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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
6. Jahrgang. Wien, 15. Juli 1914. NrTl4T~

Erzherzog Franz Ferdinand als Sammler.

Die ganze gesittete Welt beklagt den frühen Heim-
gang des Erzherzogs Franz Ferdinand von
Oesterreich-Este, der mit seiner edlen Gemahlin,
der Herzogin Sofie von Hohenberg, in Sara-
jevo der Mörderkugel eines Elenden zum Opfer fiel.
In den Nachrufen, die vielfach mit Herzblut geschrieben
waren, wurden die hervorragenden Eigenschaften des
kaiserlichen Prinzen gewürdigt, der eine starke Indivi-
dualität war und einen bestimmenden Einfluß auf die po-
litischen Verhältnisse der Monarchie nahm: viel zu
wenig wurde aber des großzügigen Sammlers gedacht,
der mit dem Thronfolger zu Grabe stieg.
Erzherzog Franz Ferdinand kannte keine schönere
Passion, als das Sammeln: ihr gehörten die Mußestun-
den, die ihm die Betätigung seiner Berufspflichten übrig
ließ, nur mit ihr hatten die nächsten Angehörigen, die
vergötterte Frau und die jetzt so unsäglich armen Kinder,
die Liebe des Erzherzogs zu teilen. Das Interesse für das
Sammeln hat den Erzherzog auch zur »Internationalen
Sammler-Zeitung« hingezogen, die in ihm einen warmen
Förderer betrauert. Schon nach der dritten Nummer im
März 1909 bestellte der Thronfolger von einer Reise aus
die »Internationale Sammler-Zeitung«, wobei er den
Wunsch ausdrückte, daß ihm die bereits erschienenen
Nummern nachgeliefert werden. Während alle anderen
Zeitungen und Zeitschriften, die der Erzherzog abon-
nierte, an das Obersthofmeisteramt adressiert sein
mußten, hatte unser Blatt den Vorzug, daß es an den
Erzherzog persönlich gerichtet wurde, der auch Vor-
sorge traf, daß es ihm überallhin nachgesendet wurde.
Und mit welcher Aufmerksamkeit der Erzherzog die
»Internationale Sammler-Zeitung« las: da war keine
Notiz, die seinem Blicke entging, kein Hinweis auf einen
wertvollen Verkaufsgegenstand, den er unbeachtet ließ.
Als in der Literaturrubrik unseres Blattes einmal ein
Werk besprochen wurde, das den Erzherzog inter-
essierte, traf noch in derselben Nacht ein Telegramm
aus Blühnbach an den Herausgeber unseres Blattes
ein, worin der Erzherzog ersuchte, ihm das auf Seite so
und so viel erwähnte Buch expreß nach Blühnbach zu
senden. Ein andermal fand der Erzherzog in der »Inter-
nationalen Sammler-Zeitung« die Besprechung einer
kostbaren Uhrensammlung, die unter anderem eine Ra-
detzky-Reliquie barg: noch am gleichen Tage erschien
ein Vertrauensmann des Erzherzogs in unserer Redak-
tion, um sich nähere Mitteilungen über die Sammlung

zu erbitten, Auskunft, ob die Sammlung verkäuflich sei,
ob einzelne Stücke abgegeben werden würden etc. Mit
größtem Interesse verfolgte der Erzherzog namentlich
die Ankündigung der Auktionen im In- und Auslande; er
verabsäumte es nie, sich die betreffenden Kataloge kom-
men zu lassen, und es geschah nicht selten, daß er die
Leiter der Museen in Wien und in der Provinz auf Ob-
jekte aufmerksam machte, die für ihre Institute von
Wert wären. Seiner Anregung ist denn auch die Erwer-
bung vieler kostbarer Kunstwerke zu danken; jüngst
erst wurden die beiden ausgezeichneten Altarflügel aus
der Schule Michael Pachers für die kaiserliche Ge-
mäldegalerie in Wien erworben, die wir mit den
anderen Neuerwerbungen reproduzieren werden. In
hellen Zorn konnte der Erzherzog geraten, wenn
er hörte, daß seltene Kunstgegenstände aus der
Monarchie nach dem Auslande gingen: er brand-
markte solche Verkäufe als »Defekt am Patriotis-
mus« und beschäftigte sich infolgedessen intensiv
mit dem Gedanken, Schutzmaßnahmen gegen die Aus-
führung von Kunstschätzen zu veranlassen. Sehr richtig
beurteilt den Erzherzog der Direktor der kaiserlichen
Gemäldegalerie, Herr Dr. Gustav Glück, wenn er in
seinem Nekrolog von ihm schreibt: »Seine Stellung als
Protektor der Zentralkommission für Denkmalpflege hat
er nicht als eine Würde, die zu keiner Arbeit verpflichtet,
betrachtet, sondern an allen Arbeiten dieser Kommission
tätigsten Anteil genommen, Anregungen aller Art ge-
geben und in hervorragendem Maße dazu beigetragen,
daß die heimischen Kunstwerke und Denkmäler uns als
die unschätzbaren Kulturgüter, die sie sind, erhalten
bleiben. An allen Fragen der Restaurierung und Reno-
vierung, an den mannigfaltigsten Einzelheiten, die mit der
Tätigkeit jener Kommission Zusammenhängen, hat er
auf das lebhafteste teilgenommen. Sein feines Ver-
ständnis, sein warmes Interesse für alle diese Dinge
werden den Freunden alter Kunst stets unvergeßlich
bleiben.«
Der Sammeleifer des Erzherzogs Franz Ferdinand
erstreckte sich auf die heterogensten Gebiete; er sam-
melte Altertümer jeder Art, Skulpturen und kunstgewerb-
liche Erzeugnisse der Renaissance, insbesondere Bron-
zen, glasierte Tonreliefs aus der Werkstatt des Andrea
della Robbia, Marmorskulpturen, Münzen, Plaketten und
Medaillen, Holzschnitzereien, Gefäße aus Bergkristall,
Majolikateller und Fayencen, Uhren, Musikinstrumente,
 
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