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Hirschel, Grete
Le livre des Quatre Dames von Alain Chartier: Studien zur französischen Minnekasuistik des Mittelalters — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.51682#0059
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Philipp des Guten von Burgund angehörte, da de
P a u 1 m y 1764 aus dem Nachlaß des Grafen d’A r g e n s o n vierzig
reich ausgestattete Bände erwarb, die der burgundischen Hof-
bibliothek entstammten.
ArsI stellt, wie erwähnt, die Begegnung des Dichters mit den
vier Damen dar. Die Komposition ist außerordentlich gedrängt.
Dieser Eindruck wird durch die Betonung der Vertikalen noch
erhöht, die in den steil aufragenden Architekturen, den Gestalten
und vor allem der gänzlich raumlosen Uebereinanderstellung der
Baumtuffs zum Ausdruck kommt. Trotz des sich in schräger
Windung hinziehenden Flußlaufes, der das Bild in zwei ungleiche
Hälften zerlegt, und einer spärlichen Andeutung diagonaler Ueber-
schneidung, wie sie die Felsen rechts vorn und hinter dem Hirten-
paar erkennen läßt, fehlt die Raumtiefe. Alles ist übereinander
statt hintereinander geschichtet. Die Raumillusion ist hier noch
geringer als auf der wohl sicher älteren Miniatur K I, bei der der
Raum als solcher eine Rolle spielt. Die Uebersteilung der Kom-
position, eine Ueberbetonung der gotischen Vertikalen, veranlaßte
den Künstler, die Dinge so zusammenzudrängen, daß der Anschein
von Raummangel erweckt wird. Auf ArsI ist dargestellt, was der
Maler von K I und K II in zwei Bilder auflöste.
Sowohl die Behandlung der Figuren wie des landschaftlichen
Dekors ist sorgfältiger als auf den Karlsruher Miniaturen und ver-
rät größeres Können. Vor allem sind die Hände und Füße unend-
lich zierlich, schmal und fein. Auch die Gesichter sind fein durch-
gebildet, obgleich der Ausdruck noch nicht sehr variiert ist. Die
Haut ist sehr weiß und hat eine porzellanartige Starrheit. Am
auffallendsten ist der Unterschied in der Figurenbehandlung zu
K I da, wo der Künstler die gleichen Gestalten in derselben Stellung
darstellt, z. B. das sich küssende Hirtenpaar im Hintergrund. Der
Maler von ArsI verfügt über eine sichere Beobachtungsgabe und
natürlichere Ausdrucksmöglichkeiten als der Meister von KI,
dessen ganz ursprünglich wirkende Naivität ihm aber abgeht.
Trotz des technischen Könnens und der prächtigen Ausführung
haben die Miniaturen von Ars etwas höfisch schablonenhaftes und
unpersönliches.
Blumen und Gräser sind fein und zierlich ausgeführt, ebenso
die prächtigen Muster auf den Gewändern und an dem Gesims der
Architektur. Ein Bestandteil des landschaftlichen Dekors sind hier
kleine abgetreppte Felsen, die in unnatürlicher Weise von Bäumen
bestanden sind. Diese Felsen sind ein Motiv landschaftlicher Dar-
stellung, das schon auf antiken Wandmalereien begegnet, von der
byzantinischen Kunst übernomemn wird und von hier in die
Buch- und Tafelmalerei des Mittelalters übergeht9.
9 Kalla b, Wolfgang, Die toskanische Landschaftsmalerei im 14.
und 15. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung. Oesterreichisches
Jahrbuch 21. 1900, S. 1 ff.

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