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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0050
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30 j. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs.

Auch um St. Johann im Dorfe läßt sich nun eine größere Anzahl von Gemälden grup-
pieren. Sicher dieselbe Hand wie in den beiden Johanneslegenden malte einen Teil der
Freskenreste, die über dem Gewölbe der früheren Dominikanerkirche erhalten blieben.
Die Architekturen, die Typen, die herabrollenden Locken, die zottige Barttracht, die Kleidung —
das alles stimmt überein. Zum Überfluß erscheint auch noch in der Bordüre das Botschen-
wappen, und zwar in der gleichen dekorativen Verwendung wie in St. Johann. Daneben finden
sich hier aber auch noch etliche Malereien, besonders einige Engelköpfe, die zwar mit den
anderen viel gemeinsam haben, dabei aber eine weit feinere Malweise und eine größere
Sicherheit in der Zeichnung aufweisen und die sowohl in den Typen als auch in den Dekora-
tionen mehr als irgend ein anderes gleichzeitiges Bozner Werk an Italien erinnern. Hatten
die erstgenannten Bilder noch vor der späteren Einwölbung unter einer Übermalung zu
leiden und blieb in den anderen die eigentliche Art des Meisters erhalten ? Oder sind es
Bilder des Meisters, während die anderen und die in St. Johann der Schüler malte? Für den
letzteren Fall wäre es auch nicht ganz ausgeschlossen, daß der Meister wirklich ein Italiener
war. Wenn irgendwo in Tirol, so müßte es hier der Fall sein.

Auch die stark beschädigten, der Hauptsache nach aber nicht übermalten Bilder in
der St. Vigiliuskirche am Bozner Kalvarienberge gehören derselben Richtung an. Dargestellt
sind an der Apsis die Apostel und die klugen und törichten Jungfrauen, an den Schiffs-
wänden das Leben Marias und des hl. Vigilius (Taf. VII). Von den Fassadenfresken, die mit
den Innenbildern nichts zu tun haben, stehen wenigstens die unteren, wie bereits bemerkt
wurde, der früher behandelten Gruppe nahe86).

Nach der Berechnung Sempers37), die allerdings von der zudem nicht gerade sicheren
Deutung eines Bildes an der Fassade ausgeht, wären die Bilder um 1421 entstanden.
Übrigens stimmt mit dieser Datierung auch der stilistische Charakter überein. Semper hat
auch auf die Verwandtschaft mit St. Johann schon aufmerksam gemacht, beschränkt aber
seinen Vergleich auf die Innenbilder, während er die an der Fassade mit Recht einem andern
Maler' zuweist. Wirklich sind manche Einzelnheiten recht auffallend. Auch die kurzen
Hände, die in anderen Bozner Gemälden nicht Vorkommen, und die mit der Stirne in einer
Ebene liegenden Nasen mit dem breiten Ansatz kehren auf beiden Zyklen immer wieder.
Anderseits finden sich aber auch hier wieder so große Verschiedenheiten, daß es immerhin
ein Wagnis wäre, sie allein mit der Übermalung in St. Johann erklären zu wollen. Auch
Semper begnügt sich daher, beide Zyklen derselben engeren Schule zuzuschreiben und damit
werden auch wir uns vorläufig zufriedengeben müssen. Nur möchte ich die Möglichkeit
eines einzigen Meisters nicht so bestimmt abweisen wie Semper.

Indessen ergeben sich auch so für die St- Johanner Bilder einige wertvolle Schlüsse.
Vor allem erkennen wir nun, daß wir auch dort nicht an einen italienischen Meister zu
denken brauchen. Gerade jene Eigentümlichkeiten, die besonders stark an manche italienische
Werke erinnern, wie z. B. die im griechischen Profil verlaufenden Nasen oder die z. B.
an veronesische Miniaturen erinnernde höfische Tracht, finden wir in St. Vigil genau so
wieder. Dabei schließt aber der Gesamtcharakter dieser letzteren Fresken einen italienischen
Meister vollständig aus, da sie nicht einmal aus dem Rahmen der übrigen Bozner Gemälde
wesentlich herausfallen. So findet die auf den ersten Blick stark abweichende Art der Bilder
von St. Johann in St. Vigil eine gute Vermittlung mit der übrigen Bozner Malerei. Für die
besseren Bilder in der Dominikanerkirche allerdings bleibt die Sonderstellung auch so noch

36) Beschreibung bei Semper, Ferd. Zeitschr., 1904. 3‘) Ebd., 205—282.
 
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