Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Holtzinger, Heinrich
Timgad und die römische Provinzialarchitektur in Nordafrika — Berlin, Stuttgart, [circa 1906]

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16948#0009
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nach Lambaesis der Bogen aus der Zeit des
Marc Aurel die neue Westgrenze der Stadt,
wie ähnlich östlich vom Tor von Mascula ein
anderer Bogenrest sich erhebt. Die genauen
Grenzen dieser erweiterten Stadt sind noch
nicht wieder aufgefunden und wohl nie durch
Mauern bezeichnet gewesen. Die strenge Regel-
mässigkeit des Grundrisses im trajanischen
Thamugadi scheint sich ausserhalb seiner Mauern
in das gerade Gegenteil verkehrt zu haben.
Wie schon die Fortsetzung des Decumanus
jenseits des Westtores der innern Stadt anstatt
der geraden Richtung einen sogleich stark nach
rechts abbiegenden Weg aufweist, so sind auch
fast alle anderen bis jetzt blossgelegten Strassen
dieser äusseren Stadt schiefwinklig zum alten
Strassennetz und seinen Häusergruppen orien-
tiert. Inhaltlich sind ihre Monumente alle, so-
weit wir sie bis jetzt kennen, von hervorragen-
der Bedeutung; zählte zu ihnen doch das Ka-
pital, das Macellum, ein Tempel, zwei grosse
Thermen und die christliche Kathedrale nebst
drei weiteren Kirchen kleineren Umfangs*).

i. Tore und Ehrenbögen.

Wir beginnen unsern Rundgang durch Tim-
gad am Nordtore der Stadt, dem jetzt soge-
nannten Cirtatore. Die Wölbung ist eingestürzt,
aber vor uns stehen die unteren Teile der
mächtigen Pfeiler, aus denen wir eine Gesamt-
breite des Tores von 12,25 m ur>d e'ne Tiefe
von 5,25 m entnehmen können. Beide mit ko-
rinthischen Halbsäulen und Pilastern geschmückte
Seitenteile enthielten 3 m breite Hohlräume,
die zweifellos als Wachtlokale dienten. Nach
Inschriften, die wohl die Attika des Bogens
schmückten, ist derselbe im Jahre 100 von
Trajan errichtet, Im Jahre 149 von Antoninus
Pius vollendet oder restauriert. Einfacher in
der, wie üblich, ganz massiven Pfeilerbildung,
aber ausser mit vier Pilastern auch noch mit
zwei Säulen auf jeder Seite ist das Osttor ge-
schmückt. Endlich ist gleichfalls eintorig, aber
reicher ausgestattet das Westtor der äusseren
Stadt. Es zeigt den in Afrika am häufigsten
vertretenen Bogentypus, indem den vier Pilas-
tern auf jeder Seite vier Säulen vorgesetzt sind.
Die Vollendung erfolgte unter Marc Aurel,

*) Die kirchlichen Bauten im römischen Afrika werde ich
in einem andern Hefte der „Baukunst" behandeln.

zwischen 166 und 169 n. Chr. Von den oben
erwähnten kleinen Ausfallpforten der Nordmauer
ist die östliche ganz schlicht gehalten, die
westliche mit Pilastern geschmückt; zwei Brunnen
sind ausserhalb derselben angebracht.

Gleichen diese Tore bezüglich ihrer Dekora-
tion schon den isoliert die Strassen überspan-
nenden Bögen, die wir gemeiniglich als Triumph-
bögen zu bezeichnen pflegen, so repräsentiert
deren kostbarsten Typus der schon erwähnte
Bogen des Trajan, das Westtor der ältesten,
inneren Stadt; der ehemalige Maueranschluss
ist an den Schmalseiten des Bogens noch er-
kennbar. Die drei Durchgänge waren durch
Fallgitter zu sperren. Die Höhe des Bogens,
dessen Archivolten und Attika neuerdings teil-
weise restauriert sind, beträgt etwa 12 m.
Den Frontseiten treten je vier kannelierte
korinthische Säulen vor, deren Kapitellvoluten
zum Teil durch Adler, mit Blitzen in den
Krallen, ersetzt sind. Nischen schmücken über
den Seitentoren die Obermauern, welche von
einem in die Attika hinaufragenden, seg-
mentförmigen Giebel bekrönt werden. Nehmen
wir dazu noch die Aediculaumrahmung der
Nischen, deren Säulchen auf vorgekragten Kon-
solen ruhten, und deren Gebälk sich über den
Säulen kräftig verkröpfte, so haben wir einen
grossen Reichtum lebhafter, starker Gliederung,
der hinsichtlich jener Nischen in dem aus Münz-
darstellungen bekannten Bogen auf dem Trajans-
forum in Rom und in den Aediculae des hadri-
anischen Pantheon seine Analogien findet. Da-
gegen berührt in der barocken Giebelform an
der Attika mit dem fehlenden unteren Hori-
zontalgeison die architektonische Formensprache
hier in Timgad bereits jene Grenze, welche, zu-
nächst noch ausserhalb Italiens, im Osten des
Reiches die Scheidung zwischen römischer Re-
naissance und römischem Barock zu bezeichnen
begann. Wir treffen, soweit heute unsere
Kenntnis reicht, die früheste verwandte Form
in Heliopolis (Baalbek) in Syrien. Von den In-
schriften der Attika des Bogens zu Timgad ist
nur die eine in Bruchstücken aufgefunden; sie
ist mit derjenigen an der Aussenseite des nörd-
lichen Stadttors identisch und berichtet die
Stiftung des Bogens durch Trajan. Dass die
entsprechende Inschrift der Rückseite die Voll-
endung des Denkmals unter einem der Nach-
folger meldete, ist eine naheliegende Vermutung.

— 5 —
 
Annotationen