DIE POLITISCHE UND MILITÄRISCHE BEDEUTUNG usw. 141
hervor. Das schöne Spiel des höfischen Lebens war so bunt, so falsch,
so lähmend. Fort aus der mühsam aufgebauten Lebenskunst zur
sicheren Einfachheit und Ruhe!
Es gab dann zwei Wege, die vom ritterlichen Ideal fortführten: der
nach dem wirklichen, aktiven Leben und dem modernen Geist der
Forschung, und der Weg der Weltverleugnung. Dieser letzte aber
spaltete sich wie das Y des Pythagoras in zwei: die Hauptlinie war
die des echten geistlichen Lebens, die Seitenlinie hielt sich am Rand
der Welt mit ihren Genüssen. Die Sucht nach dem schönen Leben
war so stark, daß auch dort, wo die Eitelkeit und Verwerflichkeit des
Hof- und Kampflebens erkannt wurde, noch ein Ausweg zu irdischer
Lebensschönheit offen schien, zu einem noch süßeren und helleren
Traum. Die alte Illusion des Schäferlebens leuchtete noch immer wie
eine Verheißung natürlichen Glücks mit dem ganzen Glanz, in dem sie
seit Theokrit erstrahlt war. Die große Befriedigung schien ohne Kampf
möglich, durch eine Flucht, aus dem von Haß und Neid erfüllten
Wetteifer um eitle Ehre und eitlen Rang, aus dem drückenden, über-
ladenen Luxus und Prunk und aus dem grausamen, gefährlichen Krieg.
Das Lob des einfachen Lebens war ein Thema, das die mittelalter-
liche Literatur schon aus dem Altertum übernommen hatte. Es ist
nicht identisch mit der Pastorale: man hat es in den beiden mit einer
positiven und einer negativen Äußerung desselben Gefühls zu tun.
Die erstere ist die Pastorale, in der der positive Gegensatz zum höfischen
Leben geschildert wird; die negative Äußerung ist Flucht vom Hofe,
das Lob der aurea mediocritas, die Verleugnung des aristokratischen
Lebensideals, sei es, daß man ihm im Studium, in einsamer Ruhe oder
in der Arbeit entfliehen will. Die beiden Motive fließen jedoch fort-
während ineinander. Über das Thema von der Unzulänglichkeit des
Hoflebens hatten schon im 12. Jahrhundert Johannes von Salisbury
und Walter Mapes ihre Traktate De nugis curialium geschrieben.
Im Frankreich des 14. Jahrhunderts fand es seinen klassischen
Ausdruck in einem Gedicht von Philippe de Vitri, Bischof von Meaux,
der beides Musikus und Poet war und von Petrarca gepriesen wurde:
Le Dit de Franc Gontier1). Die Verschmelzung mit der Pastorale ist
hier vollkommen.
) Plaget, Romania XXVII, 1898, p. 63.
hervor. Das schöne Spiel des höfischen Lebens war so bunt, so falsch,
so lähmend. Fort aus der mühsam aufgebauten Lebenskunst zur
sicheren Einfachheit und Ruhe!
Es gab dann zwei Wege, die vom ritterlichen Ideal fortführten: der
nach dem wirklichen, aktiven Leben und dem modernen Geist der
Forschung, und der Weg der Weltverleugnung. Dieser letzte aber
spaltete sich wie das Y des Pythagoras in zwei: die Hauptlinie war
die des echten geistlichen Lebens, die Seitenlinie hielt sich am Rand
der Welt mit ihren Genüssen. Die Sucht nach dem schönen Leben
war so stark, daß auch dort, wo die Eitelkeit und Verwerflichkeit des
Hof- und Kampflebens erkannt wurde, noch ein Ausweg zu irdischer
Lebensschönheit offen schien, zu einem noch süßeren und helleren
Traum. Die alte Illusion des Schäferlebens leuchtete noch immer wie
eine Verheißung natürlichen Glücks mit dem ganzen Glanz, in dem sie
seit Theokrit erstrahlt war. Die große Befriedigung schien ohne Kampf
möglich, durch eine Flucht, aus dem von Haß und Neid erfüllten
Wetteifer um eitle Ehre und eitlen Rang, aus dem drückenden, über-
ladenen Luxus und Prunk und aus dem grausamen, gefährlichen Krieg.
Das Lob des einfachen Lebens war ein Thema, das die mittelalter-
liche Literatur schon aus dem Altertum übernommen hatte. Es ist
nicht identisch mit der Pastorale: man hat es in den beiden mit einer
positiven und einer negativen Äußerung desselben Gefühls zu tun.
Die erstere ist die Pastorale, in der der positive Gegensatz zum höfischen
Leben geschildert wird; die negative Äußerung ist Flucht vom Hofe,
das Lob der aurea mediocritas, die Verleugnung des aristokratischen
Lebensideals, sei es, daß man ihm im Studium, in einsamer Ruhe oder
in der Arbeit entfliehen will. Die beiden Motive fließen jedoch fort-
während ineinander. Über das Thema von der Unzulänglichkeit des
Hoflebens hatten schon im 12. Jahrhundert Johannes von Salisbury
und Walter Mapes ihre Traktate De nugis curialium geschrieben.
Im Frankreich des 14. Jahrhunderts fand es seinen klassischen
Ausdruck in einem Gedicht von Philippe de Vitri, Bischof von Meaux,
der beides Musikus und Poet war und von Petrarca gepriesen wurde:
Le Dit de Franc Gontier1). Die Verschmelzung mit der Pastorale ist
hier vollkommen.
) Plaget, Romania XXVII, 1898, p. 63.