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Hirschel, Grete
Le livre des Quatre Dames von Alain Chartier: Studien zur französischen Minnekasuistik des Mittelalters — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.51682#0056
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Miniaturen1

Im Laufe meiner Arbeit sind mir an heute noch erhaltenen
Illustrationen zu dem “Livre des quatre Dames“ zehn Miniaturen
bekannt geworden. Im Verhältnis zu der Fülle der Manuskripte
ist das eine verhältnismäßig geringe Zahl. Das erklärt sich wohl
zum Teil daraus, daß im 15. Jahrhundert im allgemeinen profane
Werke weniger reich als Gebetbücher, Meß- und Chorbücher
illustriert wurden2. Die zehn Miniaturen entstammen drei ver-
schiedenen Handschriften, der Karlsruher Handschrift 410 (K),
Arsenal 2940 (Ars) und Bibliotheque Nationale ms. fr. 1507 (N).
Sie sind ihrem künstlerischen Werte nach sehr verschieden.
I.
Zeitlich am frühesten sind m. E. die Miniaturen der Karlsruher
Handschrift (K I und K II), die zwischen 1420 und 30 entstanden
sein dürften. Minaturen annähernd genau zu datieren ist deshalb
besonders schwierig, weil sie häufig zu anderer Zeit entstanden
sind als der zugehörige Text oder die Vollendung reichillustrierter
Werke sich oft über Jahrzehnte erstreckte.
K I, wohl ursprünglich die erste Seite der Handschrift, ist als
solche mit größerer Ausführlichkeit behandelt als K II, die eine
von den wahrscheinlich zahlreichen in den Text eingestreuten
kleineren Illustrationen ist. Unter dem Bild, das den Hauptraum
der Seite einnimmt, stehen noch ein paar Zeilen Text mit schöner
Initiale; das Verhältnis von Bild und Text ist harmonisch. Beide
werden durch den sie gemeinsam umschlingenden Blütenrahmen
zu einem Ganzen vereint. Das Pflanzengewirr, in dem sich sti-
lisierte Veilchen und die so beliebte Akelei erkennen lassen, wird
von Vögeln und einem Wiesel belebt.
Das Bild selbst ist von mäßiger künstlerischer Qualität. Es
stellt den Dichter dar, der aus einer Architektur in die Frühlings-
landschaft hinaustritt, in nachdenklicher Haltung und mit zu
Boden gesenktem Blick, wie der Anfang des Gedichtes ihn schildert.
Der in vertikaler Strichelung angedeutete Grasboden steigt steil
an und läuft in perspektivischem Bemühen zu einer Spitze zu-
sammen, ohne aber die beabsichtigte Tiefenwirkung zu erreichen.
1 Leider konnten die Abbildungen wegen der hohen Kosten nicht bei-
gefügt werden.
2 Martin, Henry, Les Peintres de Manuscrits et la Miniature
en France, Paris 1909.

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