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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1888

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Nr. 205-230 (1. - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.70375#1002
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München, 3. Sept. Der S chriftstellertag be-
schloß den Entwurf Schmidt's zu einer Schriftstellerstif-
tung, sowie das durch Brauns-Wiesbaden und durch den
Journalistentag geschaffene Material für eine Unterstützungs-
und Pensionskasse für Wittwen, sowie für eine Sterbekasse
an eine Commission zu überweisen, die in München unter
Zuziehung von Sachverständigen schleunigst die Statuten
ausarbeiten und zur Kenntniß sämmtlicher Mitglieder
bringen soll.
Hamburg, 3. Sept. Leute, welche behaupteten, den
General Boulanger persönlich zu kennen, wollen den-
selben auf dem Venloer Bahnhofe in Hamburg an-
kommen gesehen haben.
Italien.
Rom, 3. Sept. Der König wohnte gestern Vor-
mittag den Manöver» bei, welche glänzend verliefen und
kehrte alsdann nach Forli zurück, von wo aus er sich mit
Kronprinzen um 3 Uhr Nachmittags wieder nach Casena
begab. Der Empfang war so begeistert und die zusammen-
geströmte Volksmenge so groß, daß der König sich nur
mit Mühe vom Bahnhof nach dem nahegelegenen Nath-
haus begeben konnte, wo die Vorstellung der Spitzen der
Behörden stattfand. Der Bürgermeister überreichte dem
König als Andenken an seinen Besuch eine goldene Medaille
nebst einer Widmung auf Pergament.
Aelgien
Brüssel, 2. Sept. Thuillier, der Lütticher Corre-
spondem der „Jndependance Belge", wurde vorgestern
Früh in einem Zweikampf, welcher an der holländischen
Grenze stattfand, von Lejeune, dem Hilfs-Friedensrichter
in Fexhe Slins bei Lüttich getödtet.
Aus Nah und Fern.
§ Schwetzingen, 4. Sept. Der vorgestrige Nach-
mittag sah eine nach Tausenden zählende Menschenmenge
hier versammelt, die sich an der Einweihung des im
Schloßgarten errichteten Kaiser-Friedrich-Felsen betheiligte.
Zur allgemeinen Freude hatten sich auch Herr Landes-
commissär Ministerialrath Frech von Mannheim und Herr
Landesgerichtsdirector Schmidt Eberstein von Mosbach hier
eingefunden. Der Kaiser-Friedrich-Felsen wurde als Denk-
stein an der Stelle errichiet, wo im Schloßgarten im Juli
des Jahres 1870 der damalige Kronprinz von Preußen und
Führer der süddeutschen Heere sich von seiner erlauchten
Schwester Louise, Großherzogin von Baden, verabschiedete,
um, in sein Hauptquartier nach Speyer zurückkehrend,
seinen nochmaligen sieghaften Flug über Frankreichs Ge-
filde zu nehmen. In dem linken Baumgange des vorderen
Gartens, unter dem Schatten hundertjähriger Linden, er-
hebt sich der mächtige Granitblock, mit passender Marmor-
schrift geschmückt, welch' Letztere auf die erwähnte That-
sache hinweist. Nachmittags 4 Uhr, bewegte sich der
stattliche Zug der Festtheilnehmer, Ehrengäste, Sänger-,
Krieger- und Turn-Vereine nach der mit Fahnen und
Flaggen gezierten Wcihestätte. Ein Choral, durch die
städtische Capelle vorgetragen, leitete die Feier ein. Die
gutgeschulten vereinigten Gesangvereine Schwetzingens folgten
mit einem passenden Weihelied. Herr Reallehrer Geils-
dörfer hielt die formvollendete Festrede, Herr Max Basser-
mann, übergab Namens des Festausschusses der Garten-
verwaltung den Denkstein. Ein Festzug und Banket im
Rittersaale folgte, bei welch' Letzterem Herr Oberamts-
richter Clauß in beredten Worten das Hohenzollerngeschlecht
und dessen Mission zur Einigung Deutschlands feierte.
Noch manches treffende Wort ward an die große Ver-
sammlung gerichtet. Der „Gemeinnützige Verein" aber, in
dessen Mitte diese schöne Idee auftauchte, welche auf die
Anregung des Herrn Hofbuchdrucker Moriell zurückzuführen

und erröthend willigte Marianne darein, daß in vier
Wochen ihre Trauung sein sollte. Am Abend kam Mr.
Nollis wieder und erbat sich, um der Form zu genügen,
von Mr. Badolf die Hand seiner Tochter, welche in ge-
bührender Art ihm bewilligt wurde. Mr. Badolf erging
sich dann in Einzelheiten, die Familie betreffend, und als
Mr. Nollis sich empfahl, übergab er ihm eine Banknote
von größerem Werthe als jemals vorher in dieser Hütte
gesehen worden war, sehr ernst und verbindlichst hinzu-
fügend, daß Marianne flüssiges Geld zu ihren Vorberei-
tungen brauchen werde.
Und auf dem kleinen Platze, wo Paul Prant sie so
viele Male an sein pochendes Herz gedrückt, hielt er
Marianne einen Augenblick fest und steckte einen kostbaren
Diamantenring, dessen Feuer in dem Halbdunkel glänzte
und leuchtete, an ihren Finger, ein Vorbote der glänzen-
den Zukunft, die sich vor ihr eröffnet.
So war alles in Ordnung, die Sterne schauten ernst-
haft zu und der sanfte Westwind wehte und nichts geschah,
um die beiden Männer zu warnen, die dieses schöne,
falsche Geschöpf so wahnsinnig liebten.
Doch noch Eines war zu thun — die Nachricht mußte
Paul Prant mitgetheilt werden und es war dies die
schwierigste Sache, die Marianne jemals unternommen.
Sie schrieb einen Brief nach dem andern, nur, um die-
selben immer wieder zu vernichten, da große Thränen-
tropfen auf denselben ihr Gefühl verriethen und sie die
Worte nicht finden konnte, die demselben entsprachen und
so beredtsam waren, als ihre brennenden Gedanken.
Es war dies eine schwere Arbeit, — schwerer, als
selbst Mariannes grausamer Ehrgeiz es sich hatte träumen
lassen — dieses Zerreißen der heiligsten Bande, die ihre
Herzen verbunden hatten, und den verrätherischen Treu-
bruch unter einem anscheinenden Edelmuthe zu verbergen,
als ob ihre Seelengröße sein Opfer nicht annehmcn könne.
Und das war der einzige Brief, den sie ihm jemals
geschrieben hatte! Die Antwort auf den seinen, der so voll
Liebe und Vertrauen und strahlend glücklicher Hoffnung war!
(Fortsetzung folgt.)

ist, hat damit den Manen des tiefbetrauerten Kaiser Fried-
rich eine wahrhaft sinnige Huldigung dargebracht und wird
dieser Fels kommende Geschlechter noch an die große ernste
Zeit und einen der Edelsten und Größten einer Nation
mahnen, die hehre Feier selbst ebenso allen noch lange in
Erinnerung bleiben.
* Mannheim, 3. Sept. Hofcapellmeister Ferdinand
Langer von hier ist für die Dauer der Erkrankung Jsen-
manns als Stellvertreter in den Musikausschuß berufen
worden.
* Mannheim, 3. Sept. Die hiesige Polizei hat
gegenwärtig ein scharfes Auge auf die Bäcker und fast
täglich nimmt sie eine Brodvisitation vor. Und dies auch
mit Recht. Wurden doch bei der letzten Visitation sechs
Bäcker zur Anzeige gebracht, welche mindergewichtiges
Brod im Besitze hatten. Bei einem derselben fehlten so-
gar an einem 4pfündigen Laibe 130 Gramm. — Daß
die Bohnen dieses Jahr außerordentlich gut gerathen sein
müssen, beweist die Mittheilung, daß auf dem gestrigen
großen Bohnenmarkte eine solche Menge zum Verkaufe an-
geboten wurde, daß schließlich der Centner zu einer Mark
verkauft wurde. Die ältesten Leute erinnern sich nicht,
daß die Preise für Bohnen so niedrig waren.
(5 Leimen, 4. Sept. Endlich, nachdem gehofft und
geharrt worden ist, daß unsere neue Glocke zu
regelrechtem Läuten gebracht werde, ist unsere Hoffnung
erfüllt. Hätte man gleich bedacht, daß es besser ist, zum
Schmied als zum Schmiedlein zu gehen, würde man die
Einrichtung des Geläutes gleich unserm wackeren Schmiede-
meister anvertraut haben, anstatt Händen zu überlassen,
die nichts davon verstanden.
* Wiesloch, 3. Sept. Am Samstag Mittag wurde
der Farrenhalter der Gemeinde Walldorf, Phil. Mayer,
welcher einen losgerissenen Farren anbinden wollte, wo-
durch die anderen Farren ebenfalls wüthend wurden, von
denselben so zugerichtet, daß er Abends halb 8 Uhr an den
Verletzungen starb. Derselbe hinterläßt eine Wittwe mit
8 Kindern, von denen das älteste 15 Jahre alt ist. Der
Verunglückte nebst der schwer betroffenen Familie werde»
allgemein bedauert.
* Wiesloch, 3. Sept. Bei der am 30. August hier
unter dem Vorsitz des Gr. Herrn Oberregierungsrath Dr.
Lydtin in Karlsruhe und unter Mitwirkung der Herren
Bezirksthierarzt Hafner von da und Faller von hier, Land-
wirthschaftslehrer Weitzel von Eppingen, Altbezirksrath
Moser in Malsch und Bürgermeister Sieber von Wiesloch
stattgehabten Viehprämiirung wurden folgende Prämien an-
erkannt: 1) Für Farren: der Gemeinde St. Leon 100 Mk.,
der Gemeinde Wiesloch 75 Mk., der Gemeinde Mühl-
hausen 75 Mk.; 2) Für Kühe: Freiherr v. Göler in
Schatthausen 75 Mk , Gemeinderechner Horsch in Wall-
dorf 75 Mk., Friedrich Bergschücker in Baierthal 50 Mk.,
Jacob Schemmenauer in Schatthausen 50 Mk., Michael
Antoni in Horrenberg 50 Mk., Nicolaus Grimm I. in
Schatthausen 50 Mk., Ignaz Menges in Rauenberg
50 Mk. und Philipp Lamerdin I. in Wiesloch 50 Mk.
Für vorgeführte Kühe wurde dem Wendelin Philipp von
Horrenberg, Josef Weigel vom Unterhof, Karl Sommer
Unterhof, Theodor Sauer von Mühlhausen und Franz
Reiß von Nettigheim ein Weggeld von je 10 Mk., dem
Philipp Steinmann von Altwiesloch, Jacob Schemenauer
von Baierthal, Adam Hoffmann von Schutthaufen ein
solches von je 5 Mk., ferner dem Joh. Adam Schmidt,
U. S-, von Wiesloch ein Bildcrpreis zuerkannt. Ferner
wurde der Gemeinde Wieblingen für einen von zwei
dahier vorgeführten Farren ein Preis von 100 Mk. zu-
erkannt.
X Dühren, 3. Sept. Der hiesige „Militär-Verein"
beging gestern unter sehr zahlreicher Betheiligung das Fest
seiner Fahnenweihe. Um halb 3 Uhr, nachdem die 16
Vereine aus ihren Quartieren zur Sammlung gerufen
waren, bildete sich nunmehr der imposante Festzug, welcher
— voran eine Anzahl schmucker Vorreitcr, die Festmusik,
22 weißgekleidete Festdamen und das Festcomits, der fest-
gebende Verein und der Gesangverein Dühren, und in
deren Gefolge die auswärtigen Vereine — sich um 3
Uhr nach dem hübsch gelegenen Festplatze bewegte. Die
Festrede zu übernehmen hatte der redekundige Herr
Hauptlehrer Betzel die große Freundlichkeit, welcher sich
seiner Aufgabe in trefflichster Weise entledigte. Sein auf
Kaiser Wilhelm II. ausgebrachtes dreifaches Hoch fand bei
der Festversammlung ebenfalls freudig begeisterte Zu-
stimmung. Während alsdann die unermüdliche Festmusik
den munteren Paaren zum Tanze aufspielte, ergingen sich
die übrigen Theilnehmer auf dem Fcstplatze oder labten sich
an dem ausgezeichneten Stoffe der wackeren Platzwirthe.
Den Schluß des herrlich verlaufenen Tages bildete ein in
den Gasthäusern zum „Adler", „Engel" und „Krone" ver-
anstalteter Festball.
8 Eppingen, 4. Septbr. Mit Montag, den 10.
September beginnt das neue Schuljahr der hiesigen höheren
Bürgerschule. Wie sonst üblich, sind auch diesmal neu
eintretende Schüler durch ihre Eltern und Fürsorger an
genanntem Tage von 8 bis 11 Uhr Vormittags bei dem
Vorstande anzumelden. Die Prüfung der neu Angemeldeten
findet sodann Dienstag 11. Septbr. von 8 Uhr ab statt.
Neckarelz, 3. Sept. Ein Doppelfest, die Feier
des 2. September, mit welcher zugleich diejenige des Ge-
burtstages unseres allverehrten Großherzogs verbunden
wurde, fand gestern im nahen Diedesheim statt. Auf
Veranlassung des Vorstandes des dortigen „Militärvereins"
versammelten sich gegen Abend die Mitglieder desselben,
so wie eine große Anzahl der gegenwärtig im Dorfe ein-
quartirten Soldaten und viele Einwohner von Diedesheim
und auswärts im festlich beleuchteten Wirthschaftsgarten
der Brauerei Kuch, um unter Vortrag patriotischer Reden
und Gesänge dieses Fest zu feiern. Dasselbe nahm einen
schönen Verlauf und machte auf alle Anwesenden den besten


Eindruck. Der verabreichte „Stoff" war ein Vorzugs)
und wurde demselben deßhalb auch wacker zugesproa) '
Mit gehobenen vaterländischen Gefühlen trennte sm)
Gesellschaft in später Stunde.
* Adersbach, 1. Sept. Heute Nachmittag
schweres Gewitter mit Hagel begleitet über unsere
markung. Der Blitz schlug ohne zu zünden, in den ^a^
giebel der Scheune des Landwirths Gustav Schm '
Großer Schaden wäre entstanden, wenn der Blitz geM
hätte, da diese Scheune hart an eine andere grenzt u
beide reichlich mit Früchten gefüllt sind. c
8 Zuzenhausen, 2. Sept. Wie wenige Wochen v
der Ernte die Krieger'sche Feldscheune durch Blitzschlag
Raub der Flammen wurde, so drohte gestern NachM" u
das gleiche Schicksal der neuerbauten Scheune des La" '
Wirths Michael Aberle hier. Gegen "^4 Uhr fuhr
kalter Blitzstrahl in die mit großem Erntesegen gesu
Scheuer. Die erwachsene Schwester des Eigenthüme
und eine schon ältere Frau wurden von der Gewalt
Schlages zu Boden geschleudert, kamen aber bald wie
zur Besinnung. Die Schwester ist bereits wieder herg
stellt, während die Frau noch in ärztlicher Behandlung ß
befindet. ,
Tauberbischofsheim, 1. Sept. Herr RöttrNge -
I. Hauptlehrer an der hiesigen Volksschule, wurde j"
Vorstande unserer Präparandenschule ernannt.
* Wertheim, 3. Sept. Eine Zugentgleisung
dieser Tage auf der badischen Strecke leicht erfolg
können, indem ein Knabe mit einem Schubkarren an o
Nähe des Knackenbergs vor Einlaufen des 5 Uhr Zrtg
noch rasch das Geleise überschreiten wollte. Das „5
spät" erkennend, ließ er den Karren auf den Schien
stehen, der von der Maschine völlig zertrümmert lvuro.
* Aus Baden, 3. Aug. JnSteinsfurth wnr
dem verheiratheten Bahnarbeiter Heinrich Lehnhard bei
Umladen einer schweren Kiste an beiden Füßen das FleM
losgedrückt und am rechten Fuß der Knöchel förmlich a .
gequetscht. — In Fried richsfeld brachte am gleich
Tage der 17jährige Sohn des Landwirths Joseph l-N«
ein Bein in die Dreschmaschine und wurde ihm das 3,
nannte Glied vollständig abgerissen. Der Unglücklich
starb bald darauf. —In Wertheim wurden dieser Tag
reife Erdbeeren (zweite Ernte) gepflückt. —In Lipperts
reuthe kam der Monteur beim Aussteller! einer DreM
maschine um den Daumen der linken Hand. — Auf^de
Mädlerhof bei Owingen wurden dem Landwirth -vk"''
Brodmann mittelst Einbruchs etwa 400 Mk. in baare
Gelde entwendet. Auf die gleiche Weise kam Landww o
Anton Stengele in Andelshofen um 300 Mk. —Metzger-
meister Jacob Vcidt von Offenburg hat sich *
Schwenningen erhängt. — Der italienische Eisenbahna«
beiter P. Cortesi sprang beim Bahnbau in Weil vo
einem Materialzug und zog sich dabei so schwere
letzungen zu, daß er bald darauf starb. — Landwirth Anto
Kirn von Kappel a. Rh. erlitt dieselbe Todesart am
Abend des 31. August durch den Sturz von einer TrePP^

Vermischtes.
— Hirsch berg, 3. Sept. Die ganze Vorstadt
Sand steht unter Wasser. Aus Warmbrunn wird Hoch-
wasser gemeldet; aus Schreiberhau wird amtlich berichtet,
daß der Zacken in zwei Minuten einen Centimeter steigt-
Die Bober ist um 1,50 Meter gestiegen.
— Breslau, 3. Sept. Die seit Freitag Abend
mit zunehmender Stärke und fast ununterbrochen nieder-
gehenden Regengüsse füllen übermäßig alle schlesische"
Wasserläufe. Bei Ratibor tritt die Oder bereits über die
Ufer, ebenso wie die sämmtlichen Bäche des Glatzer- und
des Riesengebirges.
— sEine unverhoffte große Freudej ist einer
Familie in Forst zu Theil geworden. Der frühere Tuch'
macher W., welcher den Feldzug 1870—71 mitgemacht,
hatte die rechtzeitige Anmeldung seiner Pensionsansprüche
unterlassen, obwohl er in Folge der Strapazen bald nach
dem Kriege kopfkrank und zu jeder Arbeit unfähig wurde-
Spätere Meldungen konnten nicht mehr berücksichtigt wer-
den, und so mußte denn die Gattin des W. für den Unter-
halt der Familie, welche sich um drei Kinder vermehr
hatte, sorgen. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend
schasste und arbeitete sie für die Ihren. Als durch Kaiser-
lichen Erlaß Diejenigen, welche sich nicht rechtzeitig ge-
meldet hätten und aus dem letzten Kriege noch Pensions-
ansprüche zu haben glaubten, aufgefordert wurden, si^
zu melden, sandte auch W. ein erneutes Gesuch ein, er
wurde aber wieder abschläglich beschicken. Gelegentlich
der Confirmation eines Sohnes kam jetzt die Familie »m
eine Unterstützung bei der Victoria-Stiftung ein, nochmals
die Verhältnisse ausführlich klarlegcnd. Die Angelegenheit
muß auch dem Kriegsminister vorgelegen haben, denn dieser
ordnete bei dem Bezirks-Commando in Sorau eine noch-
malige genaue Durchsicht der Acten an, hervorhebend, daß
W. pensionsberechtigt sein müsse. W. erhielt nun dieser
Tage die Nachricht, „daß ihm die volle Pension von 6l>
Mark für den Monat vom Jahre 1871 ab im Betrage
von 13 600 Mk. nachzuzahlen und von jetzt ab eine monat-
liche Pension von 66. Mk. zu zahlen sei."
— sDie verlorene Tochter.) Vor 16 Jahren
ist das Töchterchen des Scegediner Einwohners Kaspar
Gyulai plötzlich verschwunden. Die Eltern beweinten ihr
Kind, von welchem sie annahmen, daß es durch einen Un-
fall um's Leben gekommen sei und dachten gewiß nicht
daran, ihre Therese wieder zu sehen. Als dieser Tage nun
der alte Gyulai vor seinem Hause stand, kam eine elegant
gekleidete Dame auf ihn zu und fragte nach Herrn Kaspar
Gyulai. Der Bauer war nicht wenig erstaunt, den Bf-
such einer so vornehmen Frau zu erhalten; er geleitete sie
in die Wohnstube und dort gab sich die elegante Daine
als die vor 16 Jahren verschwundene Tochter zu erkennen-
 
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