Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bombe, Walter
Geschichte der Peruginer Malerei bis zu Perugino und Pinturicchio: auf Grund des Nachlasses Adamo Rossis und eigener archivalischer Forschungen — Italienische Forschungen, Band 5: Leipzig, 1912

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34609#0294
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
274

Zusammenfassung.

Die Mitglieder von Brüderschaften sind, zu beiden Seiten der Madonna
betend, auf vielen der uns noch erhaltenen Gonfaloni dargestellt.^
Meist knieen links die Männer und Knaben, und rechts die Frauen und
Mädchen. Die weiblichen Bildnisse haben meist etwas Typisches und
stehen, was Schärfe der Charakteristik und getreue Wiedergabe des
Individuellen anbelangt, den männlichen Bildnissen nach. Das Konterfei
des Peruginer Bischofs Crispolti neben vielen Porträten Peruginer Bürger
finden wir auf Bonfiglis Gonfalone di S. Bernardino von 1465, und eine
noch größere Zahl charakteristischer Bildnisse auf dem Gonfalone in
S. Francesco zu Montone, der eine gemeinsame Arbeit des Bonßgli und
des Caporali von 1482 ist. Den Eindruck des wirklich Lebendigen
hervorzubringen, blieb diesen älteren Peruginer Malern versagt. Erst
Perugino gelingt es, meisterhaft aufgefaßte Bildnisse in vollendeter
Durchführung und geschmackvoller Anordnung zu schaffen. An den
vorzüglichen Bildnissen von Zeitgenossen auf dem Fresko der Schlüssel-
übergabe sind Gehilfen beteiligt, und die Fresken an der Altarwand der
Sixtinischen Kapelle sind Michelangelos Jüngstem Gericht zum Opfer
gefallen. Hier hatte Perugino nach Vasaris Bericht den Stifter, Papst
Sixtus IV, die Assunta verehrend, dargestellt, und die uns noch erhaltene
Zeichnung nach diesem Fresko (in der Albertina) gibt nur eine sehr
unvollkommene Vorstellung von dem Können des Meisters. Aber
neben den Porträts von der Hand Signorellis tritt uns eine Fülle be-
seelter und fein charakterisierter Bildnisköpfe Peruginos auf dem Fresko
der Schlüsselübergabe entgegen, darunter das markante Selbstporträt des
Meisters, mit schwarzem Barett auf dem dunklen Haar, vor hellem
Hintergründe.
Wesentlich größere Anforderungen als das Stifterbildnis stellte das
Einzelbildnis an das Können des Malers. Hier mußte er unter
Verzicht auf die vielfachen Beziehungen zu einer Hauptßgur oder
Hauptgruppe das Individuelle und Charakteristische eines einzelnen
Menschen lebensvoll gestalten. In Peruginos Bildnis des Francesco delle
Opere von 1494 tritt weniger das plastische Empßnden der Florentiner
Porträtisten als die weich-malerische Art der flandrischen Meister zutage;
aber während die Flandrer den Menschen gern von seinem Hausrat
umgeben darstellten, begnügt sich Perugino damit, dem Dargestellten
eine Schriftrolle mit seiner Devise: «Timete Deum> in die Hand zu
geben. Flandrischer Art aber ist die minuziöse Durchführung des Ganzen,
die Behandlung des aufgelockerten Haares, das Auflegen des linken
* Die Miniaturen, mit denen die Statuten und Matrikein der Peruginer Zünfte
geschmückt sind, zeigen in ähniicher Weise, aber meist ohne Porträtzüge, die Zunft-
mitgüeder um die Madonna geschart.
 
Annotationen