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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0217
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195

Der Bau

einer Stockwerke.

§. 2. Wir wollen zuerst den Bau den einzelnen Stockwerke in Betracht ziehen- Sie be-
stehen entweder in Säulen, m Bogenöifnungen (Arkaden), oder in Wänden mit Fenstern.

Bauet man in freystehenden Säulen, so stelle man sie auf derselben Linie, und in glei-
chem Zwischenweiten auf; nur die mittelste Weite kann nach Erfordernifs etwas; stärker ge-
halten werden, in so fern sie nämlich, nach dem Haupteingange fuhrt. Hieraus folget, dafs
man das Vor- und Rückstellen der Säulen vermeiden müsse, weil dadurch immer eine schlech-.
te Constructionsweise, und eine für das Auge unangenehme Verkröpfung des Gebälkes ent-
steht. Auf gleiche Weise vermeide man. die gekoppelten Säulen, welche die Werke der
Neuern so oft entstellen. (S. den 7ten A'oschn. (j. 22. 3).

Die BogenöTfnungen werden entweder in blofsem Mauerwerk (PI. XLII. Fig. F.), oder
mit Pilastern oder Halbsäulen zugleich erbaut (Fig. D. E.). Im ersten Falle wird das Stock-
Werk von oben blofs durch ein Krinzgesimse, oder eine Gürtung in Gestalt eines Kranzge-
simses beendigt; im zweyten Falle wird das ganze Gebälke, wie bey den freystehenden Säu-
len gebraucht. Manchmal wird, wenn die Wölbung im Innern höher steigt, als das Kranz-
gesimse (wie dies in Fig. D. E. der Fall ist) im Aeufsern noch ein Uebersarz in Form eines
Unterbaues beygefügt (vergl. den 6ten Abschn. §. 14. und PL IV". Fig. II. und VI.).

Der Bau der Stockwerke in Fensteröffnungen ist ebenfalls entweder ganz rein (PI XLI't
Fig. C), oder er wird zugleich mit Pilastern oder Halbsäulen geführt (Fig. A.B.). In letztetm
Falle setzt sich das Stockweik mit dem ganzen Gebalke, und im ersten blofs mit dem Rranz-
gesimse ab, wie bey den Bogenöffnungen. Den Fenstern, die erst über einer Brüstung an-
fangen, theilt man besser eine gemeinschaftliche Schwelle in Form eines durch das ganze
Stockweik fortlaufenden Bandes zu, als dafs man jedem Fenster für sich eine besondere
Schwelle giebt (Fig. A. und C).

Uebrigens so wie es bey einer freyen Säulenstellung nicht schicklich ist* eine Säule
dünn, und eine andere dick, eine Zwischenweite breit, und eine andere schmal zu machen,
eben so wenig ist es erlaubt, den einen Pfeiler einer Bogenöffnung, oder einer Fensterwand
stärker, als einen andern, oder eine Bogen- oder Fensteröffnung breiter, als eine andere zu
halten. Nur bey der mittelsten Oeffnung, so wie bey der mittelsten Säulenweite, kann
nach Erfordernifs eine Ausnahme statt finden. Auch kann man die Pfeiler etwa auf den
Ecken stärker als die mittelsten machen. Ferner hüte man sich, einen Pfeiler, oder einen
Theil der Frontmauer über einen andern vor- oder rückspringen zu lassen; denn Verkrö-
pfungen sind in jedem Falle möglichst zu vermeiden; sie entstellen die reine Ansicht eines
Baues immer. Dadurch verstehe ich aber nicht ganze Vorlagen, wie z. B. ein Vorhaus, oder
eine Halle in der Mitte eines Gebäudes, oder etwa vortretende Flügel an den Seiten. Der-
gleichen Vorbaue können bey manchen Anlagen einen wesentlichen Zweck haben, und theils
zur gröfsern Bequemlichkeit, theils zur nähern Chaiakterisirung eines Baues viel beytragen.

Man beobachte bey jedem Stockwerke die Gesetze des Gleichmaafses und des Akkords
in Rücksicht der Hauptpartien sowohl von der Mitte nach den Seiten rechts und links, als
in Hinsicht auf die einzelnen Theile, welche den gleichförmigen Charakter eines ganzen Ge-
schosses näher bestimmen. Nichts störet den angenehmen Eindruck mehr, als die Verletzung
dieser Gesetze.

Deswegen ist es schwer, die gemischte Construction bey irgend einem Stockwerke zu
gebrauchen. Eine solche nennen wir, wenn man an einer und derselben Fronte eines Stock-
werkes freye Säulen entweder mit Arkaden, oder reinen Fensterwänden paart, oder wenn
man einen Theil der Arkaden in blofsen Mauerpfeilern, und einen andern mit Pilastern
oder Halbsäulen aufführt, oder wenn eine ähnliche Mischung von Pilastern oder Halbsaulen

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