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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Editor]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Frizzoni, Gustavo: Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde in der fürstlich Liechtensteinschen Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0126
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Gustav Frizzoni Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde usw.

erklärt2). In seiner Geschichte der italienischen Kunst weist nämlich Professor Adolfo
Ventüri auf das Gemälde Lorenzos in der Uffiziengalerie hin, welches die Verkündi-
gung mit feinem architektonischen und landschaftlichen Hintergrund darstellt. Den Zu-
sammenhang dieses Bildes mit dem uns vorliegenden Bildnis hebt er mit Bemerkungen
hervor, die ich, als vollkommen zutreffend, in vollem Wortlaute hier wiedergeben möchte:
„La delicatezza della figura si trova nella testa muliebre sul fondo di foglie stellate di
pino nella Galleria Liechtenstein di Vienna; quella fredda testa di madonna fiorentina ton-
deggiante come quella dell’ Annunziata suddetta, appartiene a Lorenzo di Credi, al tempo
primitivo in cui dipinse con le sue piü elette forme quell’ Annunziazione: vi sono le sue
proporzioni, le piccole luci frizzanti che suole mettere nelle chiome e ne’ cincinni delle Ver-
gini, la finezza dell’ orafo, l’abituale freddezza. Dietro al quadro e una rama di ginepro e un
cartello recante la seritta; VIRTVTEM FORMA DECORAT. Ciö fece pensare che il ritratte
fosse di Ginevra de Benci dipinto da Lionardo de Vinci e alcuno fu mosso anche ad attri-
buire a Leonardo il busto di signora fiorentina, marmo del Verrocchio, esistente nel Museo
Nazionale a Firenze, perche vi si possono trovare tratti generali di somiglianza col ritratto
dipinto di donna fredda, delicata, triste, ben differente da quello marmoreo, di donna prospe-
rosa e forte. Anche la testa dipinta, tondeggiante alla maniera del Verrocchio, poggia sul
collo esile in modo proprio di Lorenzo di Credi.“

Im Anschlüsse an diese Äußerungen finde ich es angemessen, hier ein anderes
Jugendwerk Lorenzos anzuführen, worin sich Vergleichungselemente mit dem Liechten-
steinschen Gemälde finden ließen. Ich meine das im Jahre 1891 für die kgl. Alte
Pinakothek in München aus Florenz erworbene Rundbild, ein Früh werk des Meisters
aus der Werkstatt seines Lehrers Verrocchio, dessen Zeichnung zum Madonnen-
kopf sich in der Sammlung Malcolm zu London befindet, wie auch in dem neuesten
Katalog der Pinakothek vermerkt wird (elfte Auflage 1911). Man braucht ja nur in der
lieblichen Komposition den Kopf des Engels, der den Johannesknaben hält, näher zu be-
trachten, um die ganz gleiche Art der Behandlung zu finden, speziell in der so ein-
gehenden Darstellung der Haarmassen mit ihren scharf angegebenen, detailliert beleuchteten
Teilen.

Daher ist es auch begreiflich, warum andere Kritiker, wie Berenson und Reymond, das
Porträt Verrocchio zuschreiben. Handelt es sich ja, sozusagen, nur um einen Schritt
im Übergang vom Lehrer zum Schüler, weshalb denn ein Schwanken zwischen beiden, be-
sonders in einem auf so wenige Bestandteile beschränkten Werke, an und für sich nicht
schwer zu erklären sein dürfte.

Viel unerklärlicher ist die Benennung „Schule von Lionardo da Vinci“, die ich unter
einem Gemälde lese, welches den kreuztragenden Christus darstellt. Wie könnte man vor einem
solchen Gemälde Anstand nehmen, darin ein Werk der venezianischen Schule zu erkennen ?
Tritt doch die Richtung eines ihrer Hauptmeister, nämlich Giov. Bellinis, in dieser Figur
augenscheinlich zutage, sowohl in der Behandlung des Sujets an und für sich als auch in der
frischen, kräftigen Farbe. Handelt es sich hier nicht um eine Kopie, die unter dem gelb-
lichen Firnis und dem leeren Ausdrucke des Gesichtes versteckt zu sein scheint, wäre am
ehesten an einen Maler wie Vicenzo Catena zu denken, an einen, der also zwischen
Bellini und Giorgione steht. Wie dem auch sei, um zu zeigen, wie dieses Werk mit

2) Adolfo Ventüri: Storia dell’ Arte italiana. La Pittura dei Quattrocento. Ulrico Hoepli, editore. Milano 1910.
Volume VII P. 799.
 
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