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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0070
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44 J. Weingartner t)ie Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs.

königenbilde eine große Verwandtschaft besitzt, ebenfalls diese Jahrzahl trägt. Zu welchem
Bilde dieses Stifterporträt ursprünglich gehörte, ist heute nicht mehr ersichtlich55).

In diesen Zusammenhang gehört vielleicht auch die thronende Madonna mit den beiden
hl. Johannes in der Apsis der Johanniskirche, ein Bild, das besonders mit der Verkündigung
der zehnten Arkade manches gemeinsam hat.

Gegen die frühere Gruppe zeigen all diese Bilder kräftigere, sattere Farben, ein
stärkeres Streben nach Individualisierung und einheitlicher Komposition. Auch liegt bereits
ein gewisser Stimmungsreiz, der allerdings mit Worten schwer zu kennzeichnen ist, über
diesen Darstellungen ausgegossen, und der Zusammenhang mit der gleichzeitigen inter-
nationalen Geschmacksrichtung tritt hier ebenfalls schon weit klarer hervor.

Noch mehr gilt dies aber von den Bildern der vierten Arkade, von denen eines die
Jahreszahl 1417 trägt (Taf. XII).

Am Gewölbe sind hier in symmetrisch verteilten Rundmedaillons die Evangelistensymbole,
die Kirchenväter und die Propheten dargestellt; die Zwickel um den Schlußstein füllen Engel-
mit Spruchbändern und flatternden Gewändern. An der Schildbogenwand ist oben die An-
betung der Könige, unten eine dreiteilige Halle gegeben, wo in der Mitte der Schmerzens-
mann zwischen Maria und Johannes, in den Flügeln je zwei Heilige stehen. An der Hof-
wand ist rechts der hl. Georg, links ein Ritter und ein Mönch zu Roß dargestellt. Sämt-
liche Bilder stammen von einem Meister56) und sowohl die feine Detailbehandlung als
auch das dekorativ vorzügliche Gesamtarrangement lassen in ihm die weitaus tüchtigste
Kraft erkennen, welche die Brixner Malerei dieser Periode überhaupt aufzuweisen hatte.

Gegen die älteren Kreuzgangbilder fällt hier vor allem der Fortschritt in der Detail-
zeichnung auf. Die Gesichter sind feiner, seelenvoller und zugleich lebenswahrer, die Farben-
gebung wird flüssiger, die weiche Stofflichkeit der Gewänder tritt besser hervor. Die
Ornamente — man beachte z. B. die reichen Madaillons oder die Deckenmuster und die
Säulchen der Halle — zeichnen sich durch zierliche Eleganz aus. Dazu kommt dann noch
die reichere und lebhaftere Farbengebung. Aber auch in der Komposition und in der
dekorativen Auffassung läßt der Meister der vierten Arkade seine Vorgänger weit zurück.
Nicht nur daß die beiden Bilder der Wandseite für sich allein in ihrer Massenwirkung wohl
abgewogen sind, auch die Arkade als Ganzes ist so einheitlich zusammengestimmt wie
keine zweite im ganzen Kreuzgange.

Kehrer57), der die Anbetung der Könige abbildet, hält sie für eine direkte oder in-
direkte Kopie einer Darstellung aus dem Malerkreise Jean de Berrys. Ein genauer Ver-
gleich mit der fraglichen Miniatur zeigt aber, daß von einem derart unmittelbaren Zu-
sammenhänge mit Burgund nicht die Rede sein kann. Wahr ist jedoch so viel, daß sowohl
in der allgemeinen Entwicklungsstufe als auch in der ganzen Stimmung das Brixner Fresko
mit den burgundischen Miniaturen sehr eng verwandt ist. Wenn wir aber bedenken, daß
die burgundische Malerei einerseits ja auch selber auf die gemeinsame Wurzel der italieni-
schen Trecentokunst zurückgeht,, anderseits aber um jene Zeit als ihr entwickeltester ■ Zweig

55) Dargestellt ist nach der Inschrift Konrad Schalt.er
von Rattenpuch. Zum Dreikönigenbilde kann es wohl
nicht gehören, weil dieses in dem kleinen Vierpaß rechts
unten, wie es scheint, ein eigenes Stifterporträt besitzt.

56) Semper, ebd., S. 18, trennt die Bilder der Wand

von denen des Gewölbes und bringt sie mit der 12. Arkade

in Beziehung. Anderseits erinnert ihn das Dreikönigsbild
an die Badestube in Runkelstein (vgl. S. 12). Doch scheint
mir weder für das eine noch für das andere ein Grund
vorhanden zu sein.

5t) Die hl. drei Könige in Literatur und Kunst,
Leipzig 1909, II. Bd., S. 200.
 
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