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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0066
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4-2 J. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs.

schreibt er die Kreuzabnahme an der Apsis der Liebfrauenkirche dem XIII. oder dem
Anfang- des XIV. Jhs. zu, wovon natürlich überhaupt nicht die Rede sein kannS2). Auch
das unterliegt wohl keinem Zweifel, daß zwischen all den genannten Bildern zum mindesten
ein sehr enger Schulzusammenhang besteht. Überall treffen wir dieselbe wenig abwechs-
lungsreiche Farbenskala, in der Gelb und Rotbraun vorherrschen, überall auch dieselbe
Vorliebe für reiche, krautige Ranken in den Bordüren, ebenso ähnliche Gesichtstypen, an
denen das spitze Kinn über einem fetten Halse, der gekniffene Mund, die Falten um den
Mund und am Halse und endlich auch die kurze Nase mit den meist schiefwinklig an-
setzenden Brauen so häufig wiederkehren.

Freilich bleiben daneben auch manche Verschiedenheiten bestehen. Die gegenüber den
anderen Zyklen etwas minderwertige dekorative Wirkung der zehnten Arkade mag
freilich darauf zurückgehen, daß der Maler dem Zusammenschluß so vieler Figuren mit
architektonischen Hintergründen nicht gewachsen war und daher zerfahren wurde. Auch
die relativen Unterschiede der Farbenwirkung ließen sich zur Not aus der ungleichmäßigen
Restaurierung und Übermalung erklären. Trotzdem möchte ich die Teilnahme mehrerer
Hände wenigstens nicht unbedingt ausschließen, wenn auch anderseits die Verschieden-
heiten gegenüber dem Gemeinsamen so sehr in den Hintergrund treten, daß nur an eine
und dieselbe Werkstatt gedacht werden kann.

Mit der eben behandelten Gruppe nun nahm die Neubemalung des Kreuzganges ihren
Anfang. Dafür sprechen verschiedene Gründe. Nur in der zwölften Arkade findet sich in
den Beischriften noch die Majuskel, und auch stilistisch läßt sich im ganzen Kreuzgang
kein älteres Gemälde nachweisen, abgesehen natürlich von der unteren Freskenschichte.
Endlich fällt wohl auch der Umstand in die Wagschale, daß die Wandnische der elften
Arkade mit ihrer romanischen Profilierung ursprünglich ein Seitenportal des Domes
war und daß es daher nahelag, hier mit der Neubemalung zu beginnen. Damit ist aber
noch nicht gesagt, daß gerade alle Arkaden auf einmal bemalt worden sein müssen. Die
Bilder wurden je nach dem praktischen Bedürfnisse meistens als Grabdenkmäler in Auftrag
gegeben und so wäre es leicht denkbar, daß zwischen der Bemalung der einzelnen Arkaden
auch ein Zeitraum von mehreren Jahren liegen kann. Doch über das erste Dezennium des
XV. Jhs. wird man kaum hinausgehen dürfen. Einerseits befinden sich alle zugehörigen
Gemälde unmittelbar nebeneinander, im Nordflügel des Kreuzganges, anderseits zeigen
zwei Bilder in der dreizehnten und in der vierten Arkade, die mit den Jahreszahlen 1410
und 1417 versehen sind, gegen unsere Gruppe einen deutlichen Stilfortschritt.

Der Gesamtcharakter dieser Gruppe ist. ungefähr derselbe wie in den gleichzeitigen
Bozner Gemälden. Daß der trecenteske Einfluß bereits wirksam ist, spürt man ebenso in den
Farben und Typen als in den Ornamenten. Dabei wird man aber sagen dürfen, daß der
italienisierende Zug in Brixen noch nirgends so rein und stark in den Vordergrund tritt
wie in einzelnen Bozner Zyklen. Besonders deutlich wird das in den zahlreichen Architek-
turen der elften Ai'kade. Wohl finden sich auch hier die in Bozen so häufigen, un-
wirklichen Bogenhallen, aber die meisten Baulichkeiten sind ganz schlicht und nähern sich
in den Ziegeldächern, Türen und Fenstern viel mehr der lokalen Bauweise. Besonders
charakteristisch ist da eine recht naturwahre Kapelle mit niederer Rundapsis, wie man sie
in Tirol so oft sehen kann, dann an einer Halle das gut gezeichnete Fialenwerk und end-

52j Semper dürfte seine Ansicht, wenigstens in bezug rigiert haben, und es fehlte ihm vielleicht nur die Gelegen-
auf das Apsisgemälde, unterdessen wohl schon längst kor- heit, noch einmal darauf zurückzukommen.
 
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