Hippo, Utica, Rusicade und die anderen, all-
mählich an Macht und Grösse von Carthago
überflügelt wurden. Als des letztern Schick-
sal sich erfüllt hatte, blieb in der Stadt der
siebenhunderttausend Einwohner kein Stein auf
dem andern; die tief in den Fels gesenkten
Gräber allein geben uns heute spärliche Reste
jenes Zentrums punischer Macht. Der die
ganze abendländische Kulturwelt beherrschende
Einfluss hellenischer Zivilisation und Kunst war
wohl auch in die punischen Küstenstädte und
von ihnen aus, etwa das Tal des Bagradas auf-
wärts , auch in das Innere der numidischen
Landschaft gedrungen, wo die seltsame Mischung
alteinheimischer mit punischen und griechischen
Formen an den mächtigen Tumuli, dem Me-
drasen und ähnlichen, noch heute von solcher
Verschmelzung der Kulturen Zeugnis ablegt.
In grösserem Umfang aber und nachhaltig in
der Wirkung hielt die hellenische resp. die von
ihr abgeleitete römische Kunst erst gegen Be-
ginn unserer Zeitrechnung ihren Einzug in Nord-
westafrika, um das römisch werdende Land
auch auf diesem Felde zu einer römischen Pro-
vinz zu gestalten. — Römische Städte bedeckten
bald, dicht gereiht wie nur irgendwo, die weiten
Länderstrecken zwischen der Küste und den
Randgebirgen der Wüste; die sprichwörtliche
Fruchtbarkeit und der Reichtum des Landes
prägten sich aus in zahllosen Farmen, deren
Besitzer sich auf Behaglichkeit des Lebens ver-
standen und in der Pracht ihrer Villen mit dem
Mutterlande wetteiferten. Auch die intensive
militärische Besetzung der afrikanischen Pro-
vinzen hatte zahlreiche Neugründungen im Ge-
folge; nicht bloss Lager und Festungen, son-
dern in ihrer Nähe auch städtische Siedelungen
für die Veteranen und die Angehörigen der Be-
satzung entstanden in grosser Zahl. Bei diesen
Neugründungen, die meist in die Zeit der An-
tonine, das zweite nachchristliche Jahrhundert
fallen, war die Möglichkeit einer ausserordent-
lichen Regelmässigkeit der Anlage gegeben;
manches Ideal, das, wo solche Voraussetzungen
unbeschränkten Schaffens fehlten, auf Schwierig-
keiten stiess, mochte sich hier verwirklichen
lassen. Sind derartige geschlossene Baugruppen
schon an sich von besonderer Bedeutung für
die Architekturgeschichte, so ergibt sich hier
in Nordafrika für die letztere noch eine Reihe
von Eigentümlichkeiten, die es gerechtfertigt
erscheinen lassen, jene Denkmäler zu einem
eigenen Kapitel zusammen zu fassen.*)
An Umfang und Grossartigkeit der Er-
scheinung übertrifft alle antiken Stätten Nord-
afrikas die unter Trajan gegründete Stadt
Thamugadi, deren Ruinen heute den Namen
Timgad tragen, und mit deren Wiederaufdeckung
die archäologische Forschung gerade in unseren
Tagen sich beschäftigt. — Die Monumente von
Timgad haben von der Gründung bis zur Zer-
störung der Stadt eine etwa sechshundert-
jährige Geschichte, die indessen in ihrer zweiten
Hälfte mehr vom allmählichen Untergang als
vom weiteren Wachstum der Stadt erzählt.
Die Anlage Thamugadis war das Ergebnis
militärischer Erwägungen. Am Nordfuss des
mächtigen Massivs des Möns Aurasius gelegen
fügte der Ort sich der Kette jener Gründungen
ein, welche bestimmt waren, die numidische
Provinz gegen die Einfälle nomadisierender
Stämme sicher zu stellen, die von Süden, aus
der Region der grossen Salzseen und vom Rande
der Wüste her nach Ueberschreitung des Aures
sich leicht über die weiten Ebenen gegen Cirta
hin ergiessen konnten. Im Nordosten des Ge-
birges, in Theveste (Tebessa) hatte die be-
rühmte dritte Legion, die Legio tertia Augusta,
ihr Standquartier, und in gerader westlicher
Linie von hier aus bezeichnen die Ruinen von
Mascula (Khenchela), Thamugadi (Timgad) und
Lambaesis die Hauptpunkte der Defensivstellung
der römischen Armee. Was unter diesen Plätzen
gerade Timgad besonders auszeichnet und seinen
Trümmern einen hervorragenden Wert verleiht,
ist nicht bloss der grosse Umfang der Ruinen,
sondern vor allem auch der Umstand, dass
Timgad, im Gegensatz zu Lambaesis und anderen
Städten, seinen spezifisch militärischen Charakter
sehr bald abgestreift und sich als durchaus
*) Dieses Kapitel zu schreiben, hat erst die eingehende
archäologische Erforschung des heutigen Algeriens und Tunesiens
im Laufe der letzten Jahre ermöglicht. Wohl reichen die
frühesten Arbeiten auf diesem Boden zurück bis in die Zeit,
da Abd el Kader, der Emir von Maskara, bezwungen ward und
Frankreich festen Fuss in Algier fasste. Schon Ende der
dreissiger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts begannen die
archäologischen Studien in den alten Gebieten Numidiens und
Mauretaniens. Seitdem ist die Arbeit ununterbrochen vorge-
drungen, oft erfolgreich unterstützt von hervorragenden Kräften
in den Reihen der algerischen Truppen. Das zahlreiche neue
epigraphische Material hat die Geschichtswissenschaft bereits
sich zu eigen zu machen begonnen; die dem Boden wieder
abgewonnenen Schätze der Baukunst, Bildnerei und des Mosaiks
werden in Lokalmuseen gesammelt; über einzelne Baugruppen
sind umfangreiche Publikationen begonnen.
mählich an Macht und Grösse von Carthago
überflügelt wurden. Als des letztern Schick-
sal sich erfüllt hatte, blieb in der Stadt der
siebenhunderttausend Einwohner kein Stein auf
dem andern; die tief in den Fels gesenkten
Gräber allein geben uns heute spärliche Reste
jenes Zentrums punischer Macht. Der die
ganze abendländische Kulturwelt beherrschende
Einfluss hellenischer Zivilisation und Kunst war
wohl auch in die punischen Küstenstädte und
von ihnen aus, etwa das Tal des Bagradas auf-
wärts , auch in das Innere der numidischen
Landschaft gedrungen, wo die seltsame Mischung
alteinheimischer mit punischen und griechischen
Formen an den mächtigen Tumuli, dem Me-
drasen und ähnlichen, noch heute von solcher
Verschmelzung der Kulturen Zeugnis ablegt.
In grösserem Umfang aber und nachhaltig in
der Wirkung hielt die hellenische resp. die von
ihr abgeleitete römische Kunst erst gegen Be-
ginn unserer Zeitrechnung ihren Einzug in Nord-
westafrika, um das römisch werdende Land
auch auf diesem Felde zu einer römischen Pro-
vinz zu gestalten. — Römische Städte bedeckten
bald, dicht gereiht wie nur irgendwo, die weiten
Länderstrecken zwischen der Küste und den
Randgebirgen der Wüste; die sprichwörtliche
Fruchtbarkeit und der Reichtum des Landes
prägten sich aus in zahllosen Farmen, deren
Besitzer sich auf Behaglichkeit des Lebens ver-
standen und in der Pracht ihrer Villen mit dem
Mutterlande wetteiferten. Auch die intensive
militärische Besetzung der afrikanischen Pro-
vinzen hatte zahlreiche Neugründungen im Ge-
folge; nicht bloss Lager und Festungen, son-
dern in ihrer Nähe auch städtische Siedelungen
für die Veteranen und die Angehörigen der Be-
satzung entstanden in grosser Zahl. Bei diesen
Neugründungen, die meist in die Zeit der An-
tonine, das zweite nachchristliche Jahrhundert
fallen, war die Möglichkeit einer ausserordent-
lichen Regelmässigkeit der Anlage gegeben;
manches Ideal, das, wo solche Voraussetzungen
unbeschränkten Schaffens fehlten, auf Schwierig-
keiten stiess, mochte sich hier verwirklichen
lassen. Sind derartige geschlossene Baugruppen
schon an sich von besonderer Bedeutung für
die Architekturgeschichte, so ergibt sich hier
in Nordafrika für die letztere noch eine Reihe
von Eigentümlichkeiten, die es gerechtfertigt
erscheinen lassen, jene Denkmäler zu einem
eigenen Kapitel zusammen zu fassen.*)
An Umfang und Grossartigkeit der Er-
scheinung übertrifft alle antiken Stätten Nord-
afrikas die unter Trajan gegründete Stadt
Thamugadi, deren Ruinen heute den Namen
Timgad tragen, und mit deren Wiederaufdeckung
die archäologische Forschung gerade in unseren
Tagen sich beschäftigt. — Die Monumente von
Timgad haben von der Gründung bis zur Zer-
störung der Stadt eine etwa sechshundert-
jährige Geschichte, die indessen in ihrer zweiten
Hälfte mehr vom allmählichen Untergang als
vom weiteren Wachstum der Stadt erzählt.
Die Anlage Thamugadis war das Ergebnis
militärischer Erwägungen. Am Nordfuss des
mächtigen Massivs des Möns Aurasius gelegen
fügte der Ort sich der Kette jener Gründungen
ein, welche bestimmt waren, die numidische
Provinz gegen die Einfälle nomadisierender
Stämme sicher zu stellen, die von Süden, aus
der Region der grossen Salzseen und vom Rande
der Wüste her nach Ueberschreitung des Aures
sich leicht über die weiten Ebenen gegen Cirta
hin ergiessen konnten. Im Nordosten des Ge-
birges, in Theveste (Tebessa) hatte die be-
rühmte dritte Legion, die Legio tertia Augusta,
ihr Standquartier, und in gerader westlicher
Linie von hier aus bezeichnen die Ruinen von
Mascula (Khenchela), Thamugadi (Timgad) und
Lambaesis die Hauptpunkte der Defensivstellung
der römischen Armee. Was unter diesen Plätzen
gerade Timgad besonders auszeichnet und seinen
Trümmern einen hervorragenden Wert verleiht,
ist nicht bloss der grosse Umfang der Ruinen,
sondern vor allem auch der Umstand, dass
Timgad, im Gegensatz zu Lambaesis und anderen
Städten, seinen spezifisch militärischen Charakter
sehr bald abgestreift und sich als durchaus
*) Dieses Kapitel zu schreiben, hat erst die eingehende
archäologische Erforschung des heutigen Algeriens und Tunesiens
im Laufe der letzten Jahre ermöglicht. Wohl reichen die
frühesten Arbeiten auf diesem Boden zurück bis in die Zeit,
da Abd el Kader, der Emir von Maskara, bezwungen ward und
Frankreich festen Fuss in Algier fasste. Schon Ende der
dreissiger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts begannen die
archäologischen Studien in den alten Gebieten Numidiens und
Mauretaniens. Seitdem ist die Arbeit ununterbrochen vorge-
drungen, oft erfolgreich unterstützt von hervorragenden Kräften
in den Reihen der algerischen Truppen. Das zahlreiche neue
epigraphische Material hat die Geschichtswissenschaft bereits
sich zu eigen zu machen begonnen; die dem Boden wieder
abgewonnenen Schätze der Baukunst, Bildnerei und des Mosaiks
werden in Lokalmuseen gesammelt; über einzelne Baugruppen
sind umfangreiche Publikationen begonnen.