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50

SeAstes Kapitel
(Jen TFeo/oge^ gewiAnef,)
Das figürliche Darstellungsprogramm

An vielen Szeptern hnden siA RgürliAe Darstellungen. Sie sollten olfen-
bar den Sinn und die Aufgaben der Universitäten und Fakultäten ansAau-
liA verkörpern. Diese Zyklen offenbaren und erschließen das innerste Wesen
der Hohen SAule im Wandel der Zeiten.
Für die abendländisAe Universität vor der französisAen Revolution von
1789 ist vor allem die religiöse Bindung bezeichnend. Besonders häufig be-
kannte sich die Universität zum christlichen Glauben, indem sie an ihren
Szeptern Darstellungen von Gestalten der AristliAen Glaubenswelt an-
bringen ließ.
Die Dreifaltigkeit war als Teil eines Zyklus an einem Pariser
Mediziner-Szepter dargestellt; vgl. unten S. 56.
Gottvater allein ersAeint nur einmal, an einem der beiden spät-
gotischen Universitäts-Szepter in Rostock; er steht dort als Statuette auf der
Bekrönung, mit Weltkugel und Kreuz, die Rechte zum Segen erhoben
(Abb. 32).
Christus, „der Herr", wurde öfter dargestellt. — Am Heidel-
berger Universitäts-Szepter von 1492 thront der zwölfjäh-
rige Jesus zwischen vier etwa halb so großen sitzenden Männern mit BüAern
(Abb. 18ff.). Die Männchen sind als Allegorien der vier Fakultäten an-
gesproAen worden, oder auA als Professoren: die
;<%fe??". Diese Deutungen verraten das Abreißen der eAten Überlieferung;
sie unterstellen der spätmittelalterliAen Universität die Denkweise des
19. Jahrhunderts. Fakultäts-Allegorien kommen nämlich in der gotisAen
Kunst überhaupt nicht vor; gäbe es sie, so würden sie sicherliA weibliche
Gestalten sein, wie die Allegorien der Tugenden und der WissensAaften;
Heidelberger Professoren sind am Artisten-Szepter von 1454 wirklich dar-
gestellt, aber dort ist ihre Tracht eine ganz andere. Am Universitäts-Szepter
weisen die TraAten in eine andere Richtung. Von den vier BegleithgürAen
trägt eines nämliA einen Turban. Der Turban nun ist in der deutsAen
Kunst dieser Zeit stets das Attribut eines Orientalen; er wurde von den
MensAen von damals, denen die Türkengefahr auf den Nägeln brannte,
naiverweise auf den alten Orient übertragen, auf die MensAen des Alten
Testaments. Die vier Heidelberger FigürAen sind außerdem auch sonst deut-
lich so gekennzeichnet, wie die deutschen Künstler des ausgehenden 15. Jahr-
hunderts Juden darzustellen pflegten: durch ihre grotesken Typen und durA
ihre drastischen, possierliAen Gebärden. Hätte jemals einer der Gelehrten,
 
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