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DER AUGENSPIEGEL

VON HELLMUTH UNGER
ls junger Arzt, der, aus dem Felde zurückgekommen, noch nicht wußte,
welchem medizinischen Sonderfach er sich einmal zuwenden sollte, hatte ich ein
Erlebnis, das für midi entscheidend wurde.
Chirurgische Operationen hatte ich als Student genug gesehen und während des
Krieges auch selbst ausgeführt. Jetzt sah idi zum erstenmal eine Starextraktion.
Dabei wird die getrübte, undurchsichtig gewordene Linse im Auge durch einen
kunstvollen Messerschnitt entbunden und entfernt. Ein Eingriff, der die Hand und
die Kunst eines Meisters verlangt. Der Greisenstar, im Volksmunde auch „grauer“
Star genannt, ist kein Leiden wie der „grüne“ oder „schwarze“ Star. Im höheren
Lebensalter findet er sich bei Tausenden, denen der Arzt die köstlichste Gabe
auf Erden: sehen zu können, wiederzuschaffen vermag. Es muß ein Meister sein
in seiner besonderen Kunst, denn es kommt auf Bruchteile eines Millimeters an,
den einzig richtigen Schnitt am oberen Rand der Hornhaut entlang auf beiden Seiten
gleichzeitig zu führen, um die für den späteren Austritt der getrübten Linse nötige
Öffnung zu schaffen, dann mit einem klug erfundenen Instrument die vordere
Kapsel der Augenlinse zu sprengen und den undurchsichtigen Diskus der Linse
selbst durch die vordere Augenkammer hindurch zu entfernen. Man muß danach,
um Drucksteigerungen im Auge, den gefürchteten „grünen“ Star, zu verhindern,
aus der Regenbogenhaut ein winzig kleines Fenstereben herausschneiden und die
Regenbogenhaut wieder in ihre naturgemäße Lage zurückbringen, damit sie wieder
das schöne Rund der Pupille formt. Die scharfe Schnittstelle der Operations-
wunde schließt sich danach unter einer deckenden Schürze der Bindehaut, so daß
keinerlei Ansteckungskeime ins Augeninnere dringen können, wo sie im Glas-
körper sonst einen unvergleichlichen Nährboden fänden.
Der Meister, dem ich zusehen durfte, hieß Hubert Sattler. Wenige Wochen später
war ich sein Schüler. Und dies war mein Erlebnis: Als Sattler die Starentfer-
nung beendet hatte und die drei grellen Scheinwerfer der Operationslampe ab-
blenden ließ, hielt er dem Patienten einige Finger der rechten Hand vor das
eben operierte Auge und fragte den Alten, wieviel es seien.
Der Patient antwortete: „Drei.“
„Drei Finger, ja. Und jetzt?“
Zögernd kam die Antwort.
„Vier.“
„Richtig.“
Ein Menschenauge, das während vieler Monate, ja, vielleicht während eines ganzen
Jahres nur noch Hell von Dunkel hatte unterscheiden können, erkannte sofort
nach beendetem Eingriff wieder die Fingerzahl einer Hand.
Wie selten sonst ist dem Arzt die Freude beschert, den vollen Erfolg seiner
Leistung fast augenblicklich zu erleben. Und ich begriff seine große Sendung.
Blinde wieder sehend machen zu können, hilflosen Menschen das Augenlicht
wiederschenken zu können, es gab nichts Schöneres.
Aber noch hatte ich selbst das scharfe Messer nicht geführt. Noch war ich ein
Sdiüler, der lernen mußte. Wenige Wochen später hatte ich ein zweites Erlebnis,
das nicht weniger erschütternd war. Es war, als ich zum erstenmal durch einen
Augenspiegel den Hintergrund eines Menschenauges erblickte, mit der ganzen
Vielfältigkeit seiner Wunder.
Beschrieben, gezeichnet und gemalt kannte ich den Augenhintergrund aus den
Lehrbüchern. Doch es bedurfte der Übung und Schulung von Wochen, das Be-
schriebene nun auch selbst zu sehen. Einblick in eine neue, sich nicht allzu
vielen erschließende Welt der Geheimnisse. Man erkennt als helle Fläche die
längs-ovale Scheibe des Sehnerven, der vom Hirn her hinten in den Augapfel
eintritt. Man erblickt den Aus- und Eintritt der Blutgefäße mit ihren sich nach
oben und nach unten seitlich verästelnden Zweigen, neben der Gefäfipforte eine
zweite hellere Stelle der physiologischen Aushöhlung mit feinen grauen Tüpfelchen,
ringsum das tiefe Rot des Hintergrundes.
Und jetzt, was ist das? Etwas Lebendiges? Ja. Du siehst mit deinen eigenen
Augen zum allerersten Male den regelmäßigen Schlag eines Blutgefäßes, ganz fein,
dem Herzschlag des Menschen entsprechend. Da ruhst du für Sekunden aus und
sinnst darüber nach, was du eben erlebtest. Du hast einen Blick in Gottes heim-
lidie Werkstatt getan. Und wieder blickst du durch den Augenspiegel und könntest
weiter berichten, was sich dir überall offenbart. Dann betrachtest du den Augen-
spiegel in deiner Hand, dieses genialste Werkzeug, das je ein schöpferischer
Mensch erfand, nicht durch Zufall, sondern mit aller Zielstrebigkeit, und weißt,
daß sich uns Ärzten etwas bisher nie Gesehenes erst in dem Augenblick erschloß,
als das Forschungsinstrument vollkommen war; daß von diesem Zeitpunkt an ein
neuer Abschnitt in der Geschichte der Medizin begann, ein nie vorhergeahnter Aufstieg
der Augenheilkunde; daß wir erst seitdem um das Wesentliche vieler Augenleiden
wissen, und daß wir damit auch die Wege der Behandlung und Heilung fanden.
In unserem Jahrhundert technischer Großleistungen, in dem wir uns die Luft und
den Äther eroberten, übersieht der einzelne schnell und gern die großen Fort-
schritte, die Männer unserer Vorzeit bahnten. Das Selbstverständliche verliert
leicht auch seinen seelischen Wert und wird zum Gebrauchsgegenstand herab-
gewürdigt. Ein Augenspiegel! Mein Gott, was ist das schon Großes! Es wäre
höchst verwunderlich, wenn solch primitiv Einfaches nicht längst erfunden worden
wäre! Fast möchte man meinen, jeder könne das nachmachen.
*
Man könnte sich die Erfindung des Augenspiegels als eine höchst abenteuerliche
Angelegenheit vorstellen, als die Entdeckung eines fanatischen Arztes, den nur
der eine, einzige Wunsch beseelte, auf irgendeinem Weg mit Blicken in das große
Mysterium des Augeninnern vorzudringen. Nicht aus Wißbegierde allein, die noch
immer Keimzelle schöpferischer Wissenschaft war, viel mehr aus dem brennen-
den Wunsche heraus, der Natur wieder ein neues ihrer vielfältigen Geheimnisse
zu rauben, um durch Wissen der Mitwelt noch erfolgreicher dienen zu können.
Der Held solchen Abenteuers der Wissenschaft brauchte kein alter, erfahrener
Arzt zu sein, der sich langsam innerhalb eines jahrzehntelangen Bemühens zu
einem Schlußergebnis vortastete, um beglückt eine Theorie bestätigt zu sehen, an
die er während eines ganzen Menschenlebens glaubte. Nein, viel lieber ein junger
Brausekopf, der seinen schönen Beruf aus innerster Freude liebt, und der Neu-
land ertastet, weil ihm noch Fülle der Zeit verbleibt, es weit hinaus zu beschreiten.

A

J

... in bie Sonne! 2lber oer-
gib nidjtßeofrem. Dann wirft
Du fd)neUer tief gebräunt unb
brauchet bie Sonne nidjt 3U
fürdjten." 2Bie recfjt bie 2Inni
barin eigentlich bat: fieotrem
unf erftü^t roirflidj bie Sonne
in ihrer 2ßirfung baut bem
Sefjalt an Sonnen=93itamin!
Dofen 22, 50 unb 90 $fg.
Leokrem
mit Gonnen=93itamin
D. 91. fß.
 
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