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Seite 18

Nr. 2

internationale Sammler-Zeitung.

dualisierung bemerkbar wäre. Die schönsten Arbeiten
kommen, wie erwähnt, aus dem Norden Albaniens.
Ein besonderes Kapitel würden die Erfahrungen
des M arken Sammlers in den Balkanländern ver-
dienen. Man kann natürlich von den Vertretern dieses
Sammelsports nicht verlangen, daß sie überall in der
Welt, wo politische Veränderungen sich automatisch in
dem Markenbilde der betreffenden Gegend wider-
spiegeln, persönlich anwesend sein sollen, obwohl dies
jetzt auf dem Balkan nicht nur sehr interessant, sondern
auch sehr vorteilhaft gewesen wäre. Einer, der bei-
spielsweise das ganze verflossene Kriegsjahr in der jetzt
bulgarischen Stadt Dedeagatsch zugebracht hätte,
wäre in die Lage gekommen, alle die sonderbaren Post-
wertzeichen der sechs Regierungen, mit denen die Stadt
in dem einen Jahre gestraft wurde, zu sammeln und
davon mühelos ein reicher Mann zu werden, da natürlich
während der kurzen Herrschaft der einzelnen Regierungen
nur sehr wenige Marken in den Verkehr gebracht wurden.
Auch in Albanien wäre der Aufenthalt eines Marken-
sammlers sehr ergiebig gewesen. In Valona traf ich
übrigens einen deutschen Markengroßhändler, der dort
noch viele der bereits aus dem Verkehr verschwundenen
Marken der provisorischen Regierung (türkische Marken
mit dem schwarzen Adler der albanischen National-
flagge überdruckt) aufkaufte und für das Stück schon
20 Franken bezahlte. Man muß sich nur sehr vor den

zahllosen Fälschungen hüten, deren Werkstätten in
Konstantinopel und in griechischen Städten liegen. Auch
sind die Postbeamten in diesen verschiedenen inter-
essanten Ländern schon darauf gekommen, daß es gut
ist, sich ein paar Serien der provisorischen Marken »aufs
Eis zu legen«, anstatt sie am Schalter zu verkaufen. Fast
alle Postbeamten in Albanien befassen sich mit dieser
Art des Markenhandels, wobei sie sehr genau über den
Kurswert der einzelnen Stücke unterrichtet sind. Aber
auch viele einfache Leute, Herbergswirte und Handwerker,
wissen schon den Wert aller aus dem Verkehr gezogenen
Marken zu schätzen, die die »verrückten Gjaurs« im
Westen mit Gold aufwiegen. Wie ich übrigens in Valona
hörte, beschuldigte man den Postminister des Staates
Albanien, daß er sich sein Gehalt und einiges darüber
in solchen Marken zurückbehalten habe. Man nahm dem
guten Manne diese Geschäftsstörung gewaltig übel, ob-
wohl er doch eigentlich nur mit gutem Beispiel seinen
Beamten voranging.
Die vielfachen Interessen der europäischen Sammler-
welt finden also, wie man sieht, auf der Balkanhalbinsel
auch vielfach Befriedigung. Im Augenblicke ist die Kon-
stellation auf dem Sammlermarkte des Orients infolge
des allgemeinen großen Geldmangels und der schlechten
Geschäfte während des Kriegsjahres eine gute für den
vermögenden und verständigen Sammler. Ein anderer
aber möge sich hüten, gen Osten zu fahren.


Zur Literatur über Ferdinand Raimunds Tod.

Von Paul Tausig (Wien).

Vier Oesterreicher sind es, die noch nach ihrem Tode
in physiologischer Hinsicht dem Literarhistoriker, aller-
dings passiv, viel zu schaffen machten, denn um den
Schädel jedes einzelnen dieser vier bedeutenden Men-
schen entspann sich ein hartnäckiger Streit, der eigent-
lich immer wieder von neuem angefacht wird und nicht
zur Ruhe kommen will.
Die Schwierigkeiten der Identifizierung des echten
Kopfes Mozarts, der im Jahre 1791 bekanntlich in
einem Massengrabe am Friedhöfe von St. Marx bestattet
wurde, haben durch die Wanderung des Schädels aus
dem Besitze des großen Anatomen H y r 11 von Mödling
nach Salzburg nur noch eine Komplikation erfahren und
das Aktenmaterial über dieses Problem ist ein nicht
wenig umfangreiches. Der Schädel Haydns, der 1809
vom Leichnam des Komponisten abgetrennt wurde —
eine Affäre, die damals auch die Polizei in regsame
Tätigkeit setzte — hat seine eigenen und sonderbaren
Schicksale erlebt; um das Haupt H a m e r 1 i n g s, das
gleichfalls nicht mit dem Rumpfe zusammen begraben
wurde, entbrannte eine schwere Fehde, und das Cranium
(die Schädeldecke) Ferdinand Raimunds stand im
Mittelpunkte eines erbitterten Kampfes, dessen Schilde-
rung seit dem Tode des Dichters bis auf unsere Tage
reich an Entstellungen war und ist.* So oft dieses Thema

* Auch Beethovens Schädel, aus welchem die Gehör-
organe zur Untersuchung herausgesägt wurden, und der Kopf
Schillers, dessen Verwechslung in der Weimarer Fürsten-
gruft Anlaß zu einer Reihe von Erörterungen gab. soll hier
nicht unerwähnt bleiben. Daß man in mehreren Museen
Schädel von Kara Mustapha zeigt, nur als kurioses
Detail!

in Zeitungen oder Abhandlungen berührt wird, mag man
sicher sein, Unrichtigkeiten, die wiederholt längst als
solche bekannt sind, wieder aufgetischt zu sehen, und da
ist es vor allem die Leichtfertigkeit der Literarhistoriker,
über die man staunen muß.
Schon seit Jahren führe ich in meinen vielfältigen
Sammlungen auch alle Nachweise über die Geschichte
dieser Schädel sowie über Totenmasken berühmter Per-
sönlichkeiten — ein Thema, das gewiß nicht vielen sym-
pathisch ist und dem man sonst gerne ausweicht. Durch
meine Freundschaft mit Dr. Hermann R o 11 e 11 aber,
dem Kustos des Badener städt. R o 11 e 11 - Museums,
in welchem sich seit 1824 ein Teil der Gälischen
Schädel- und Büstensammlung befindet, habe ich mich
verhältnismäßig frühzeitig mit allen Einzelheiten auf
diesem Gebiete vertraut gemacht und daher alles ge-
sammelt, was sich hierauf bezieht.*
In dieser Gall sehen Sammlung nun befindet sich
auch ein Abguß der Schädeldecke Ferdinand R a i-
m u n d s (das Cranium, von dem diese Gipsabformung
gemacht wurde, ist im Besitze eines Wiener Gelehrten),
und das kam in ganz kurzer Skizzierung so:
Der Gründer des Museums, der Badener angesehene
Landgerichtsarzt Anton Franz R o 11 e 11, wurde am

* Das städt. R o 11 e 11 - Museum in Baden ist eben in einer
Neuaufstellung begriffen, nach deren Vollendung ich in der
»Internationalen Sammler-Zeitung« über die wertvollen Be-
stände dieser Sammlung eingehend berichten werde. Im Jahre
1824 schenkte der berühmte Phrenologe Gall von Paris aus
einen Teil seiner Kollektion von Büsten, Schädeln und Wachs-
präparaten dem Badener Arzte A. F. R o 11 e 11. der sie seinem
Museum, das seit ungefähr 1800 besteht, einverleibte.
 
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