meinen eigenen Tod! Ich war verblendet, die Ver-
blendung ist vorbei. Die Liebe zu Helene ist in meinem
Herzen wie ein glänzender Stern wieder aufgegangen
und hat die Nebel meines kurzen Wahnes zerstreut.
Der Tod hat zwer Liebende wieder vereint. Beten Sie
für uns. Ernst Simmern."
Die Größe des Unglücks hatte die äußeren Kundge-
bungen desselben aufgehoben. Keine Thräne kam aus
Helenens Augen, keine Klage über ihre Lippen. Aber diese
Ruhe war furchtbarer, als es die wildesten Schmerzens-
ausbrüche gewesen wären.
Ohne die Gräfin weiter zu beachten, welche auf das
Klingeln des Briefträgers in den Salon getreten war, wankte
Helene, auf den Arm ihrer Mutter gestützt, in ihr Zimmer.
Das Schicksal hatte vor die hoffnungsreiche Zukunft
einen schwarzen Trauervorhang gesenkt.

Die Gräfin hatte den beiden schwer betroffenen Frauen
j verftändnißvoll nachgeblickt. Sic wußte, was Erdenlcid
war, aber eben weil sie es wußte, kannte sie auch das
Mittel dagegen. Nur nicht Nachdenken, handeln — für
eine Idee, die in der Ausführung allgemeinen Nutzen
bringen kann.
Sie trat noch oft an diesem Nachmittage an's Fenster,
auf dessen Sims die Töpfe mit den blühenden Veilchen
standen, und richtete ihre Blicke nach dem jenseitigen
Straßentrottoir hinüber. In dem Gewühl der Passanten
tauchte ab und zu immer wieder die Gestalt jenes Men-
schen auf, für welchen die Gräfin nur allein Augen zu
haben schien.
Gegen Abend, als die Sonne schon tief stand, zeigte
derselbe Mann sich wieder im Schwarm der Fußgänger,
welche die Straße unaufhörlich belebten; aber jetzt hatte
er ein weißes Taschentuch in der Hand.
Endlich! murmelte die Gräfin leise, als sie von ihrem
Fenster aus dies Zeichen erblickte.
Die Gräfin begann sogleich Toilette zu machen und
r verließ dann ihre Wohnung, und zwar durch die Thüre
! ihres Schlafzimmers, dessen Schlüssel sie mitnahm. Sie
j ging nach dem Geschästslocat des Bankiers Ortmann hin-
l über, in welchem sie ungefähr eine Stunde verweilte.
Dann kehrte sie wieder in ihre Wohnung zurück, und zwar
wieder durch die Thüre ihres Schlafzimmers, ohne den
vorderen Corridor zu berühren.
Sie warf Hut und Tuch ab, trat an den Schreib-
tisch und schrieb einige Notizen auf ein kleines Blatt.
Nach einigen Minuten klopfte cs ganz leise an die
Thüre ihres Schlafzimmers. Die Gräfin öffnete.
Jener, in seinem Aeußern so unscheinbare Mann, der
während mehrerer Stunden in der Straße auf und abge-
gangen war, stand vor der Thüre. Da die Gräfin gar
z nicht überrascht war, mußte sie diesen Mann erwartet
haben. Ohne irgend ein Wort mit ihm zu wechseln, reichte
; die Gräfin ihm den eben beschriebenen Zettel, worauf der
 
Annotationen