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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0069
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J. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs. 43

lieh hinter einer phantastischen Baugruppe ein Vierecksturm mit kurzem Pyramidendach,
wie wir ihn von tirolischen Adelsitzen her so gut kennen. Auch in den Personendarstellungen
dieser und der anstoßenden Arkade macht sich eine verhältnismäßig gute Lebensbeobachtung
geltend, dagegen ist von dem zarten Stimmungsduft, wie man ihn sonst an Gemälden um
1400 zu finden gewohnt ist, hier fast nichts zu spüren. Auch die Darstellung im Raume ist
entweder überhaupt nicht angestrebt oder doch stark mißlungen. Dagegen fällt in der
zwölften Arkade, wo nur wenige und große Figuren darzustellen waren und wo die ein-
zelnen Gewölbezwickel mit breiten Ornamentbändern einheitlich zusammengefast wurden,
und ähnlich auch in der neunten Arkade die schon erwähnte dekorative Wirkung auf.

Mit dieser ältesten Gruppe im Kreuzgang stehen aher auch noch andere Bilder in Be-
ziehung. Unmittelbar hierher gehören die allerdings noch ungenügend aufgedeckten
Darstellungen der Erasmuslegende in der Johanniskirche. Schon mit größerer Reserve
möchte man auch das Miserikordiabild in der Apsis dortselbst unserem Malerkreise zu-
schreiben. Dasselbe gilt auch von den fünf Heiligen (Christoph, Florian, Dorothea, Sebastian
und ein hl. Bischof), die, leider total übermalt, im ehemals Wolkensteinischen Ansitz, nun
Gasthof zum Stern zu sehen sind. Endlich dürften auch noch die Bilder an der St. Cyrillus-
kirche bei Tils (St. Christoph, Maria im Glorienscheine, St. Kummernus) mit dem Nord-
flügel des Kreuzganges irgendwie in Beziehung stehen. Die Ähnlichkeiten hingegen, die
Semper63) in St. Johann im Dorfe und in St. Vigil bei Bozen findet, reichen für die An-
nahme eines unmittelbaren Zusammenhanges wohl nicht hin.

Mitten unter dem Freskenschmucke des Nordflügels befinden sich aber auch etliche
Gemälde, die mit den bisher behandelten keine Beziehungen aufweisen. So in der zehnten
Arkade eine Verkündigung mit Johannes dem Täufer und einem Stifter (Fig. 23), die eine
zierliche Bordüre mit geschmeidigen Tieren zwischen geflochtenen Ranken umgibt. Der
wesentliche Zusammenhang mit der italienischen Trecentokunst liegt hier auf der Hand
und zeigt auch ein weiter fortgeschrittenes Stadium, sowohl in den Typen und Architek-
turen als auch in der Komposition51). Dabei ragt das Bild auch durch seine freie Zeichnung
und durch seine kräftige Farbenwirkung über seine Umgebung hoch hinaus, ist aber aller-
dings an mehreren Stellen stark ausgebessert. Man ist geneigt, es als um zehn oder zwanzig
Jahre jünger anzusehen, doch gewährt die Beschaffenheit der Mörtelschicht dafür keinen
rechten Anhaltspunkt.

Ebenso fällt in der zwölften Arkade eine thronende Maria mit St. Andreas, St. Georg
und einem Stifter ganz aus der Umgebung heraus. Die Beischrift und ihre Jahreszahl ist
nicht mehr zu entziffern, doch glaubte Walchegger mit einiger Wahrscheinlichkeit 1402
oder 1405 lesen zu können, was auch dem gegenwärtigen Befunde nicht wesentlich wider-
sprechen würde. Von vornherein wäre man allerdings auch hier geneigt, ein etwas späteres
Datum etwa 1412 oder 1415 anzunehmen (Taf. X).

Einen wenigstens im allgemeinen verwandten Stilcharakter weist endlich auch die An-
betung der Könige in der anstoßenden dreizehnten Arkade auf (Taf. XI). Ob das darunter
angebrachte Schriftband, das die Jahreszahl 1410 enthält, zu diesem oder zu dem unteren
Bilde gehört, ist zwar nicht ganz sicher, doch scheint mir die größere Wahrscheinlichkeit
für das Dreikönigenbild zu sprechen. Auch stimmt damit überein, daß das zwischen der
dreizehnten und vierzehnten Arkade angebrachte Brustbild eines Stifters, das mit dem Drei-

53) Ferd. Zeitschr., 1904.

51) Merkwürdigerweise sieht Sf.mpf.r gerade hier eine spezifisch deutsche Schulung. Wandgemälde, S. 16.

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