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Hirschel, Grete
Le livre des Quatre Dames von Alain Chartier: Studien zur französischen Minnekasuistik des Mittelalters — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.51682#0039
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die kein anderes Werk Chartiers enthält. Auf den 44 Folio-
seiten fehlen nicht weniger als 405 Verse, d. h. mehr als ein
Neuntel der gesamten Dichtung. Die Handschrift nimmt dadurch
eine separate Stellung im Kreis der überlieferten Texte ein und
kommt für die Herstellung eines kritischen Textes kaum in Be-
tracht ... Lücken von nur einem Vers in h beruhen wohl sämtlich
auf einer Flüchtigkeit des Schreibers; Versgruppen können ab-
sichtlich fortgelassen sein. Eine genauere Prüfung ergibt, daß
Lücken von mehreren Zeilen in h, die das Reimschema oft gröblich
durchbrechen, den Gesamtsinn selten arg beeinträchtigen, sodaß
der Text von h schließlich noch lesbar bleibt... h hat keine Ueber-
schrift.. ,“6.
Es ist unverständlich, daß Kussmann bei „genauerer Prü-
fung“ entgehen konnte, daß P eine Titelrubrik hat “Gy commance
le livre des quatre dames“, darunter die spätere deutsche Hinzu-
fügung „Ein bucch von 4 frawen“. Kussmann hat P wohl doch
nicht eingehend genug geprüft, was sein Urteil über diese Hand-
schrift erklärlich machen würde.
II.
P ist ein schlichter Codex cartaceus, 20X13,5 cm groß und
besteht aus 50 Blättern. Den Hauptteil (Bl. 1—44) nimmt das
“Livre des quatre Dames“ ein, während die später angebundenen
und von anderen Händen herrührenden Blätter ein Gedicht in
Briefform, einen lateinischen Briefwechsel zwischen zwei französi-
schen Humanisten und “Les sept articles de la foi“ von Jehan
C h a p u i s enthalten7.
Der Einband besteht aus mit braunem Leder überzogenen
Holzdeckeln, auf dem Vorderdeckel das Bild des Kurfürsten Ott-
heinrich mit der Jahreszahl 1558, auf dem Hinterdeckel ein Wap-
pen, Eckbeschläge und Schließen.
Die Handschrift weist keinerlei Bildschmuck auf. Dagegen
ist sie sehr sorgfältig von einer Hand in schöner, klarer gotischer
Buchkursive der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts einspaltig zu
je 35 Zeilen geschrieben. Sie hat, wie schon erwähnt, eine Titel-
rubrik, rote Initialen, die Versinitialen sind gelb getupft8. Die
schlichte Ausstattung der Handschrift weist darauf hin, daß es sich
um ein sogenanntes Gebrauchsexemplar handelt, in dem der Text,
nicht reicher Bildschmuck die Hauptsache ist. Daß der Schreiber
mit aufmerksamem Interesse seiner Arbeit oblag, beweist nicht nur
das sorgfältige Schriftbild, die wenigen Verschreibungen etc., son-
6 Kussmann, op. cit. S. XIV und XV.
7 Christ, Karl, Die altfranzösischen Handschriften der Palatina,
Leipzig 1916.
8 Ich spreche hier wie im folgenden von dem allein in diesem Falle
in Frage kommenden Hauptteil der Handschrift, der das “Livre des quatre
Dames“ enthält.

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