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304 SECHZEHNTES KAPITEL
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Bei Ruusbroec werden all die Mittel, das mystische Erleben zum
Ausdruck zu bringen, noch plastischer als bei den Deutschen ange-
wendet.
„Roept dan alle met openre herten:
0 gheweldich slont!
Al sonder mont,
Voere ons in dinen afgront:
Ende make ons dine minne cont.“
Das Genießen der Seligkeit in der Vereinigung mit Gott „ist wild
und wüst, wie ein Sichverirren; denn da ist weder Weise, noch Weg,
noch Pfad, noch Satzung, noch Maß“. „Darin werden wir sein uns
selbst enthöht, entsunken, entbreitet und enträngt, (Aufheben aller
Raumvorstellungen) in einer ewigen Verlorenheit ohne Wieder-
kehr“ J). Das Genießen der Seligkeit ist so groß, „daß Gott und alle
Heiligen und diese hohen Menschen (die sie erleben) hierin ver-
schlungen sind in Wesenlosigkeit, das ist ein Nicht-Wissen und eine
ewige Verlorenheit“* 2). Gott gibt die Fülle der Seligkeit allen gleich,
„aber die sie empfangen, die sind ungleich: dennoch bleibet für alle
etwas übrig“, daß heißt, sie können in der Vereinigung mit Gott,
nicht gegen all die Fülle der Seligkeit an, die ihnen geschenkt wird.
„Aber nach der Verlorenheit in die Finsternis der Wüste, da bleibt
nichts übrig: denn dort ist weder Geben noch Nehmen, sondern ein
simples lauteres Sein. Darin ist Gott und all die Vereinigten versunken
und verloren, und nimmermehr mögen sie ihn finden in diesem Sein
ohne Weise“3).
Alle Negationen sind im folgenden vereinigt: „Hierauf folgt die
siebente Treppe (von Minnen), das Edelste und das Höchste, das man
erleben kann in Zeit und Ewigkeit. Das ist, wenn wir über alles Be-
kennen und Wissen in uns ein grundloses Nichtwissen befinden, wenn
wir über alle Namen, die wir Gott geben oder den Kreaturen, sterben
und verscheiden in eine ewige Namenlosigkeit, in der wir uns ver-
x) Ruusbroec, Dat boec van seven sloten, cap. 19, Werken, ed. David,
IV, p. 106—108.
2) Ruusbroec, Dat boec van den rike der ghelieven, cap. 43. ed. David,
IV, p. 264.
3) Ib. cap. 35, p. 246.
 
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