Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ZUR VOR GESCHICHTE DES SCHL OSS-
RA US VON WILHELMSTHAL
Mit 30 Abbildungen auf 6 Tafeln Von RUDOLF HALLO

I
An der Stelle des Schlosses Wilhelmsthal bei Kassel befand sich im 17. Jahrhundert
der schlichte fürstliche Landsitz „Amelienthal". Friedrich Bleibaum, der die Geschichte
des Bezirks im 1. Teil des VII. Bandes der Bau- und Kunstdenkmäler im Reg.-Bez. Kassel,
Kassel 1926, eingehend geschildert hat, hat, nach Brunners „Wilhelmsthal" von 1925, über
diese und alle vorangehenden Anlagen wohl das Abschließende gesagt. Die Geschichte des
neuen, heute noch stehenden Baus setzt nach seiner Darstellung spät im vierten Jahrzehnt
des 18. Jahrhunderts ein.
Die Projekte reichen aber mindestens bis in das letzte Lebensjahr des größten hessischen
Bauherrn, Landgraf Karl (1670—1730) zurück. Ein vergessener Architekt in hessischen
Diensten, Roman, hat sie zu Papier gebracht1). Mit dem Datum 1730 versehen, finden
sie sich in einem der von Roman an Landgraf Wilhelm VIII., Karls Sohn und zweiten
Nachfolger in der Regierung, vermachten Bücher, und der Gemahlin dieses Fürsten2),
Dorothea Wilhelmine von Sachsen-Zeitz, verdanken sie ihre Entstehung3).
Peter Jacob Roman, oder wie er sich in Briefen nennt und nennen läßt: Roman de
Badeveldt, aus dem Haag, ist der Sohn des Architekten Jacob Roman, der 1681 das Rat-
haus zu Herzogenbusch und später für Wilhelm III. von Oranien, König von England, das
Schloß Loo baute, das jetzt der holländischen Königsfamilie zur Sommerresidenz dient4).
Peter Jacob, Jacobs einziger Sohn5) muß zwischen 1680 und 1685 geboren sein. 1698/99
ging er zu seiner Ausbildung nach Paris, wo er bei dem „Professeur en Matematiques" de
la Hire den Cours d'architecture hörte und in einem geschriebenen Collegbuch nach Hause
trug6). 1700/01 reiste Pierre Jacques auf Wilhelms III. Kosten7) durch Südfrankreicli über
Florenz und Rom bis Neapel. Um Neujahr 1702 kehrte er in den Norden zurück, knapp vor
dem Tode seines Gönners, der ihm zu Neujahr in Kensington den Sammelband von Zeich-
nungen schenkte, den ich im Anhang als Nr. II aufführe, und in dem seltsamerweise mehrfach
steht, er sei ein Geschenk an Jacob Roman von 1684! Über die nächsten Jahre herrscht
Schweigen. Romans Vater wird 1702 Architekt des Königs von Preußen genannt8); 1711
liegt er, im Haag wohnhaft, anscheinend wegen eines Palaisbaus in Streit mit Landgraf
Philipp, Karls im Haag lebenden unbotmäßigen Bruder von der Nebenlinie Hessen-Philipps-

9 Nach Nicolai (Beschreibung von Berlin und Potsdam 1769, 595) hätte sich 1713 Andr. Schlüter in Kassel
als Baumeister vorgestellt, wäre aber, der ihm bezeigten Voreingenommenheit halber nach Rußland abgereist. Da
er sich 1713 „meistens mit Bossieren und Bildhauerarbeit beschäftigte", könnte man damit die von mir Zeitschr. hess.
Gesch. Ver. 55, 1926, 300 vorgelegte Notiz kombinieren, wonach sich 1730 sieben seither verschollene Figuren in Lebens-
größe „vom Schlitter" im Kasseler Kunsthaus befanden! 1716 erschien Eosander v. Göthe in Kassel (J. Friedländer,
Festschrift z. Gesch. d. kgl. Museen, Berlin 1880, 9).

2) Nach Bleibaum, Wilhelmsthal S. 3 ist Wilhelm seit 1723 Besitzer von „Wilhelmsthal".

3) Ich habe sie erstmals bekannt gemacht in der Sitzung des Hess. Geschichtsvereins vom 5. XII. 1928; vgl.
auch meine „Kasseler Sternwarten", Kassel 1929, S. 25.

4) H. Rose, Spätbarock, München 1922 sowie Bredius, Künstlerinventare V, 1719^1. Galland, Geschichte d.
holl. Baukunst mehrfach.

5) Bredius VII, 185. Nach Bredius zum Jahre 1720 war Roman mit Franziska Schalken, der Schwester des
Malers Gottfried Sch., verheiratet.

6) Das Manuskript des de la Hire scheint, nach dem Zusatz Romans: Notte et marque par luy mesme, von la
Hire selbst herzurühren. Der Band gehört der Staatl. Kunstakademie Kassel, der ich für die Erlaubnis zur Veröffent-
lichung des Romanschen Materials aufrichtig zu danken habe.

7) Eintrag in fol. A. 45 Kunstakademie. Dort auch die weiteren Angaben über die Reise.

8) Bredius V, 1731t.

64
 
Annotationen