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sein Volumen haltend, die übliche Andeutung seines Berufes als Evangelist
und Verkündiger der christlichen Lehre, mit der Rechten einen Theil
des Gewandes an die Schulter ziehend, eine äusserst gesuchte affectirte
Haltung. Auf dem übermässig langen Hals ruht der halb nach links ge-
wendete Kopf mit lang herabwallenden Locken. Das Gesicht mit der
etwas stark vorspringenden Nase verräth in seiner leeren Behandlung
ebenso wie das der Maria Schülerhand. Die drei kelchhaltenden Putti
sind hübsch in den Raum hineincomponirt und auch, im Entwurf von
einigem Reiz, in der Ausführung aber sehr schlecht.
Die Figuren sind alle in einem Plan, hinter dem eine zweite Ebene
den entfernt gedachten Hintergrund bildet. Es ist zwar ein Uebergang
aus dem Vordergrund nach dem Hintergrund versucht, aber hier noch
nicht geglückt. Zwei Bäume, die offenbar einen Mittelgrund andeuten
sollten, sind viel zu klein ausgefallen; sie bilden zugleich den ersten Ver-
such, die Vegetation mit in die Darstellung einzubeziehen. Dass das eine
Bäumchen vom Winde nach rechts gebeugt ist, während ein Fähnchen
des Hintergrundes nach der entgegengesetzten Seite zeigt, nur nebenbei.
Den Hintergrund bildet die bereits erwähnte vielthürmige Stadt:
eine Neben- und Hintereinanderstel|ung der verschiedensten Thurmformen;
Befestigungs- und Kirehthürme, spitze und flache, runde und eckige, da-
zwischen auch ein Centralbau mit Kuppel und Laterne in den Formen
der italienischen Frührenaissance. Das Ganze ist von einer zinnenbekrönten
Mauer umgeben und bildet eine ideale Stadtansicht, die sich der Künstler
wohl unter dem Eindruck der in Italien gesehenen Werke eines Benozzo
Gozzoli oder Agostino di Duccio in seiner Phantasie bildete.
Die Wolken darüber gemahnen an die heraufziehende Barockzeit,
wenn gleich sie hier noch durchaus schematisch, stilisirt behandelt sind
und in ihrer gleichmässigen Vertheilung mit dem Stadtbild zusammen
einen einheitlichen gobelinartig wirkenden Hintergrund bilden.
Reinheit des Stiles geht Hand in Hand mit unvollkommener Aus-
führung, die spätem Werke des Künstlers werden das Gegentheil zeigen,

Kreuztragung
(1580), Ort und Art der Aufstellung sowie Erhaltung genau wie vor. Höhe
86 cm, oberer Abschluss halbrund, Breite 70 cm.
Den Mittelpunkt des in hügeliger Landschaft wohl geordneten, sich
von links nach rechts bewegenden Zuges21) bildet der sein eigenes Kreuz
nach Golgatha tragende Christus. Die Last hat ihn gebeugt, trotz der
thatkräftigen Unterstützung des Symon von Kyrene, der das Kreuzende
umfasst hält. Dem Erlöser gegenüber und ihn anblickend kniet in voller
2I) Bei Müller und Mothes: Archäologisches Wörterbuch, und bei Müller:
Lexikon der bildenden Künste, steht unter dem Artikel „Kreuztragung“: „Der Zug
bewegt sich stets von der Linken zur Rechten.“ Es bedarf nur eines Hinweises
auf die bekannte Darstellung Sehongauer’s oder auf Rafael’s spasimo, uni die Un-
richtigkeit dieses so bestimmt ausgesprochenen Satzes zu beweisen.
 
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