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Das Grabdenkmal des Königs Chephren

einmal wußte, ob mit den freigelegten Räumen das Innere des Torbaus vollständig ausge-
graben sei, ob sich nicht noch eine offene Halle, wie bei den Torbauten von Abusir, davor
gelagert habe; wo über seine Fassadenbildung seit Mariette phantastische Gerüchte in Um-
lauf waren? Sollte der Tempel selber nicht mit reicherem Schmuck und Reliefs geziert ge-
wesen sein, da doch die Privatgräber der IV. Dynastie vielfach Reliefschmuck zeigen? Und
wie war die Anlage des Totentempels zu denken? Die Größe des Torbaus und der Pyramide
ließen Gewaltiges ahnen. Hier konnte nur eine gründliche Ausgrabung weiterhelfen.

Ein erster Versuch, über den Torbau Klarheit zu bekommen, war schon gelegentlich
der Leipziger Mastaba-Grabungen bei Gise 1905 durch G. Steindorff gemacht worden. Dabei
hatte sich aber bald gezeigt, daß mit den verhältnismäßig geringen Mitteln, die zur Ver-
fügung standen, die Aufgabe nicht durchgeführt werden konnte. Die Sandmassen, die zu
bewältigen waren, waren zu enorm. Man mußte, nachdem man nur eine verhältnismäßig un-
bedeutende Bresche vor dem südlichen Hauptportal geschaffen hatte, die Arbeit vorläufig
aufgeben.

Unterdessen war es G. Reisner vergönnt, im Aufträge der Harvard University den
Totentempel am Fuße der dritten Pyramide in Angriff zu nehmen. Und bald darauf fand
er den zugehörigen Torbau im Tale. Wertvolle wissenschaftliche Ergebnisse und reiche
Funde lohnten die mehrjährige sorgfältige Arbeit. Aber in architektonischer Beziehung ließ
das Ergebnis zu wünschen übrig. Denn das Grabdenkmal des Mykerinos war bei dem frühen
Tode seines Erbauers noch ganz unvollendet. Erst der Nachfolger, Schepses-kef, stellte es
flüchtig in Ziegeln fertig, wobei das ursprüngliche Projekt vielfach verändert und vereinfacht
wurde. Also auf unsere Frage, wie die Totentempel der IV. Dynastie aussahen, konnte der
Mykerinos-Tempel nur ungenügend Auskunft geben.

Da auch die Ruinen vor der Cheops-Pyramide wenig Erfolg versprachen1, so richteten
sich die fragenden Blicke2 auf den Chephren-Tempel, zumal man im Hinblick auf den Torbau
annehmen mußte, daß diese Anlage ganz und gar fertig geworden sei. Andererseits lehrte
der Augenschein und die Versuchsgrabung von Flinders Petrie, daß auch dieser Tempel in einem
trostlosen Zustande der Zerstörung sich befand. Freilich vermuteten wir, daß bis in die
jüngste Zeit hinein noch wesentliche Teile des Tempels aufrecht gestanden hätten, denn Mas-
pero3 erzählt, daß Maillet um 1700 noch vier große Pfeiler des Tempels aufrecht stehend ge-
sehen habe. Das stellte sich aber später als ein Irrtum Masperos heraus, denn Maillet4 sagt
das nicht von dem Tempel vor der zweiten, sondern vor der dritten Pyramide, wo die Pfeiler
ja auch heutzutage noch ebenso stehen.5

Trotzdem wäre vielleicht noch lange Zeit darüber vergangen, ehe jemand den Mut
gefunden hätte, die Ausgrabung des Grabdenkmals des Chephren zu versuchen, hätte sich

1) Im Jahre 1904 hat Schiaparelli gelegentlich seiner Mastaba-Grabungen auch im Tempel vor der Cheops-Pyramide
gegraben und dabei das jetzt zutage liegende Basaltpflaster freigelegt. Von weiteren Ergebnissen dieser Ausgrabung ist aber
nichts bekannt geworden.

2) Über die architektonischen Ergebnisse der vor einigen Jahren bei Abu Roäscli stattgefundenen französischen
Ausgrabungen ist leider noch nichts bekannt geworden.

3) Ägypt. Kunstgeschichte, deutsche Ausgabe, S. 59.

4) Le Mascrier, Description de l’Egypte contenant plusieurs remarques curieuses sur la geographie etc. de ce pays,
composee sur les Mdmoires de M. de Maillet (Paris 1735).

5) Auch zur Zeit Pococke’s sind die Tempelreste gewiß nicht besser erhalten gewesen als zu Beginn der Ausgrabung,
s. Pococke, Description of the East, vol. I, p. 46, London 1743, und die damit nicht übereinstimmende Notiz in Wiedemanns
Ägyptischer Geschichte, Supplement S. 16.
 
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