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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0029
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der Baumaterialien erfordert. Er mufs kennen, erstlich die zum Bauen üblichen Holzarten:
die besondern Eigenschaften einer jeden, die Verschiedenheit einer und derselben Holzart
nach der Verschiedenheit des Himmelstriches, wo sie wächst; die Zeit das Holz zu fällen,
seinen Gebrauch im Wasser und im Trocknen, seine Gröfsere Tauglichkeit zu diesen oder
zu jenen Baustücken, den Vortheil, der sich aus einem Zimmerstücke durch das geschickte
Behauen und Schneiden desselben ziehen läfst, die Weise, die Hölzer unter sich sowohl, als
mit den Materialien anderer Natur gehörig zu verbinden, damit sie sich nicht werfen, er-
sticken und verfaulen. Zweytens die üblichen Steinmaterialien: die Schichtung der Steine
jn ihrem Naturlager, die Form und die Masse, in welcher sie brechen; die Verschiedenheit
einer und derselben Steinart nach der Himmelsgegend, und ihren Gebrauch beym wirklichen
Baue: ob sie zu Fundamenten im Wasser, oder blofs im Trocknen, zu Hauptstützen, oder
blofs zu Füllungen, zu wagerechten Ueberlagen, oder blofs zu Gewölben, äufserlich oder
blofs inwendig brauchbar sind; weiter: ihre Dauerhaftigkeit und Härte zu Verzierungen;
ihren Widerstand gegen Nässe, Luftsäure, Frost und Feuer; ihre Schwere, und die Art
ihrer Verbindung mit und durch andere Baumaterialien. Drittens gebrannte Steine: Die
Wahl und Mischung der hiezu tauglichen Thonarten, den Grad des Brennens, die Schwere,
die Verschiedenheit ihrer Gröfse nach Länge, Breite, Dicke; ihre Tauglichkeit an feuch-
ten Stellen, im Wasser, im Trocknen; zu Hauptstützen, zu Scheidewänden, zu Füllungen,
zu Bogen und Wölbungen; die Verschiedenheit der Formen nach dem Mauerwerk, zum Ge-
brauch der Säulen, zu den Dachungen, zur Construction der Gesimse und der mancherley
Gliederverzierungen. Viertens die ungebrannten Lehmsteine: die hiezu vorzüglich dienli-
chen Lehmarten, ihre Reinigung und Mischung, die Jahreszeit sie zu streichen und zu
trocknen; ihren Gebrauch, Schutz vor Nässe, Verbindung mit andern Baumaterialien. Fünf-
tens die Mörtel und Kitte: die Arten der Kalksteine, das Brennen, das Stazioniren und
den Gebrauch des Kalkes: die Natur des Gipses und seinen Gebrauch; die Sandarten,
Gruben- Flufs- und Meersand, ihre Tauglichkeit; den vulkanischen Sand, Puzzolana, Kar-
bunkel, Trafs, und seine Anwendung; zerbröckelte Backsteine und Scherben als Ingredien-
zien des Mörtels, ihr Verhältnifs bey der Mischung, und ihren Gebrauch. Hiezu kommt
noch die Kenntnifs der beym Bauen vorkommenden Metalle, als des Eisens, Kupfers, Bleyes,
sowohl zur Verbindung anderer Materialien unter sich, als zu Eindeckungen; Kenntnifs und
Gebrauch der edlen Metalle zu Verzierungen.

In Rücksicht der Baumaterialien, wenigstens der gangbarsten, sollte jede Stadt, und jede
Gegend gute Verzeichnisse haben, in welchen bemerkt würde: die Qualität, das Volumen,
der gewöhnliche Gebrauch, der Werth an Ort und Stelle, die Weise und die Unkosten des
Transportes, die Unkosten der Bearbeitung; der gewöhnliche Arbeitslohn der Bauhandwerker,
als: der Ziegelstreicher, Zimmerleute, Maurer, Kalkbrenner, Steinmetzen u. s. w.

§• 4. Ferner: ist besonders erforderlich eine gründliche Kenntnifs der besten Construc-
tionsarten. Diese Kenntnifs mufs sich über alle Theile eines Baues erstrecken, als da sind:
Fundamente unter der Erde, Unterbaue und Fufsgestelle, Wände und Mauern mit ihren
Anwürfen und Bekleidungen, Säulen, Halbsäulen, Pfeiler und Pilaster mit ihren Basen und
Capitälen, die verschiedenen Theile des Gebälkes, wagerechte und gebogene Decken, Fufs-
boden, Stockwerke übereinander, Thore, Thüren, Fenster, Nischen, Treppen, Dachungen,
Geländer u. s w. Das Studium der Constructionsarten ist von grofsem Umfange, und einer
der wesentlichsten und Schweresten Theile der gesammten Baukunst.

§. 5. Zu den allgemeinen Erfordernissen des Festbauens gehört auch die Kenntnifs, gute
Baugerüste zu verfertigen, Lasten zu bewegen, zu transportiren, aufzuziehen und zu richten.
Denn durch den zweckmäfsigen Gebrauch guter Maschinen, und einfacher Gerüste wird ein
Bau sehr erleichtert, Menschenhände werden gespart und die Unkosten ansehnlich vermin-


 
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