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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0227
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Wendeltreppen windet sich gleichfalls ein solches Zimmerstück im Zirkel hinan, in welches
die Stufen einerseits, anderseits aber in die Spindel, um welche sich die Stufen drehen, be-
festigt sind. Selten machet man die Stufen aus dem vollen Holze, sondern man setzet jede
derselben gewöhnlich aus zwey Brererstücken zusammen, wovon das senkrecht gestellte das
Setzbret, und das wagerecht darüber gelegte der Auftritt heifst. Bey ganz gemeinen Trep-
pen, wie bey Bodentreppen und dergleichen, läfst man oft die Setzbreter ganz weg.

Gewöhnlich wird die untere Ansicht der Treppen, nämlich in Fallen, wo sie dem Auge
erscheint, und es auf ein besseres Ansehen ankommt, mit Bretern verschal;., berohrt, und
dann mit einem Mörtel o"der Gipsanwurf bekleidet.

Bey steinernen Treppen werden die Stufen bald auf eine volle Mauer, bald auf eine
Unterwölbung gelegt, bald ruhen sie blofs mit ihren Enden auf den beiden entgegengesetz-
ten Mauern oder Bogen, zwischen denen die Treppe hinanläuft. Manchmal werden die Stu-
fen weder durch eine Unterlage gestützt, noch haben sie Seitenwangen zu Ruhepunkten,
sondern sie tragen sich frey eine über der andern, indem nur die unterste und die oberste
Stufe an festen Punkten oder Schwellen anliegen. Diese Art Treppen haben für den Anbiirk
etwas kühnes. Indessen würden wir bey dem Treppenbau die dem Sinn auffallende Festig-
keit dem Schein des Gewagten und Kühnen immer vorziehen.

Man mufs jede Stufe für sich aus Einem Werkstück verfertigen, und hiezu, wo es immer
angeht, die dichteste Steinart, welche der Verwitterung und der Abnutzung am wenigsten
unterworfen ist, wählen. Man kann aber bey gemeinen Treppen sowohl im Freyt-n als im
Bedeckten die Stufen auch in gutem Backstein mauern, den man zu diesem Zweck auf die
hohe Kante setzet.

Bey hölzernen Treppen werden die Stufen gewöhnlich so gemacht, dafs das Auftrittsbret
etwas über das Setzbret vortritt, und dann wird die scharfe Kante, um sich nicht zu stofsen,
leicht abgerundet. Aus demselben Grunde werden auch die Stufen von Stein auf eine ähn-
liche Weise gearbeitet, besonders im Innern. In jedem Falle thut man gut, den Stufen die
scharfe Kante nicht zu lassen, sondern dieselbe wenigstens leicht abzustumpfen (vergl. D. E. P.).
Der Bau der Treppen erfordert ferner an den Seiten, wo keine Wände hinanlaufen, feste
Geländer, welche gegen das Herabfallen sichern, zugleich mit Handhaben, wodurch man sich
das Herauf- und Herabgehen erleichtern kann. Solche Geländer werden bald von Holz, bald
von Stein, bald von Eisen oder einem andern Metall verfertigt. Wir ersparen uns das Nä-
here hierüber auf den folgenden Abschnitt, wo wir von dem Bau der Gelander überhaupt
handeln werden.

§. 5- Ein wesentliches Erfordernifs einer Treppe ist ferner eine gute Beleuchtung. Am
wenigsten .Licht bedürfen an sich die Wendeltreppen, theils weil sie als Neben- oder Ge-
heimtreppen blofs zum Gebrauch für einzelne Personen bestimmt sind, theils weil die Stufen
von unten nach oben gleichförmig laufen, und nur einen engen Raum einnehmen. Einzelne
kleine Fenster oder Luken (M. a.); die sich nach Innen erweitern, und an den äufsern Wan-
den sich kaum bemerkbar machen, sind zu ihrer Beleuchtung hinreichend. Ausgenommen
hievon sind die grofsen breiten Wendeltreppen ohne Stufen, welche um einen hohlen star-
ken Cylinder laufen CM. b.), und auch für Lastthiere gangbar sind. Diese Art Treppen be-
dürfen einer starken Erleuchtung, welche man nach der Lage, theils durch Oeffnungen in
den äufsem Wanden seitwärts einfallen lassen kann, theils auch von oben durch den hohlen
Cylinder, der von Höhe zu Höhe seitwärts mit breitern Lichtöffnungen versehen ist. Von
ersterer Art ist die grofse Treppe in der Peterskirche zu Rom, welche auf die Dachung füh-
ret, und von der andern ist eine zu Orvieto von S. Gallo angelegte Treppe merkwürdig,
welche zu einem Tiber 150 Fufs tiefen Brunnen leitet, wobey man sich zum Heraufbringen
des Wassers der Lastthiere bedient.

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