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Internationale
^ammler^Hfunfl
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.

6. Jahrgang.

Wien, 1. Jänner 1914.

Nr. 1.

Der sechste Jahrgang.
Geleitworte von Hermann Menkes (Wien).

Der sechste Jahrgang einer in ihrer Art in Oester-
reich allein dastehenden Zeitschrift, wie die »Internatio-
nale Sammler-Zeitung«, bezeichnet einen weiten Weg,
genug, um beim bereits Vollbrachten rückschauend ver-
weilen zu dürfen. Nicht in selbstgefälliger Eitelkeit jedoch
will dieses bescheiden auftretende Blatt sich den Spiegel
vorhalten. Ins eigene Gesicht soll geschaut werden, um
zu erkennen, welche Züge an ihm jung und lebendig ge-
blieben, was aber auch im Verlaufe der Zeit sich als
abgewelkt und unfruchtbar gezeigt hat.
Nicht einem merkantilen Antrieb, sondern einer
eigenen Liebhaberei verdankt diese Zeitschrift ihr Ent-
stehen. Sie war unter den ungünstigsten Umständen das
Wagnis eines Amateurs, der seitab von der journalisti-
schen Tagesarbeit sich in die stillere, zugleich ent-
sagende und genießende Welt der Sammler begab, um
den Isolierten und Auseinandergehenden einen Zentral-
punkt zu bieten, einen lebendigen Kontakt zu schaffen
zwischen jenen, die mit ihren Schätzen gern sich in die
Verborgenheit flüchten. Unter allen Besitzenden ist der
Sammler der verschwiegenste, ein eifersüchtiger Wächter
von Heilgtümern, die er mit seiner selbstlosesten Liebe
umgibt, einer Welt von scheinbar toten Gegenständen,
die er mit seinem Geist belebt, von Vergangenheiten,
deren Sprache ihm allein sich in ihren tiefsten und
zartesten Geheimnissen offenbart. Erfreulicherweise gibt
es diesen idealen Typus des Sammlers noch, dem das
Sammeln keinen seelenlosen Sport bedeutet, sondern ein
Nachgestalten durch sinnvolles Zusammenfassen, durch
Auslese und Einordnung von Dingen, die so ihren ur-
sprünglichen Sinn erhalten. Das sind die Sentimentalisten,
die Enträtsler erstorbener, vergessener oder erstarrter
Gebärden, heimliche Künstler, deren Tun etwas von
okkultem Priesterdienst an sich hat. Das birgt Gefahren
in sich, deren größte die ist, daß die Liebe hier sich in
Fetischismus, das einem einzelnen lebendig Gewordene
ins Beziehungslose, Unlebendige wandeln kann. Auch
der Sammler muß ein Mehrer des allgemeinen Kultur-
besitzes sein, darf der Organisation, der Verständigung
mit Gleichfühlenden, der Beziehung zu Gleichstrebenden
nicht entbehren. Aus tausend losgelösten Details, aus
isoliertem Kapital muß ein Ganzes, Einheitliches, ein Bild
von lebendiger Fülle werden. Diese Einheitlichkeit und
Jie gegenseitige Verständigung fehlte bei uns vielfach.

und hier setzte das neue Blatt mit Glück und reichem
Gelingen ein.
Wie kaum ein anderes Land noch besitzt Oester-
reich eine rüile privater Sammler, von deren kostbarem
Besitz man in aer Oeffenthchkeit nur wenig wußte.
D.ese Sammler leben zerstreut da und dort, in aen
nahen wie in den entlegensten Provinzen. Das Blatt
gab nun reiche Kunde über diese reichen und zer-
streuten privaten Schätze, und es war ein besonderes
Verdienst, daß die Besitzer selbst zu Worte kamen und
teilweise auch über die Technik und Methode ihrer
Sammelkunst lehrreiche Aufschlüsse gaben. Ich erinnere
nur an den Obersten Karl M i e n z i 1, den früher recht
genugsam bekannten, jetzt in maßgebenden Krc sei; be-
rühmt gewordenen Japonicasammler, der in en.em
Zyklus von Artikeln einen förmlichen Leitfaden für
Sammler bot oder an den alle geistigen Bestrebungen
kraftvoll fördernden Grafen Hans W i 1 c z e k sen., der
uns mit seiner so kostbare Stücke enthaltenden Waffen-
sammlung bekannt machte. So hervorragende Männer
und Sachkenner wie der General der Infanterie Albin
Freiherr v. Teuffenbac h, der Ropsforscher Doktor
Ottokar Mascha und literarische und wissenschaftliche
Individualitäten von gleicher Bedeutung erschienen in
dem jungen Blatt mit instruktiven Aufsätzen und Essais,
um aus der Fülle ihres Wissens und ihrer Erfahrung
Belehrungen zu erteilen. Das war nicht Fachsimpelei,
vor der das Blatt sich zu bewahren wußte, sondern in
künstlerischer Form gehaltene Studien, die aus der
lebendigen Gegenwart geschöpft waren.
Immer mehr wurden die Gebiete erweitert, das
zuerst Spielerische und Dilettantische mancher Spe-
zialität vertieft und zum Bedeutsamen erhoben. Nichts
wurde in den vielen Rubriken vernachlässigt; jede
bedeutete eine eigene kleine Welt, die in Wechsel-
beziehung zu allen übrigen gesetzt wurde. Nichts
erschien zu gering für die Beachtung, wenn es
mit irgend einem inneren Wert auftrat. Die fort-
schreitende Forschung hat erkannt, welche Bedeutung
als Kulturdokument, als Schlüssel zu den ver-
schleiertsten Geheimnissen der Vergangenheit oft die
unscheinbarsten Dinge besitzen, wie ferne Zeiten, ihre
private und allgemeine Kultur in einem Siegel, einer
 
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