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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Tietze-Conrat, Erica: Der Böckchen tragende Satyr: ein Beitrag zur Frage der skulpturalen Kopie und zum Oeuvre Georg Raphael Donners
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0106
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74

E. Tietzf.-Conrat Der Böckchen tragende Satyr

Exemplar müßte sehr bekannt gewesen sein;
so bekannt, daß Ercole Ferrata bei Ergänzung
der erhaltenen Figur sich dieses Original zum
Muster genommen hätte: die Arme der Mad-
rider Figur entsprechen vollkommen jenen
des Prager Gipsgusses. Und da ist es doch
wieder verwunderlich, daß wir über eine so
bekannte Figur keine einzige literarische
Nachricht erhalten haben. Neben diesen histo-
rischen Bedenken habe ich noch stilkritische,
die mir den Mut geben, gegen dieses sicher
autoritative Urteil des Archäologen, daß der
Guß nach einer Antike gemacht worden sei,
von kunsthistorischer Seite her Zweifel auszu-
sprechen. Die stärkere Drehung des Leibes,
die eine Verlegung der Hauptansicht nach
sich zieht, die Neigung des Oberkörpers nach
rechts, das betonte Abrücken des Kopfes
und endlich die schlank graziöse Stütze des
Baumstumpfes scheinen mir gegen die Antike
zu sprechen; ich meine sogar, daß dieser Gips-
abguß auf eine sehr späte Kopie des XVIII. Jhs.
nach dem Madrider Original zurückgeht. Daß
die Prager Figur mit dem Satyr aus Gips,
den Saly 1750 im Salon ausgestellt hatte,
identisch sein könnte, will ich nicht einmal
als Vermutung aussprechen, da ein stilisti-
scher Nachweis durch den Verlust des Saly-
schen Marmors nicht geführt werden kann
und keine archivalische Nachricht auch nur
eine Andeutung dafür bietet49).

Zu den mechanischen Wiederholungen in
Gips und den künstlerischen Nachschöpfungen
in Marmor reihen sich die in Metall gegosse-
nen Kopien der antiken Figur, die nach dem-
selben Einteilungsprinzip in Abgüsse und freie
Nachbildungen zu trennen sind. Da stammt
noch aus dem XVII. Jh. ein Bronzeguß der
Figur (Fig. 36) aus dem Atelier der Kellers,
der jetzt im Louvie in der Galerie Denon50 *) aufgestellt ist. Die Figur dürfte nach
einem aus Rom geschickten Gipsabguß in Paris in den Achtzigerjahren des XVII. Jhs.,
als das Atelier der Brüder blühte, gegossen worden sein. Der Ziseleur hat viel an den

Fig. 36 Bronzeabguß des Ziegenträgers. Paris, Louvre

49) Der Abguß, eine gräflich Nostiz’sche Schenkung Prag geliefert“. Diese Auskunft erteilte mir freundlichst

an die Universitätssammlung, wurde mit anderen „vom Hof- das Sekretariat Sr. Exzellenz des Grafen Erwein Nostiz.

statuär Joseph von Müller in Wien 1798 und 1799 nach 50) Catalogue Sommaire des Sculptures etc. Nr. 851.
 
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