Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
So ist denn das Kunstwerk ein abgeschlosse-
nes, für sich und in sich beruhendes Wirkungs-
ganzes und stellt dieses als eine für sich beste-
hende Realität der Natur gegenüber.

Im Kunstwerk existiert die Daseinsform nur als
Wirkungsrealität. Indem das Kunstwerk die Natur
als Relation von Bewegungsvorstellung und Ge-
sichtseindruck faßt, wird sie für uns vom Wechsel
und Zufall befreit.

Es ist deshalb ein naiver Irrtum, wenn man
glaubt, der Eindruck einer Figur, wie er im ge-
gebenen Kunstwerk nur auf diesem Einklang be-
ruht, bleibe fortbestehen, wenn man sich die Da-
seinsform in einer anderen Wirkungskonstellation
denkt, die Figur z. B. in einer anderen Situation.
Man verwechselt alsdann die Identität der Person
mit der der Wirkung.

Daraus geht auch hervor, daß alle sogenannten
Proportionslehren, welche man für die Kunst auf-
gestellt hat, von vornherein aus einem Mißver-
ständnisse entsprungen sind. Die notwendigen
Proportionen müssen aus der Gesamtheit des
Kunstwerkes stets neu geschaffen werden und neu
resultieren, nicht aber darf die Gesamtheit die
Addition von feststehenden Einzelproportionen sein.

Es leuchtet ein, daß nur bei Kunstschöpfungen,
welche sich als Gesamtanordnung stets wieder-
holen, wie z. B. beim griechischen Tempel, sich
für die einzelnen Bauteile annähernd feststehende
 
Annotationen