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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0185
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— i63 —

Bauen auch späterhin üblich waren. Indessen war von der Bogenconstruction in Holz noch
immer ein grofser Schritt zu der in Stein; obwohl es scheinen sollte, dafs der Bau eines Ra-
des aus Felgen den menschlichen Verstand leicht auf den Steinschnitt, wie ihn die Bogen-
construction erfordert, hä,tte leiten sollen. Allein die Geschichte der Erfindungen lehret
häufig, wie nahe oft etwas lag, wo es doch den sinnreichesten Köpfen erst nach Jahrhun-
derten gelang, einen solchen, anscheinend leichten, weitern Schritt zu thun.

Betrachtet man, was die Aegypter in Rücksicht auf den mechanischen Tbeil der Bau-
kunst leisteten, welche Schwierigkeiten sie in der Bearbeitung der härtesten Steinarien über-
wanden, und welche ungeheure Massen sie bewegten und richteten; so bleibt es fast unbe-
greiflich, wie ein so sinnreiches und bereits mit so vielen geometrischen Kenntnissen ausge-
rüstetes Volk in dem Laufe vieler Jahrhunderte von Kunstbetrieb nicht auf eine solche Er-
findung kam. Wenigstens entdecken wir weder in den alten Schriftstellern, wel< he als Au-
genzeugen die ägyptischen Denkmäler beschrieben, noch in den noch vorhandenen Ueber-
resten eine Spur, welche errathen liefse, dafs jenem Volke das Wölben bekannt gewesen sey.
Vielmehr, trifft man auf Praktiken, welche zeigen, dafs ihm eine solche Kennlnifs noch
gänzlich mangelte. Dies läfst sich zum Theil aus der unbehülflichen Weise, welche sie hal-
ten,, ersehen,, in den innern Räumen eine grofse Menge Säulen aufzustellen, um sie mit stei-
nernen Balken wagerecht überdecken zu können; zum Theil und hauptsächlich in dem ß -
nehmen, irgend eine breitere Oeffnung, oder einen Gang in Stein zu überdecken. Sie liefsen
zu diesem Zwecke, wie in dem Gange der grofsen Pyramide bey Memphis, zu beiden Seiten
einen Stein über den andern vortreten, bis sich nach oben die beiden Seiten so näherten,
dafs der Zwischenraum mit einem einzelnen Stein überlegt werden konnte (PL XXX11I. Fig. 1.);
oder sie überdeckten die Räume mit grofsen Steinen, welche sie sparrenähnlich gegen ein-
ander richteten, wie wir dies in einer der Kammern derselben Pyramide noch sehen (Fig. >.).
Solche unbehiilfliche Constructionsweisen sind aber nur in einem Aller denkbar, wo man
die einfachere und festere Bogenconstruction noch nicht kannte.

Eben so wenig scheinen die Phönizier, Israeliten und Babylonier das Wölben gekannt
,zu haben. In den Nachrichten über die grofsen und prachtvollen Baue Salomons, welche
man als das Resultat; der Gesammtkenntnifs in der Baukunst von Seite der Israeliten und
Phönizier ansehen kann, kommt nichts vor, was eine Spur einer solchen Kennlnifs verriethe.
Und was die Assyrer betrifft, so sollte man mit Recht vermuthen, dafs sie die Bogencon-
struction, wenn sie solche gekannt hätten, unter den grofsen Werken von Babylon haupt-
sächlich bey dem Brückenbau, und dann bey dem Bau der hangenden Garten angewandt
haben würden. Aber von der berühmten Brücke melden Herodot (i, 186.) und Diodor
(2, 8-) ausdrücklich, dafs die Pfeiler, deren Quaderstücke durch eiserne mit Bley ver-
gofsene Döbeln und Pilöcke zusammengehalten wurden, mit Balken von Holz überlebt
Wfaren; und von dem Bau der hangenden Gärten giebt Diodor (2, 10.) umständlich an, dafs
die Pfeiler, welche die Gärten stützten, zwey und zwanzig Fufs dick waren, zehn Fufs aus
einander standen, und steinerne Balken, vier Fufs breit und sechszehn Fufs lang, die Ueber-
deckung bildeten.

Auch unter den griechischen und italischen Monumenten kommen noch Ueberreste
vor, welche ein Alter verrathen, wo die Kunst des Wölbens noch nicht bekannt war. Zu
Arpino, dem Geburtsorte des Cicero, ist noch ein Thor der alten Festungsmauer vorhan-
den, welches nach derselben Weise, wie der Gang in der grofsen Pyramide, construirt ist
(Fig. 5.): die Steine springen von jeder Seite einer über den andern vor, bis der lVum
sich von oben so verengt, dafs man ihn mit Einem Stein überdecken konnte. Eiu ähnliches
Pyramidalthor kommt an den uralten Stadtmauern von Mycenä vor, mit dem Unterschiede,
dafs die Gewände aus zwey einzelnen grofsen Steinen bestehen, welche gegen einander



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