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Hildebrand, Adolf von
Das Problem der Form in der bildenden Kunst — Strassburg, 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.14796#0037
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— 3i —

Wirkungsganzes und stellt dieses als eine für
sich bestehende Realität der Natur gegenüber.

Im Kunstwerk existiert die Daseinsform nur
als Wirkungsrealität. Indem das Kunstwerk
die Natur als Relation von Bewegungsvorstellung
und Gesichtseindruck fasst, wird sie für uns
vom Wechsel und Zufall befreit.

Es ist deshalb ein naiver Irrtum, wenn man
glaubt, der Eindruck einer Figur, wie er im
gegebenen Kunstwerk nur auf diesem Einklang
beruht, bliebe fortbestehen, wenn man sich
die Daseinsform in einer anderen Wirkungs-
konstellation denkt, die Figur z. B. in einer
anderen Situation. Man verwechselt alsdann
die Identität der Person mit der der Wirkung.

Daraus geht auch hervor, dass alle sogenannten
Proportionslehren, welche man für die Kunst
aufgestellt hat, von vornherein aus einem Miss-
verständnisse entsprungen sind. Die notwen-
digen Proportionen müssen aus der Gesamtheit
des Kunstwerkes stets neu geschaffen werden
und neu resultieren, nicht aber darf die Gesamt-
heit die Addition von feststehenden Einzelpro-
portionen sein.

Es leuchtet ein, dass nur bei Kunstschöpf-
ungen, welche sich als Gesamtanordnung stets
wiederholen, wie z. B. beim griechischen
Tempel, sich für die einzelnen Bauteile an-
nähernd feststehende Verhältnisse ausbilden
 
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