Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

DOI Artikel:
Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0058
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36 J. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs.

Der „rein deutsche“ Eindruck der Runkelsteiner Bilder hängt hauptsächlich wohl damit
zusammen, daß wir, von einer allzu national gefärbten Romantik verbildet, überhaupt geneigt
sind, jede Ritterdarstellung als altdeutsch anzusehen, so wie man sich lange genug dagegen
sträubte, die ursprüngliche Abhängigkeit des deutschen Minnesanges und der Gotik von
Frankreich anzuerkennen. Anderseits ist allerdings auch richtig, daß die höfische Kunst
Oberitaliens — und an diese müssen wir nach Analogie der übrigen Tiroler Malerei zuerst
denken — auch nicht ausschließlich ein national-italienisches Produkt war, sondern früher
schon und nun an der Wende des Jahrhunderts von neuem auch zahlreiche nordische,
besonders französisch-burgundische Elemente in sich aufgenommen und verarbeitet hatte. So
kommen wir denn zum Schlüsse, daß der berühmte Freskenschmuck Runkelsteins als ein
lokal abgetöntes Denkmal der damals internationalen, modernen höfischen Kunst mit der
übrigen gleichzeitigen Bozner Malerei stilistisch vollständig übereinstimmt und wahr-
scheinlich auch der Hauptsache nach oder auch ganz von Bozner Malern hergestellt wurde,
wie wir das wenigstens von den Kapellenbildern auch früher schon erkannt haben.

Es erübrigt nur noch, eine Anzahl weiterer Wandgemälde der Bozner Gegend anzu-
führen, die zwar im allgemeinen Stilcharakter mit der übrigen Bozner Malerei aus den ersten
Jahrzehnten des XV. Jhs. vollständig übereinstimmen43 * *), bei denen aber die direkte Zu-
gehörigkeit zu einer unserer Gruppen nicht nachweisbar ist und die zum Teil sicher auch
von Malern ausgeführt wurden, die außerhalb Bozens ihren festen Wohnsitz hatten.

Da wären vor allem die Passionsdarstellungen in St. Zyprian in Sarnthein, die aber
vor etlichen Jahrzehnten derart übermalt wurden, daß von den alten Bildern buchstäblich
nichts mehr übrig blieb als etwa die beiläufigen Umrisse. Die Architekturen erinnern an
Terlan und Stocinger (Fig. 18), die Trachten und manche Gesichter (Fig. 19) an St. Johann
und St. Vigil, die Bordüren fallen, wenn anders sie ursprünglich sind, durch ihre streng
geometrische Einfachheit auf. Der enge Zusammenhang mit den genannten Zyklen steht
außer Zweifel, eine nähere Bestimmung aber wird durch die totale Übermalung oder besser
Neubemalung ausgeschlossen.

An St. Zyprian erinnern auch etliche verwandte Züge an den Außenfresken der Kirche
in Durnholz im hintersten Sarntal. Erhalten haben sich am Südportal noch eine Darstellung
St. Christophs, ein Schmerzensmann, das Fragment einer Kreuzigung und ein hl. Bischof,
doch sind sämtliche Bilder stark verblaßt. In besserem Zusande befindet sich ein frisches
und dekorativ sehr wirkungsvolles Bild des hl. Ritters Georg über dem Westportal. Die
Bilder entstammen wie die in St. Zyprian dem ersten Viertel des Jahrhunderts. Auch das
Innere war bemalt. Doch die Langhausbilder gehören nach den bisher sichtbaren Proben
einer etwas späteren Zeit an und die beiden Heiligenfiguren im Presbyterium sind voll-
ständig' verdorben.

Ganz dasselbe gilt von den neuaufgedeckten Apsisfresken im St. Oswaldskirchlein
bei Bozen, die erst vor wenigen Jahren rücksichtslos erneuert und damit für die Forschung
vollständig wertlos gemacht wurden.

Das Votivbild am Torturm des Stiftes Gries bei Bozen ist zwar nicht übermalt, wurde
aber (im XVII. Jh.?) dadurch arg beschädigt, daß man gerade in seiner Mitte eine Tür

43) Die Behauptung Clemens (Mitt. d. Z. K., 1889,

S. 12), die Malerei auf dem Bozner und Eisacktaler Mittel-

gebirge habe sich noch ein volles Jahrhundert von der

Stiländerung der Bozner Kunst freigehalten, ist vollständig
aus der Luft gegriffen.
 
Annotationen