nMergerEugtblall
Erscheint täglich -mßer Msntag. Abonnementsprets mit » Anzeigen: die'l-spaltige PMzeik ,»rr »e«n A«nn für »ut-
»em wöchcntl. Unterhaltungsblait „All Hndelbera", für Heidel- I vWU) ^4 wärtS 16 Pfg Lokalanzeigen K Pfg., Stellengesuche und
berg: monatlich 5V Pfg. mit Trägerlohn, durch die Post be- L 11 Wohnungs-Nnz. 3 Pfg. Reclsm« SG Pfg. Bei mehren. Erschein.
zogen viertelj. Mk. 1.25 ohne Zustellungsgebühr. 'z* bedeutenden Rabatt. GratiS-Verbreitimg durch Mauer-Anschlag.
Verkündigungs-Blatt fiir dir Krzirke Heidelberg, Weinheim, Schwetzingen, Meslsch, Sinsheim, Eppivger, Mosbach, Aeckardischofshei«, Sberbach, Kschtltz
Buchdruckerei und Expedition: Brunnengaffe 24.Walldürn, Adelsheim, Korberg, Taubrrbischofshkim Md Wertheim-Buchdruckerei und VrpediN»«: Brunnen,affe S4-
M 249.
Verantwort!. Redacteur Friedrich Kley
in Heidelberg.
Dienstag, 23. Oetober
Druck und Verlag von Carl Pfeffer
vorm. Wurm L Pfeffer in Heidelberg.
1888.
Bestellungen für die Monate
November u. Deeember
auf das Heidelberger Tageblatt (General-Anzeiger)
(billigste Zeitung in ganz Baden), werden fortwährend von
sämmtlichen Postanstalten, Briefträgern und unseren bekannten
Agenturen zum Preise von Mk. 1.10 frei in's Haus,
sowie von unseren hiesigen und den Trägern und Träge-
rinnen der nächsten Umgebung zum Preise von 50 Pfg.
Monatlich entgegengenommen. Die Expedition.
Zwei deutsche Gesichtspunkte nach Richen.
Auffallend mußte es erscheinen, daß so bald nach
dem Besuche des deutschen Kaisers in Wien, und nachdem
dieser seine Abneigung gegen den clerical und czechisch ge-
sinnten Minister Taaffe nicht undeutlich zu erkennen ge-
geben — ein neuer Minister von derselben Gesinnung,
Graf v. Schönborn in das Ministerium berufen wurde.
Dies ist ein Anzeichen, welches auf alles eher deutet, als
aus einen baldigen Umschwung in der innern, antideutschen
Politik Oesterreichs. Allerdings kann dieses Reich, wie
jeder andere souveräne Staat, seine innere Verhältnisse
gestalten, wie es will. Allein ein solcher Act, wie der
geschehene, stimmt durchaus nicht mit der in der letzten
Zeit eingehaltenen äußern Politik zusammen, einer
Politik, wonach Deutschland als der nächste Alli-
irte jenes Reichs zu betrachten ist. Wenn grade das
deutsche Element, — obgleich dieses auch für Oester-
reich bisher nur culturbringend und der eigentliche
zusammenhaltende Kitt dieses Reiches war — in dessen
deutschen Kronlanden dasselbe nach wie vor zu finden ist,
gehetzt und verfolgt wird, so kann dieser Umstand doch im
deutschen Reiche nicht ganz gleichgültig behandelt werden;
es ist vielmehr ganz geeignet, nach und nach zu einer
Lockerung des mit Oesterreich abgeschlossenen Bündnisses
zu führen, wenn jene schiefe, fast demonstrativ eingehaltene
Bahn noch weiter verfolgt wird. Hoffen wir, daß es zu
dem Aeußersten nicht kommen wird, wenn auch für eine
rasche Umkehr vorerst keine Aussicht vorhanden ist.
Einen weiteren Belang für die damalige, nach Außen
gerichtete Politik des deutschen Reiches bildet seine Colonie
in Ostafrika. Die vielen Verlegenheiten, welche ihm dort
zur Zeit, theils von den einheimischen Neger, theils von
Oberegypten her durch Araber, zumeist Sclavenhändler,
bereitet werden, sind bekannt. Die Letzter» fühlen sich in
ihrem unsaubern Gewerbe beeinträchtigt; daß die einzelnen
Neger sich unwirsch zeigen, darf uns nicht wundern. Auch
in den Colonialstaaten anderer Völker zeigte sich schon viel-
fach dieselbe Erscheinung. So hatten früher die Spanier,
die Engländer, die Holländer stets mit Unbotmäßigkeiten
Die Sirene.
Roman, frei nach dem Amerikanischen, von Ernst v. Treuenfels.
19) . (Fortsetzung.)
Marianne warf Ralph einen wüthenden Blick zu und
sagte zu ihm: „Ralph, Du bist unerträglich; Du hast mir
das schon oft genug vorgeworfen. Wenn Du erbittert
bist, so ist das kein Grund, Deine Wunth an mir zu
kühlen, ich thue das Beste für uns Beide, was ich
vermag."
Er antwortete nicht und verließ nach kurzer Zeit ihr
Zimmer.
Marianne war durch die vollendete Thatsache der Ver-
lobung Malwine's mit Paul Prant so überrascht worden,
daß sie einige Minuten lang selbst fassungslos gewesen
war. Doch der erste Schreck war jetzt vorüber und es
blieb ihr nur übrig, zu entscheiden, was sie thun wolle,
wenn überhaupt noch etwas zu thun war.
In dieser Nacht, sowie noch einige Tage und Nächte
blieb sie unschlüssig, dann entschied sie sich dafür, abzu-
warten, bis das erste Entzücken vorüber sei, und dann —
ihren letzten Trumpf auszuspielen und ihm ihren Brief
zu senden.
So vergingen die schönen Junitsge und Marianne
gab nicht das geringste Zeichen, daß Malwine's Liebes-
geschichtchen sic interesfirten und als Malwine auf Paul's
Anrathen ihr förmlich ihre Verlobung anzeigte, drückte sie
derselben nur ihre herzlichste Theilnahme und ihre freund-
lichsten Glückwünsche zu derselben aus.
Und Paul, dem das Glück in jeder Beziehung lachte,
der jung, gesund, mit einem schönen Hause, in dem er
Herr und Gebieter war, einem schönen jungen Mädchen
verlobt war, das ihn treu und ergeben liebte, mit jeder Aus-
sicht auf ein nützliches, beglücktes Leben — was dachte er?
Es war ein Abschnitt in seinem Leben, den er ebenso
schwer hätte beschreiben, als sich vollständig klar machen
der unterworfenen Ureinwohner zu kämpfen, ebenso fort-
während die Franzosen in Algier und neuerdings in Ton-
king. Wo sich wirkliche Mißstände zeigen, müsse diese so
weit als möglich abbestellt werden. Außerdem genügen
wohl für die augenblickliche Unterdrückung von Aufständen
einige Kriegsschiffe mit ihren bewaffneten Matrosen und
Marinetruppen, sammt einigen Kanonen. Um aber den
angesessenen deutschen Handelsgesellschaften ihre Besitzungen
dauernd zu erhalten, wäre dann freilich die Aufstellung
eines kleinen Heeres nsthwendig, welches theilweise aus
zuverlässigen Eingeborenen gebildet werden könnte. In
jedem Falle muß das deutsche Reich, wenn es überhaupt
Colonien haben will, auf seine afrikanischen Besitzungen
sein unverwandes Augenmerk richten, und doch dieselben
nicht aufgeben, zumal seine sonstigen auswärtigen Gebiete
bis jetzt ganz unbedeutend sind. — In der gedachten Weise
könnte der nöthige Zweck wohl erreicht werden, ohne einen
größer» Theil der deutschen Truppen selbst in jenen ent-
legenen Gegenden, mit ihrem für sie ungewohnten Klima
zu senden. Das Letztere wäre freilich immerhin so sehr
als möglich zu vermeiden._
Deutsches Weich.
Karlsruhe, 22. Oct. Heute, Montag Nachmittag
um 2 Uhr findet die feierliche Beisetzung der am Donners-
tag verstorbenen Prinzessin Marie von Baden, verwittwe
Herzogin von Hamilton statt.
Berlin, 19. Oct. Ein Londoner Blatt verbreitet die
unwahrscheinliche Nachricht, die Trauung des Fürsten Ale-
xander von Battenberg mit der Prinzessin Victoria
von Preußen solle in den nächsten Wochen in aller Stille
im Windsorschlosse stattsinden.
Berlin, 19. Oct. Italienische Blätter berichten, daß
vor der Ankunft des Kaisers in Neapel zehn deutsche
Unterthanen verhaftet worden seien, als verdächtig eines
schlimmen Vorhabens gegen den Kaiser. Alle nach Neapel
und Rom bestimmten Packete wurden auf ministerielle An-
ordnung zuvor geöffnet. Dem Kaiser sind täglich zahl-
reiche Drohbriefe zugegangen.
Berlin, 20. Oct. Trotz der Ankündigung Macken-
zies, gegen die Verbreiter der englischen Uebersetzung des
amtlichen Berichts der deutschen Aerzte Beleidigungsklagen
anzustrengen, laufen bei der hiesigen Schenk'scherchHosbuch-
handlung aus England täglich zahlreiche Bestellungen ein,
die vom Verleger prompt effcctuirt werden.
Stuttgart, 20. Oct. Der König ist heute Mittag
mittelst Extrazugs zum Winteraufenthalte nach Nizza abgereist.
München, 20. Oct. Kaiser Wilhelm traf um
6 Uhr 12 Minuten hier ein. Da jeder Empfang verbeten
war, waren nur der Polizeipräsident und der Bahnhvfs-
> können. Er hatte sicherlich Grund genug glücklicher zu
) sein, als es gewöhnlich das Loos der Menschen ist, und
er war auch glücklich — für einige Zeit wenigstens.
Dieser Satz will viel bedeuten, denn oftmals in den
Wochen, die seiner Verlobung folgten, sagte er sich selbst
daß er eigentlich doch der. glücklichste Mensch in der Welt
sein müsse. Aber wenn man sich das erst sagen muß, so
ist dies das sicherste Zeichen, daß dieses Glück durchaus
nicht vollständig ist. Ja, er war glücklich — und doch —
und das war das traurige Geheimniß — in seiner jetzigen
Zufriedenheit, seinem jetzigen Glücke fehlte ihm der Reiz,
diese überwältigende, betäubende Wonneseligkeit, die jede
Stunde der Zeit bezeichnete, wo er Marianne's Geliebter
gewesen. In diesen Tagen hatte er sich ein Heim, in
dem Marianne's dunkle, leidenschaftliche Augen ihm stets
Liebe zulächeln würden, mit so überschwänglichen Farben
ausgemalt, daß das erwartete Entzücken ihn schon wonnig
erbeben ließ, — doch jetzt, er konnte thun, was er wollte,
es war ihm unmöglich, dieselben Empfindungen hervorzu-
rufen, wenn er an Malwine's sanfte zärtliche Augen
dachte, und zu der Zeit, als sie einen Monat verlobt
waren, wußte er, daß eine Unruhe, eine Unbefriedigung
ß in ihm war, die weder die Ergebenheit für seine Verlobte,
noch strenger Geschäftseifer, noch auch feste Entschlossen-
heit überwinden konnten.
Er sollte heirathen, — doch das liebe junge Geschöpf,
dessen Sanftmuth und Reinheit so beruhigend auf ihn ge-
wirkt, konnte seine Pulse nicht höher schlagen machen, wie
es Marianne's flüchtigster Blick immer gethan, und Ma-
rianne hatte recht gut gewußt, was sie that, wenn sie die
Dinge ihren eigenen Gang gehen ließ, bis das „Neue"
an der Sache sich abgestumpft hatte.
Und das „Neue" war vorüber! Und Paul war sich
schmerzlich bewußt, daß er vergebens gegen Gedanken und
Wünsche kämpfe, die nicht nur schwach, sondern schlecht
waren; denn diese gewannen immer mehr und mehr die
Oberhand bei ihm, und stärkten sich selbst an Malwine's
inspector auf dem äußeren Rangirgeleise anwesend. Nach-
dem die Maschinen gewechselt waren, erfolgte die Weiterreise.
Münster, 19. Oct. Der hiesige Bischof hat, dem
Kölner Bischof folgend, einen Wahl-Erlaß veröffentlicht.
HeDierreiH-KvßKrN.
Wien, 18. Oct. Ueber die Abberufung des päpst-
lichen Nuntius Gali mb erti ist hier zur Zeit nichts be-
kannt, dagegen ist längst wohlbekannt, daß französische Ein-
flüsse ihn zu verdrängen suchen.
Wien, 20. Oct. König Milan hat, wie man aus
Belgrad berichtet, an den König Georg von Griechenland
ein sehr freundschaftliches Schreiben gerichtet. Er beglück-
wünscht darin Griechenland zu der weisen, an Früchten
reichen Regierungszeit des Königs Georg, welche die Ver-
hältnisse der Balkanländer und die guten Beziehungen zu
Serbien gefestigt habe. — Die „Wiener Zeitung" ver-
öffentlicht die Ernennung des Grafen Badeni zum
Statthalter von Galizien.
Irarrkreich
Paris, 20. Oct. In der vorletzten Nacht wurde in
Havre das Schild des deutschen Consulats ab-
gerissen auf der Straße gefunden. Der Unterpräfect be-
gab sich in das Consulat, drückte dem Consul sein Be-
dauern über den Vorfall aus und erklärte, daß die Unter-
suchung sofort eingeleitet worden sei. Der Minister des
Auswärtigen, Goblet, hat dem deutschen Botschafter
Grafen Münster ähnliche Erklärungen abgegeben.
ILakies.
Rom, 20. Oct. König Humbert hat der Kaiserin
Friedrich zum 18. October einen prächtigen Lorbeerkranz
mit der Aufschrift: „^1 cistrruto trutslls s oinioo —
Ilrudsrto ä'Ituliu" (dem verewigten Bruder und Freund
— Humbert von Italien) übersandt. Die pietätvolle Spende
ist für den Sarg des Heimgegangenen Kaisers bestimmt,
welcher dem König „Humbert" in der That sich immer
als „Freund und Bruder" bewährt hat. — In San Remo
hatte Frau Zirio am 18. October zum Andenken an den
edlen Tobten die von den Fürsten bewohnten Räume dem
Publikum erschlossen. Bisher war der Zutritt nur den
Freunden der Familie gestattet worden. Noch befindet sich
in diesen Leidensräumen Alles in dem Zustande, wie in
jener Zeit, als der todeswunde Kaiser, der großen Herrscher-
pflicht gehorchend, sie verließ und aus dem sonnigwarmen
Süden in jener denkwürdigen Reise nach der kalten nor-
dischen Heimath zurückkehrte. Mehr als tausend Genueser
und viele Einwohner von San Remo hatten sich zu der
pietätvollen Wallfahrt eingestellt, unter ihnen auch der
deutsche Generalconsul von Genua.
Ala, 20. Oct. DemKaiserWilhelm wurde hier
eine Depesche des Königs Humbert übergeben, in welcher
Blick und Stimme, die nicht im Stande waren, ihn zu
erregen, wie ein anderer Blick, eine andere Stimme es
vorher gethan! Er versuchte mit allen seinen Kräften sich
mit der Aussicht auf das schöne häusliche Leben, das vor
ihm lag, zu begnügen; er kämpfte mit sich, sagte sich, daß
er schlimmer wäre als ein Ungeheuer. Vergebens, der
Zauber fehlte, und er vermißte ihn.
Diese Gefühle, diese Kämpfe waren auf ihrem Höhe-
punkte angelangt, als eines Nachmittags ein Diener von
Schönburg ihm einen Brief überbrachte, wie dies schon
öfter der Fall gewesen, wenn Malwine eine Botschaft an
ihn hatte.
Doch diesmal war es nicht Malwine's Handschrift,
der Brief kam von Marianne.
Sein Herz schlug stürmisch, ehe er ihn öffnete und
die kalte, höfliche Bitte las.
Was konnte dies bedeuten? — Es hatte wohl keinen
anderen Zweck, als irgend Etwas, das sich auf seine Ver-
lobung mit Malwine bezog, mit ihm zu besprechen. Unter
gewöhnlichen Umständen konnte ein Gentleman eine so
einfache Bitte kaum abschlagen. Aber waren dies ge-
wöhnliche Umstände? Nach alledem, was sich ereignet
hatte, mit der Kenntniß der Schwäche seines Herzens und
wohl wissend, welche Macht Marianne darüber besaß, —
sollte er gehen?
All' sein edleres Selbst, seine ganze bessere Natur
lehnte sich dagegen auf, er ballte den Brief zusammen und
beschloß, keineswegs zu gehen.
Doch — eine Stunde später kamen diese Ueber-
legungen, diese gefährlichen Debatten, die gewöhnlich für
Wille und Urtheil verhängnißvoll find, wenn Neigung
deren Gegner ist. Er wünschte zu wissen, was sie von
ihm wollte? Vielleicht — vielleicht wollte sie ihm ver-
sichern, daß gar kein Grund mehr vorliege, warum er
nicht als Malwine's Gatte ihr Freund sein könne! Viel-
leicht. — Was sie auch wollen mag, — eine Feigheit
wäre es ihren Wunsch nicht zu erfüllen.
Erscheint täglich -mßer Msntag. Abonnementsprets mit » Anzeigen: die'l-spaltige PMzeik ,»rr »e«n A«nn für »ut-
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Verkündigungs-Blatt fiir dir Krzirke Heidelberg, Weinheim, Schwetzingen, Meslsch, Sinsheim, Eppivger, Mosbach, Aeckardischofshei«, Sberbach, Kschtltz
Buchdruckerei und Expedition: Brunnengaffe 24.Walldürn, Adelsheim, Korberg, Taubrrbischofshkim Md Wertheim-Buchdruckerei und VrpediN»«: Brunnen,affe S4-
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in Heidelberg.
Dienstag, 23. Oetober
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vorm. Wurm L Pfeffer in Heidelberg.
1888.
Bestellungen für die Monate
November u. Deeember
auf das Heidelberger Tageblatt (General-Anzeiger)
(billigste Zeitung in ganz Baden), werden fortwährend von
sämmtlichen Postanstalten, Briefträgern und unseren bekannten
Agenturen zum Preise von Mk. 1.10 frei in's Haus,
sowie von unseren hiesigen und den Trägern und Träge-
rinnen der nächsten Umgebung zum Preise von 50 Pfg.
Monatlich entgegengenommen. Die Expedition.
Zwei deutsche Gesichtspunkte nach Richen.
Auffallend mußte es erscheinen, daß so bald nach
dem Besuche des deutschen Kaisers in Wien, und nachdem
dieser seine Abneigung gegen den clerical und czechisch ge-
sinnten Minister Taaffe nicht undeutlich zu erkennen ge-
geben — ein neuer Minister von derselben Gesinnung,
Graf v. Schönborn in das Ministerium berufen wurde.
Dies ist ein Anzeichen, welches auf alles eher deutet, als
aus einen baldigen Umschwung in der innern, antideutschen
Politik Oesterreichs. Allerdings kann dieses Reich, wie
jeder andere souveräne Staat, seine innere Verhältnisse
gestalten, wie es will. Allein ein solcher Act, wie der
geschehene, stimmt durchaus nicht mit der in der letzten
Zeit eingehaltenen äußern Politik zusammen, einer
Politik, wonach Deutschland als der nächste Alli-
irte jenes Reichs zu betrachten ist. Wenn grade das
deutsche Element, — obgleich dieses auch für Oester-
reich bisher nur culturbringend und der eigentliche
zusammenhaltende Kitt dieses Reiches war — in dessen
deutschen Kronlanden dasselbe nach wie vor zu finden ist,
gehetzt und verfolgt wird, so kann dieser Umstand doch im
deutschen Reiche nicht ganz gleichgültig behandelt werden;
es ist vielmehr ganz geeignet, nach und nach zu einer
Lockerung des mit Oesterreich abgeschlossenen Bündnisses
zu führen, wenn jene schiefe, fast demonstrativ eingehaltene
Bahn noch weiter verfolgt wird. Hoffen wir, daß es zu
dem Aeußersten nicht kommen wird, wenn auch für eine
rasche Umkehr vorerst keine Aussicht vorhanden ist.
Einen weiteren Belang für die damalige, nach Außen
gerichtete Politik des deutschen Reiches bildet seine Colonie
in Ostafrika. Die vielen Verlegenheiten, welche ihm dort
zur Zeit, theils von den einheimischen Neger, theils von
Oberegypten her durch Araber, zumeist Sclavenhändler,
bereitet werden, sind bekannt. Die Letzter» fühlen sich in
ihrem unsaubern Gewerbe beeinträchtigt; daß die einzelnen
Neger sich unwirsch zeigen, darf uns nicht wundern. Auch
in den Colonialstaaten anderer Völker zeigte sich schon viel-
fach dieselbe Erscheinung. So hatten früher die Spanier,
die Engländer, die Holländer stets mit Unbotmäßigkeiten
Die Sirene.
Roman, frei nach dem Amerikanischen, von Ernst v. Treuenfels.
19) . (Fortsetzung.)
Marianne warf Ralph einen wüthenden Blick zu und
sagte zu ihm: „Ralph, Du bist unerträglich; Du hast mir
das schon oft genug vorgeworfen. Wenn Du erbittert
bist, so ist das kein Grund, Deine Wunth an mir zu
kühlen, ich thue das Beste für uns Beide, was ich
vermag."
Er antwortete nicht und verließ nach kurzer Zeit ihr
Zimmer.
Marianne war durch die vollendete Thatsache der Ver-
lobung Malwine's mit Paul Prant so überrascht worden,
daß sie einige Minuten lang selbst fassungslos gewesen
war. Doch der erste Schreck war jetzt vorüber und es
blieb ihr nur übrig, zu entscheiden, was sie thun wolle,
wenn überhaupt noch etwas zu thun war.
In dieser Nacht, sowie noch einige Tage und Nächte
blieb sie unschlüssig, dann entschied sie sich dafür, abzu-
warten, bis das erste Entzücken vorüber sei, und dann —
ihren letzten Trumpf auszuspielen und ihm ihren Brief
zu senden.
So vergingen die schönen Junitsge und Marianne
gab nicht das geringste Zeichen, daß Malwine's Liebes-
geschichtchen sic interesfirten und als Malwine auf Paul's
Anrathen ihr förmlich ihre Verlobung anzeigte, drückte sie
derselben nur ihre herzlichste Theilnahme und ihre freund-
lichsten Glückwünsche zu derselben aus.
Und Paul, dem das Glück in jeder Beziehung lachte,
der jung, gesund, mit einem schönen Hause, in dem er
Herr und Gebieter war, einem schönen jungen Mädchen
verlobt war, das ihn treu und ergeben liebte, mit jeder Aus-
sicht auf ein nützliches, beglücktes Leben — was dachte er?
Es war ein Abschnitt in seinem Leben, den er ebenso
schwer hätte beschreiben, als sich vollständig klar machen
der unterworfenen Ureinwohner zu kämpfen, ebenso fort-
während die Franzosen in Algier und neuerdings in Ton-
king. Wo sich wirkliche Mißstände zeigen, müsse diese so
weit als möglich abbestellt werden. Außerdem genügen
wohl für die augenblickliche Unterdrückung von Aufständen
einige Kriegsschiffe mit ihren bewaffneten Matrosen und
Marinetruppen, sammt einigen Kanonen. Um aber den
angesessenen deutschen Handelsgesellschaften ihre Besitzungen
dauernd zu erhalten, wäre dann freilich die Aufstellung
eines kleinen Heeres nsthwendig, welches theilweise aus
zuverlässigen Eingeborenen gebildet werden könnte. In
jedem Falle muß das deutsche Reich, wenn es überhaupt
Colonien haben will, auf seine afrikanischen Besitzungen
sein unverwandes Augenmerk richten, und doch dieselben
nicht aufgeben, zumal seine sonstigen auswärtigen Gebiete
bis jetzt ganz unbedeutend sind. — In der gedachten Weise
könnte der nöthige Zweck wohl erreicht werden, ohne einen
größer» Theil der deutschen Truppen selbst in jenen ent-
legenen Gegenden, mit ihrem für sie ungewohnten Klima
zu senden. Das Letztere wäre freilich immerhin so sehr
als möglich zu vermeiden._
Deutsches Weich.
Karlsruhe, 22. Oct. Heute, Montag Nachmittag
um 2 Uhr findet die feierliche Beisetzung der am Donners-
tag verstorbenen Prinzessin Marie von Baden, verwittwe
Herzogin von Hamilton statt.
Berlin, 19. Oct. Ein Londoner Blatt verbreitet die
unwahrscheinliche Nachricht, die Trauung des Fürsten Ale-
xander von Battenberg mit der Prinzessin Victoria
von Preußen solle in den nächsten Wochen in aller Stille
im Windsorschlosse stattsinden.
Berlin, 19. Oct. Italienische Blätter berichten, daß
vor der Ankunft des Kaisers in Neapel zehn deutsche
Unterthanen verhaftet worden seien, als verdächtig eines
schlimmen Vorhabens gegen den Kaiser. Alle nach Neapel
und Rom bestimmten Packete wurden auf ministerielle An-
ordnung zuvor geöffnet. Dem Kaiser sind täglich zahl-
reiche Drohbriefe zugegangen.
Berlin, 20. Oct. Trotz der Ankündigung Macken-
zies, gegen die Verbreiter der englischen Uebersetzung des
amtlichen Berichts der deutschen Aerzte Beleidigungsklagen
anzustrengen, laufen bei der hiesigen Schenk'scherchHosbuch-
handlung aus England täglich zahlreiche Bestellungen ein,
die vom Verleger prompt effcctuirt werden.
Stuttgart, 20. Oct. Der König ist heute Mittag
mittelst Extrazugs zum Winteraufenthalte nach Nizza abgereist.
München, 20. Oct. Kaiser Wilhelm traf um
6 Uhr 12 Minuten hier ein. Da jeder Empfang verbeten
war, waren nur der Polizeipräsident und der Bahnhvfs-
> können. Er hatte sicherlich Grund genug glücklicher zu
) sein, als es gewöhnlich das Loos der Menschen ist, und
er war auch glücklich — für einige Zeit wenigstens.
Dieser Satz will viel bedeuten, denn oftmals in den
Wochen, die seiner Verlobung folgten, sagte er sich selbst
daß er eigentlich doch der. glücklichste Mensch in der Welt
sein müsse. Aber wenn man sich das erst sagen muß, so
ist dies das sicherste Zeichen, daß dieses Glück durchaus
nicht vollständig ist. Ja, er war glücklich — und doch —
und das war das traurige Geheimniß — in seiner jetzigen
Zufriedenheit, seinem jetzigen Glücke fehlte ihm der Reiz,
diese überwältigende, betäubende Wonneseligkeit, die jede
Stunde der Zeit bezeichnete, wo er Marianne's Geliebter
gewesen. In diesen Tagen hatte er sich ein Heim, in
dem Marianne's dunkle, leidenschaftliche Augen ihm stets
Liebe zulächeln würden, mit so überschwänglichen Farben
ausgemalt, daß das erwartete Entzücken ihn schon wonnig
erbeben ließ, — doch jetzt, er konnte thun, was er wollte,
es war ihm unmöglich, dieselben Empfindungen hervorzu-
rufen, wenn er an Malwine's sanfte zärtliche Augen
dachte, und zu der Zeit, als sie einen Monat verlobt
waren, wußte er, daß eine Unruhe, eine Unbefriedigung
ß in ihm war, die weder die Ergebenheit für seine Verlobte,
noch strenger Geschäftseifer, noch auch feste Entschlossen-
heit überwinden konnten.
Er sollte heirathen, — doch das liebe junge Geschöpf,
dessen Sanftmuth und Reinheit so beruhigend auf ihn ge-
wirkt, konnte seine Pulse nicht höher schlagen machen, wie
es Marianne's flüchtigster Blick immer gethan, und Ma-
rianne hatte recht gut gewußt, was sie that, wenn sie die
Dinge ihren eigenen Gang gehen ließ, bis das „Neue"
an der Sache sich abgestumpft hatte.
Und das „Neue" war vorüber! Und Paul war sich
schmerzlich bewußt, daß er vergebens gegen Gedanken und
Wünsche kämpfe, die nicht nur schwach, sondern schlecht
waren; denn diese gewannen immer mehr und mehr die
Oberhand bei ihm, und stärkten sich selbst an Malwine's
inspector auf dem äußeren Rangirgeleise anwesend. Nach-
dem die Maschinen gewechselt waren, erfolgte die Weiterreise.
Münster, 19. Oct. Der hiesige Bischof hat, dem
Kölner Bischof folgend, einen Wahl-Erlaß veröffentlicht.
HeDierreiH-KvßKrN.
Wien, 18. Oct. Ueber die Abberufung des päpst-
lichen Nuntius Gali mb erti ist hier zur Zeit nichts be-
kannt, dagegen ist längst wohlbekannt, daß französische Ein-
flüsse ihn zu verdrängen suchen.
Wien, 20. Oct. König Milan hat, wie man aus
Belgrad berichtet, an den König Georg von Griechenland
ein sehr freundschaftliches Schreiben gerichtet. Er beglück-
wünscht darin Griechenland zu der weisen, an Früchten
reichen Regierungszeit des Königs Georg, welche die Ver-
hältnisse der Balkanländer und die guten Beziehungen zu
Serbien gefestigt habe. — Die „Wiener Zeitung" ver-
öffentlicht die Ernennung des Grafen Badeni zum
Statthalter von Galizien.
Irarrkreich
Paris, 20. Oct. In der vorletzten Nacht wurde in
Havre das Schild des deutschen Consulats ab-
gerissen auf der Straße gefunden. Der Unterpräfect be-
gab sich in das Consulat, drückte dem Consul sein Be-
dauern über den Vorfall aus und erklärte, daß die Unter-
suchung sofort eingeleitet worden sei. Der Minister des
Auswärtigen, Goblet, hat dem deutschen Botschafter
Grafen Münster ähnliche Erklärungen abgegeben.
ILakies.
Rom, 20. Oct. König Humbert hat der Kaiserin
Friedrich zum 18. October einen prächtigen Lorbeerkranz
mit der Aufschrift: „^1 cistrruto trutslls s oinioo —
Ilrudsrto ä'Ituliu" (dem verewigten Bruder und Freund
— Humbert von Italien) übersandt. Die pietätvolle Spende
ist für den Sarg des Heimgegangenen Kaisers bestimmt,
welcher dem König „Humbert" in der That sich immer
als „Freund und Bruder" bewährt hat. — In San Remo
hatte Frau Zirio am 18. October zum Andenken an den
edlen Tobten die von den Fürsten bewohnten Räume dem
Publikum erschlossen. Bisher war der Zutritt nur den
Freunden der Familie gestattet worden. Noch befindet sich
in diesen Leidensräumen Alles in dem Zustande, wie in
jener Zeit, als der todeswunde Kaiser, der großen Herrscher-
pflicht gehorchend, sie verließ und aus dem sonnigwarmen
Süden in jener denkwürdigen Reise nach der kalten nor-
dischen Heimath zurückkehrte. Mehr als tausend Genueser
und viele Einwohner von San Remo hatten sich zu der
pietätvollen Wallfahrt eingestellt, unter ihnen auch der
deutsche Generalconsul von Genua.
Ala, 20. Oct. DemKaiserWilhelm wurde hier
eine Depesche des Königs Humbert übergeben, in welcher
Blick und Stimme, die nicht im Stande waren, ihn zu
erregen, wie ein anderer Blick, eine andere Stimme es
vorher gethan! Er versuchte mit allen seinen Kräften sich
mit der Aussicht auf das schöne häusliche Leben, das vor
ihm lag, zu begnügen; er kämpfte mit sich, sagte sich, daß
er schlimmer wäre als ein Ungeheuer. Vergebens, der
Zauber fehlte, und er vermißte ihn.
Diese Gefühle, diese Kämpfe waren auf ihrem Höhe-
punkte angelangt, als eines Nachmittags ein Diener von
Schönburg ihm einen Brief überbrachte, wie dies schon
öfter der Fall gewesen, wenn Malwine eine Botschaft an
ihn hatte.
Doch diesmal war es nicht Malwine's Handschrift,
der Brief kam von Marianne.
Sein Herz schlug stürmisch, ehe er ihn öffnete und
die kalte, höfliche Bitte las.
Was konnte dies bedeuten? — Es hatte wohl keinen
anderen Zweck, als irgend Etwas, das sich auf seine Ver-
lobung mit Malwine bezog, mit ihm zu besprechen. Unter
gewöhnlichen Umständen konnte ein Gentleman eine so
einfache Bitte kaum abschlagen. Aber waren dies ge-
wöhnliche Umstände? Nach alledem, was sich ereignet
hatte, mit der Kenntniß der Schwäche seines Herzens und
wohl wissend, welche Macht Marianne darüber besaß, —
sollte er gehen?
All' sein edleres Selbst, seine ganze bessere Natur
lehnte sich dagegen auf, er ballte den Brief zusammen und
beschloß, keineswegs zu gehen.
Doch — eine Stunde später kamen diese Ueber-
legungen, diese gefährlichen Debatten, die gewöhnlich für
Wille und Urtheil verhängnißvoll find, wenn Neigung
deren Gegner ist. Er wünschte zu wissen, was sie von
ihm wollte? Vielleicht — vielleicht wollte sie ihm ver-
sichern, daß gar kein Grund mehr vorliege, warum er
nicht als Malwine's Gatte ihr Freund sein könne! Viel-
leicht. — Was sie auch wollen mag, — eine Feigheit
wäre es ihren Wunsch nicht zu erfüllen.