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Hirschel, Grete
Le livre des Quatre Dames von Alain Chartier: Studien zur französischen Minnekasuistik des Mittelalters — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.51682#0058
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Hintergrund heben sich links und rechts Architekturen ab8. Aus
der einen schreitet der Dichter hervor, ganz schwarz gekleidet,
dem Bild des melancholischen Liebenden gleichend, das er in der
“Belle dame sans mercy“ entwirft; aus der anderen kommen die
vier Damen in strenger Gleichheit der Haltung, Tracht und Phy-
siognomie. Sie durchqueren das Bild in der Diagonale und schaffen
hierdurch eine gewisse Raumillusion. Sie kommen daher mit zu
Boden gesenktem Blick in burgundischer Tracht — weißen Hauben,
die das blonde, gescheitelte Haar sehen lassen, und langen mit
Pelz verbrämten weitärmeligen Schleppgewändern, die unter der
Brust gegürtet sind. Die Erste von ihnen trägt in getreuer An-
lehnung an Vers 778 des Gedichtes eine brennende Kerze in der
Hand und geht barfuß, wie der nicht gerade zierliche unter dem
Gewand hervorkommende Fuß zeigt. Auch die Gesichter und die
Hände sind ungeschickt und starr. Dieser Mangel wird noch durch
die Fleischbehandlung mit Deckweiß erhöht. Von dem landschaft-
lichen Dekor gilt dasselbe wie auf K I.
II.
Die fünf aus der Handschrift Arsenal 2940 (Ars) stammenden
Miniaturen dürften aus den fünfziger oder sechziger Jahren des
Jahrhunderts her rühr en. Sie illustrieren die Hauptabschnitte des
Gedichtes: ArsI die Begegnung des Dichters mit den vier Damen,
ArsII den Beginn der Rede der 2. Dame, ArsIII den der 3. Dame,
ArsIV den der 4. Dame, ArsV die Widmung des Gedichtes durch
den Dichter an seine Dame.
Wie K I sind alle fünf Miniaturen ganze Schmuckseiten. Das
eigentliche Bild ist zusammen mit einem Stück Text — dieser
steht auf I, III, IV unter dem Bilde, auf II darüber und schließt
auf V oben und unten das Bild ein — in einen Rahmen hinein-
komponiert, der aus mehrfach geknoteten Draperien besteht.
Darum schlingt sich das übliche Ranken- und Blütengewirr, dessen
unteren Rand ein zierliches Wiesel belebt. Ob dieses als Wappen-
tier eine besondere Bedeutung hat oder nur aus ornamentalen Grün-
den hier seinen Platz fand — auch auf KI sieht man an der-
selben Stelle der Randleiste ein Wiesel — konnte nicht geklärt
werden, da es nicht möglich war, das Wappen, das sich in der
Initiale von I befindet, festzustellen. Außerdem sind Rasuren von
Wappen auf fol. 63 verso und in der Initiale von III, was darauf
schließen läßt, daß die Handschrift mehrere Male ihren Besitzer ge-
wechselt hat; denn häufig ließ der neue Besitzer das Wappen
seines Vorgängers auslöschen, um es durch sein eigenes zu ersetzen.
Es ist immerhin möglich, daß Ars 2940 ursprünglich der Bibliothek

8 Die gleiche ornamentale Musterung ist häufig. Vgl. z. B. die bei
Martin, La miniature fran^aise PI. 331, 522, 743 reproduzierten Miniaturen.
(Bibi. Nat. Lat. 13836, fol. 78, Sainte-Genevifeve 777, fol. 61, 100, 1028, fol. 14.)

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