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Lankheit, Klaus
Florentinische Barockplastik: die Kunst am Hofe der letzten Medici ; 1670 - 1743 — Italienische Forschungen: München, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.34853#0102
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der Tat ist die Dekoration des Paliotto der SS. Annunziata das früheste Beispiel für die Übernahme von Formen des
römischen Hochbarock in der figürlichen Plastik durch Florenz. Noch war Ciros Gitter für S. Maria Maddalena de'
Pazzi nicht bekannt. Aber es sind Entwürfe dieses Meisters, die wir am ehesten vergleichen können, und die den »uso
Romano nuovo« am deutlichsten zeigen: in dem zaddeligen Blattwerk, den schweren Voluten, den reich bewegten
Kartuschen, den Cherubimköpfen mit den mächtigen Schwingen. Bereits in dieser ersten großen Dekoration des florcn-
tinischen Spätbarock zeigt sich aber dessen merkwürdiges Janusgesicht. Alle römischen Anregungen wurden selb-
ständig verarbeitet und so eigenwillig fortgebildet, daß neue, ihrerseits in die Zukunft weisende Formen entstanden.
Die in gegenläufigen C-Schwüngen endenden Kartuschen sind ein Motiv, das erst im 18. Jahrhundert seine volle
Entfaltung erfahren sollte. Man hat darauf hingewiesen, daß wesentliche Vorstufen für das Muschelwerk des deut-
schen Rokoko nicht in der französischen, sondern in der italienischen Kunst liegen. Die Schmuckformen des Paliotto
der SS. Annunziata wurden in diesem Zusammenhang besonders erwähnt: Die Kartuschen, Schnörkelumrahmun-
gen und Einrollungen, vor allem die festonartige Füllung der Kehlen mit ihrer regelmäßigen Anordnung von flachen
Einkerbungen und der raupenförmige Rücken der Voluten berühren sich trotz der zeitlichen Distanz »unmittelbar
mit den Einzelheiten der Chorgestühle von Zwiefalten und Ottobeuren«
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Der Paliotto der SS. Annunziata war eine private Stiftung. Der entwerfende Zeichner trug noch nicht den Titel Hof-
^ bildhauer, der ausführende Silberschmied gehörte nicht dem Hofpersonal an. Anders verhielt es sich mit dem Altar-
schmuck in Impruneta. Dieser war ein Geschenk des Großherzogs, der für das dortige Gnadenbild eine besondere
^ Devotion hegte. Foggini hatte längst die höchste Stellung unter den Künstlern bei Hofe inne, ihm standen die ge-
samten Kräfte der Galletia zur Verfügung. Die besten Silberschmiede der großherzoglichen Werkstätten - Cosimo
Merlini und Bernardo Holzmann - haben denn auch wesentlichen Anteil an der Ausführung des Werkes.
Die »Kapelle der Madonna« wird durch den Tempietto des Luca della Robbia zur Linken des Hochaltares, auf der
Evangelienseite der Wallfahrtskirche, gebildet^. Sie besitzt einen Marmoraltar, dessen Stipes mit einem Marmorrelief
des Pagno di Lapo (?) geschmückt war. Diesen Altar ließ Cosimo III. durch zwei Stiftungen mit kostbarem Metall
umkleiden. Im Jahre 1698 schenkte er zunächst ein silbernes Tabernakel nebst zugehöriger zweistufiger Leuchter-
bank. Platten von Halbedelsteinen, auch sie in silbernen Rahmen, und Festons aus vergoldetem Kupfer mit natura-
listisch bunten Pietre-Dure-Früchten bilden die Ornamente. Das silberne Relief der Tür stellt die Auffindung des
Gnadenbildes dar. Eine aus weißem Chalzedon geschnittene Taube des Heiligen Geistes, hinterlegt mit Strahlen von
vergoldetem Kupfer, bekrönt das Tabernakel.
Die zweite, bedeutendere Stiftung war der Paliotto; er ist erst im Jahre 1714 fertiggestellt worden. Die schwere, zum
Tode führende Krankheit des Thronfolgers im Jahre 1711, in deren Verlauf man das Gnadenbild von Impruneta in
feierlicher Prozession zum Palazzo Pitti geleitet hatte, war der Anlaß zu diesem Werk gewesen *33.
In einen flachen silbernen Rahmen von 2,30 x 1 Meter sind triptychonartig drei »ornamenti quadri« eingelassen.
Sie bestehen aus figürlichen Reliefs in silberner Treibarbeit, die von schmalem Blattkranz aus vergoldeter Bronze um-
schlossen und durch dichte Rankenornamente in rechteckiger vergoldeter Bronzeleiste gehalten werden. Das mittlere
Relief ist kreisrund, die seitlichen sind als Hochoval gebildet. Über ihnen sind Inschriftkartuschen angebracht. Die
teils vergoldeten, teils versilberten Akanthusranken stehen vor einem Fond von böhmischem Amethyst. Während das
flachere Blattwerk des mittleren Rechtecks sich der rahmenden Leiste einordnet, überspielen die räumlich stärker vor-
quellenden Ornamente der seitlichen Hochformate ihre Begrenzung; sie sind zudem durch geflügelte Engclsküpf-
chen bereichert. Der Rahmen ist mit großen Halbedelsteinen in reich ziselierten, vergoldeten Bronzefassungen besetzt;
oben und unten wird et durch Blattwerkfriese aus vergoldetem Kupfer und kräftige Silbetproftle abgeschlossen.
In der mittleren Szene, über der die Worte »Ex vero« stehen, kniet der Donator in adorierender Stellung vor dem
Altar, angetan mit dem Hermelinmantel; Krone und Szepter liegen auf den Stufen. Die Komposition schließt an das
von Matteo Nigetti entworfene Relief an, das den Sohn des Großherzogs Ferdinando I. vor dem Gnadenbild der
SS. Annunziata zeigt. Noch enger sind die-Beziehungen zu dem von Orazio Mochi und Giovanni Biüvert geschaffe-

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