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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Tietze-Conrat, Erica: Der Böckchen tragende Satyr: ein Beitrag zur Frage der skulpturalen Kopie und zum Oeuvre Georg Raphael Donners
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0101
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E. Tietze-Conrat Der Böckchen tragende Satyr

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zu einer derbdrolligen Wirkung verschoben; der ganze Kontur mit den runden Zacken
der Muskeln, die aus stumpfen Winkeln wachsen, bringt einen unruhigen Eindruck hervor.

Am 6. April 1675 wird Anselme Flamen
als Pensionär nach Rom geschickt; er bleibt
bis 1679. Innerhalb dieser vier Jahre dürfte
er den Satyr für den König kopiert haben;
aus den Berichten des Akademiedirektors ist
es nicht zu ersehen, da sie erst von 1687 an
regelmäßig werden. Stanislas Lami gibt in
seinem Dictionnaire des Sculpteurs de 1’ Ecole
Francaise sous le regne de Louis XIV (Paris
1906, S. 127) 1685 bis 1687 als Entstehungs-
zeit an, doch liegt vielleicht eine Verwechs-
lung mit Pierre Lepautre vor. Die Figur steht
in der „grande Allee ou Tapis-Vert du Parc
de Versailles“ und ist von S. Thomassin21 22) im
Gegensinn gestochen. Ein gewaltiger Laub-
kranz umschließt den Kopf des Satyr, ein
vom Baumstumpf kommender Zweig deckt
seine Blöße. An dem Stumpf klimmt Efeu
empor, an dem Astansatz hängt an einem
genau gearbeiteten Riemen die Hirtentasche;
der Boden ist mit Gras bewachsen und unter
dem linken Fuß ein wenig gehoben. Im
übrigen hat sich Flamen an die Antike ge-
halten. In ihrem jetzigen Zustand mit der
korrodierten Oberfläche, die gar keine feinere
Modellierung mehr erkennen läßt, taucht die
Figur unter unzählige andere malerisch de-
korative Gartenskulpturen unter und auch
hier soll sie nicht durch eine Abbildung zu
einer isolierten Wirkung gezwungen werden.

Kurze Zeit später (1685—1687) hat Pierre
Lepautre seine Kopie (Fig. 33) nach dem
Ziegenträger gearbeitet; der Direktor lobt
sie außerordentlich23), der König stellt sie in
seinem Garten in Marly „dans un petit enfon-
cement“ einer Allee auf24). In neuerer Zeit Fig. 34 Boucliardons Ziegenträger. Berlin, Königliches Schloß
kommt sie in den Louvre25) und vor kurzem

endlich nach Maison Laffitte. Die Marmorfigur ist ungemein sorgfältig behandelt; der tote
Baumstumpf ist in parallelen Breitenstrichen aufgerauht, um den Eindruck der Rinde zu

21) Lecoy a. a. O. S. 73, Anm. I.

221 Recueil des Figures, Groupes etc. dans . . . le
Parc de Versailles, Nr. 48.

23) Lecoy a. a. O. S. 73.

24) Pigantoi. DE LA Force, Description des cliateaux
et parcs de Versailles et de Marly. 1715. II, 110.

25) Catalogue Somraaire desSculptures duMoyen Age, de
la Renaissance et des Temps Modernes. Paris (1897). Nr. 7^5'
 
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