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inneren Gesetzen folgt, wird ignoriert. Es kommt
mir das vor, als hätte ein Gärtner seine Pflanzen
durch darüber gedeckte Glasglocken in lauter
verschiedenen Formen wachsen lassen und als
wollte man sich nun mit diesen verschiedenen
Formen allein abgeben und vergäße darüber
ganz, daß es doch die Pflanzen selber sind mit
ihren inneren Lebenstrieben und ihren eigenen
Lebensgesetzen, auf die es ankommt und über
deren Wert und Echtheit jene äußerlichen Ver-
schiedenheiten gar keinen Aufschluß geben. So
sehen wir denn in den Kunstzeiten auch alle
Künstler von dem gemeinsamen Trieb beseelt,
für den Lebensinhalt die gesetzmäßige Form
immer mehr zu klären und ein immer objek-
tiveres und zusammenfassenderes Bild der Natur
zu schaffen. Das Persönliche spielt nur in-
sofern eine Rolle, als es künstlerisch objektiver
Natur ist und in ein allgemeines künstlerisches
Gesetz ausmündet. Das heifit, alle individuelle
Naturauffassung, wodurch der Kunst ein neuer
Naturinhalt zugeführt wird, hat nur dann einen
künstlerischen Wert, wenn dieser, als Ausdruck
eines Gesetzmäßigen erfaßt, eine neue Variation
des Grundthemas darstellt. Die subjektive Will-
kür, das Geistreichtun, die persönliche Kaprize,
sind immer nur ein Zeichen, daß das künstle-
rische Schaffen seinen natürlichen gesunden In-
halt verloren hat.

A. HILDEBRAND. 7
 
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