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Hübsch, Heinrich
Vertheidigung der griechischen Architectur gegen A. Hirt — Heidelberg, 1824

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https://doi.org/10.11588/diglit.5320#0005
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III

erwiedert — folgende darin enthaltene Beschuldigung ausgenommen, die eine
Vertheidigung iiothwendig macht.

Herr Hirt sagt nämlich, dafs ich die Architectnr von der Kunst zum
Handwerke herabziehen wollte. Er vergleiche zuvor schärfer, was wir beide,
in dieser Beziehung gesagt haben. Statt der historisch abgeleiteten, mechanisch
zu lernenden Schönheitsregeln, will ich die architectonischen Formen aus dem-
selben Zwecke entstehen lassen, woraus sie ursprünglich entstanden. Wie in
der höchsten Blüthe der Kunst, die Verzierung ausgenommen, nichts conven-
tioneil war, sondern alle Hauptformen aus dem doppelten Zwecke (Festigkeit
und Becjriemlichkeit) hervorgiengen; ebenso soll noch jetzt die Architectur nicht
das längst Entfremdete historisch nachahmen, sondern frisch aus dem gegen-
wärtigen, d. h. wirklichen Zwecke herausbilden. Was macht nun Herr Hirt
für einen Unterschied zwischen Kunst und Handwerk? Wohl keinen andern^
als dafs erstere nebst dem nöthigen Mechanischen und Wissenschaftlichen nur
ein Eigenthurn des angebornen Talents seyn, das Handwerk aber ganz mechanisch
erlernt werden kann. Demnach ist gerade Hirts mechanisches Auswendig-
lernen der schönen Proportionen etc. in dickleibigen Säulenbüchern, seine hi-
storisch- prädestinirte Schönlieitsemplindung, die jede andere natürliche unbe-
fangene abhält, eher handwerksmäfsig, als ein ewig sich erneuendes freies
Selbsterschaffen der Schönheit aus dem gegenwärtigen ZAvecke. Dafs sich dieser
selbst bis ins Detail mehr oder weniger hineinverzweigt, darin liegt wahrhaftig
nichts Handwerkmässiges, denn bei Zweck in diesem Sinne ist der Gedanke
an Aermlichkeit und blofse Nothdürftigkeit weit zu entfernen, und vielmehr
nach der Bestimmung eines Gebäudes jede Opulenz in Anlage und Ausführung
zuzugestehen. Eben so wenig ist zu denken, dafs der Zweck alles eng und
genau bis auf Zoll und Linien bestimme, und also für das Talent kein grofses
Feld übrig bleibe.

Ich kann nicht umliin, hier noch schliefslich den lächerlichen Eifer zu
berühren, womit Hirt — sey es aus Ostentation oder Ueberzeugung — die
Architectur des Mittelalters verfolgt. Aufser dem Antiken erkennt er nichts
mehr an, und meint, was einmal für eine frühere Zeit schön gewesen, das
müfste für alle Zeiten schön und anwendbar seyn. Da die arelütectonische
 
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