Hessische Landes-Ausstellung Darmstadt igo8.
Heim hätte statt ganz in der Ecke zur Linken, geschlossener Akkord, der lange nachtönt
wohl an anderer Stelle in der Koje besser ohne zu quälen. Das Bild gehört zu den
wirken können. Harburgers Kollektion in seltenen, von denen man sagen darf: je
einer gegenüberliegenden Koje kommt besser länger je lieber. Es wäre eine Acquisition
zur Geltung. Bei den herrlichen Theater- für eine Galerie oder Staatssammlung. Die
Studien für die Kammerspiele des deutschen alte Bäuerin im 3. Oberlichtsaal und das junge
Theaters, nebst Skizzen aus Griechenland, die Bauernmädchen im ersten Ehrensaal sind
Ludwig von Hofmann uns gegeben, ist un- beide auf Schwarz und Fleischtöne gestimmt,
überlegt gehängt worden. Hier wäre vielleicht Der »Hochzeitsschmaus«, ein in Farbe ge-
eine Umhängung noch zu erwägen. Hofmanns tränktes Helldunkel, und das große Bild
sechs große Wandbilder haben dafür im Warte- mit den »Hessischen Bauern«, Schwarz und
saal für Bad Nauheim, trotz oder vielmehr Gelb en plein air vor einer grauen Kirchen-
wegen der hier gedämpften Lichtzufuhr, die mauer, enthalten beide die oben gekenn-
unter den obwaltenden Umständen beste Ver- zeichneten Eigenschaften. Die Wieder-
wertung gefunden. Gerade seine Bösenroth'- gäbe des Bodens mit den Blättern des
sehe Temperatechnik zeigt bei solcher Ver- Herbstes, auf dem die Dorfältesten wartend
schleierung verborgene und vertiefte Reize. stehen, möchte man sich anders wünschen.
Nun also »kritisieren«. Verhaßtes Wort: Im Bildnis seiner Dame in Schwarz steigert
Kritik! Kein Mensch hört's gern. Versuchen sich der seelische Tastsinn und Tiefblick des
wir statt dessen einen Rundgang mit mehr Künstlers wieder zu meisterlicher Höhe,
oder minder passenden Randbemerkungen. Emil Beithan bearbeitet Bantzers Stoff-
Carl Bantzer hat hessisches Volkswesen gebiet. Sein »Schwärmer Tanz« zeigt so-
belauscht, dort wo es am unverfälschtesten zusagen einen koloristisch gut gemusterten
weiterlebt: bei den Bauern. Seine Werke Teppich tanzender Modelle. Doch einstweilen
zeigen einen wissenschaftlichen, einen gelehrten mangelt es an dem gewissen Etwas, das bei
Zug, der doch ihrem künstlerischen Schwung Bantzer mit einbegriffen ist: Luft und Leben,
keinen Abbruch tut. Auch kultur-historisch von Bei Beithan sind die Köpfe, Körper und
Dauerwert, ragen sie zeichnerisch wie malerisch Kleider in der Erstarrung festgehalten worden,
durch ein hohes Können hervor, ein Wissen, Bei Bantzer in der Bewegung ergriffen,
bei dem das innerlich Bewegte, das warme Eugen Bracht ist einer von denen, die
Leben erhalten blieb. Wo der Schwung nicht altern, die hohen, stetig wachsenden
dicht gedrängter, schwerbekleideter und be- Bäumen gleich, Jahresringe ansetzen. In jedem
stiefelter Tänzer so innerlich erfaßt wurde, Jahre neugeboren. Eine Art Walt Whitman
wie bei dem »Bauerntanz« (aus Hamburger der Malerei, gilt ihm nichts Sichtbares
Privatbesitz geliehen), darf man den Ausdruck unbedeutend. Er steigt auf Gletscherfirnen
anwenden, der sonst so selten berechtigt ist: und fängt im Schnee der Sonne Gluten auf"
Rhythmus. Neben Bantzer erheben m. E. viel- er kommt an einem Fabrikbezirk vorbei und
leicht nur noch Zwei Anspruch auch darauf: er malt ihn, dreimal anders. In der »Nacht-
Ludwig von Hofmann und Schmoll von Eisen- schicht« gespenstisch bläuliche Dämpfe, empor-
werth. von Hofmann ist rhythmisch in der An- wirbelnd und webend, entwickeln oben eine
läge seines Wesens. Sein hellenisches Sehnen phantastische Fatamorgana, im Dampf und
ist Rhythmik. Bantzer bleibt deutsch durch Rauche eine Spiegelung der Wirklichkeit,
und durch, auch im Werdeprozeß seiner Das größte mittlere Bild »Hüttenwerk« ent-
Werke. Sie sind Sache des Studierens und hält vielleicht Schwächen, wenn auch die
Wollens mehr als des spontanen »Müssens«. Farbenstimmung in der Luft voll Dramatik
Ein klarer künstlerischer Verstand leistet bei ist. Eine fast peinigend leere Unruhe, mit
ihm die Hauptarbeit. Wenn aber der Verstand den einzeln wie traumhaft und teilnahmlos
so verlebendigend den Stoff durchdringt, darf verstreuten Staffagefiguren, stört und hemmt
man ihn dann nicht genial nennen? das Erlösende, das wir beim großen Kunst-
Von der ganzen Kollektion Bantzer ist die werk suchen. Wir finden es im linken, im
bereits erwähnte »Bauernbraut« in der grün dritten Bilde »Mittagspause im Stahlwerk«,
bebänderten Festhaube das stärkste, vielleicht Es ist das künstlerisch reifste. Hier
in seiner Art das beste Bild auf der Aus- kommt die erlösende Ruhe. Eine Sil-
stellung. Koloristisch aus dem Vollen, breit houette voll dramatischer Wucht. Darüber
und ruhevoll gestimmt auf Grün und Violett, eine Qualmluft brünstiger Arbeit. Darunter
mit einem Gegenklang in Rot. Ein voller Menschen, die in dem betäubenden Betriebe
Heim hätte statt ganz in der Ecke zur Linken, geschlossener Akkord, der lange nachtönt
wohl an anderer Stelle in der Koje besser ohne zu quälen. Das Bild gehört zu den
wirken können. Harburgers Kollektion in seltenen, von denen man sagen darf: je
einer gegenüberliegenden Koje kommt besser länger je lieber. Es wäre eine Acquisition
zur Geltung. Bei den herrlichen Theater- für eine Galerie oder Staatssammlung. Die
Studien für die Kammerspiele des deutschen alte Bäuerin im 3. Oberlichtsaal und das junge
Theaters, nebst Skizzen aus Griechenland, die Bauernmädchen im ersten Ehrensaal sind
Ludwig von Hofmann uns gegeben, ist un- beide auf Schwarz und Fleischtöne gestimmt,
überlegt gehängt worden. Hier wäre vielleicht Der »Hochzeitsschmaus«, ein in Farbe ge-
eine Umhängung noch zu erwägen. Hofmanns tränktes Helldunkel, und das große Bild
sechs große Wandbilder haben dafür im Warte- mit den »Hessischen Bauern«, Schwarz und
saal für Bad Nauheim, trotz oder vielmehr Gelb en plein air vor einer grauen Kirchen-
wegen der hier gedämpften Lichtzufuhr, die mauer, enthalten beide die oben gekenn-
unter den obwaltenden Umständen beste Ver- zeichneten Eigenschaften. Die Wieder-
wertung gefunden. Gerade seine Bösenroth'- gäbe des Bodens mit den Blättern des
sehe Temperatechnik zeigt bei solcher Ver- Herbstes, auf dem die Dorfältesten wartend
schleierung verborgene und vertiefte Reize. stehen, möchte man sich anders wünschen.
Nun also »kritisieren«. Verhaßtes Wort: Im Bildnis seiner Dame in Schwarz steigert
Kritik! Kein Mensch hört's gern. Versuchen sich der seelische Tastsinn und Tiefblick des
wir statt dessen einen Rundgang mit mehr Künstlers wieder zu meisterlicher Höhe,
oder minder passenden Randbemerkungen. Emil Beithan bearbeitet Bantzers Stoff-
Carl Bantzer hat hessisches Volkswesen gebiet. Sein »Schwärmer Tanz« zeigt so-
belauscht, dort wo es am unverfälschtesten zusagen einen koloristisch gut gemusterten
weiterlebt: bei den Bauern. Seine Werke Teppich tanzender Modelle. Doch einstweilen
zeigen einen wissenschaftlichen, einen gelehrten mangelt es an dem gewissen Etwas, das bei
Zug, der doch ihrem künstlerischen Schwung Bantzer mit einbegriffen ist: Luft und Leben,
keinen Abbruch tut. Auch kultur-historisch von Bei Beithan sind die Köpfe, Körper und
Dauerwert, ragen sie zeichnerisch wie malerisch Kleider in der Erstarrung festgehalten worden,
durch ein hohes Können hervor, ein Wissen, Bei Bantzer in der Bewegung ergriffen,
bei dem das innerlich Bewegte, das warme Eugen Bracht ist einer von denen, die
Leben erhalten blieb. Wo der Schwung nicht altern, die hohen, stetig wachsenden
dicht gedrängter, schwerbekleideter und be- Bäumen gleich, Jahresringe ansetzen. In jedem
stiefelter Tänzer so innerlich erfaßt wurde, Jahre neugeboren. Eine Art Walt Whitman
wie bei dem »Bauerntanz« (aus Hamburger der Malerei, gilt ihm nichts Sichtbares
Privatbesitz geliehen), darf man den Ausdruck unbedeutend. Er steigt auf Gletscherfirnen
anwenden, der sonst so selten berechtigt ist: und fängt im Schnee der Sonne Gluten auf"
Rhythmus. Neben Bantzer erheben m. E. viel- er kommt an einem Fabrikbezirk vorbei und
leicht nur noch Zwei Anspruch auch darauf: er malt ihn, dreimal anders. In der »Nacht-
Ludwig von Hofmann und Schmoll von Eisen- schicht« gespenstisch bläuliche Dämpfe, empor-
werth. von Hofmann ist rhythmisch in der An- wirbelnd und webend, entwickeln oben eine
läge seines Wesens. Sein hellenisches Sehnen phantastische Fatamorgana, im Dampf und
ist Rhythmik. Bantzer bleibt deutsch durch Rauche eine Spiegelung der Wirklichkeit,
und durch, auch im Werdeprozeß seiner Das größte mittlere Bild »Hüttenwerk« ent-
Werke. Sie sind Sache des Studierens und hält vielleicht Schwächen, wenn auch die
Wollens mehr als des spontanen »Müssens«. Farbenstimmung in der Luft voll Dramatik
Ein klarer künstlerischer Verstand leistet bei ist. Eine fast peinigend leere Unruhe, mit
ihm die Hauptarbeit. Wenn aber der Verstand den einzeln wie traumhaft und teilnahmlos
so verlebendigend den Stoff durchdringt, darf verstreuten Staffagefiguren, stört und hemmt
man ihn dann nicht genial nennen? das Erlösende, das wir beim großen Kunst-
Von der ganzen Kollektion Bantzer ist die werk suchen. Wir finden es im linken, im
bereits erwähnte »Bauernbraut« in der grün dritten Bilde »Mittagspause im Stahlwerk«,
bebänderten Festhaube das stärkste, vielleicht Es ist das künstlerisch reifste. Hier
in seiner Art das beste Bild auf der Aus- kommt die erlösende Ruhe. Eine Sil-
stellung. Koloristisch aus dem Vollen, breit houette voll dramatischer Wucht. Darüber
und ruhevoll gestimmt auf Grün und Violett, eine Qualmluft brünstiger Arbeit. Darunter
mit einem Gegenklang in Rot. Ein voller Menschen, die in dem betäubenden Betriebe