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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Editor]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Frizzoni, Gustavo: Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde in der fürstlich Liechtensteinschen Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0134
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Gustav Frizzont Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde usw.

wurde. Eine empfindliche Ungelenkheit in der Darstellung im allgemeinen, namentlich aber
in der fehlerhaften Modellierung der Hand, würden wohl zu einer Leistung eines noch recht
unerfahrenen Anfängers passen.

Hingegen ist das Liechtensteinsche Porträt sichtlich freier behandelt, besser in seinen
Bestandteilen abgewogen und im Gegensatz zu dem vorigen bereits unter Einfluß der
italienischen, ja, man möchte fast behaupten, der giorgionesken Auffassung entstanden.
Trotzdem stimmen doch die zwei Darstellungen in der Eigenart des scharf nach der Seite

gewendeten Blickes, in der Wiedergabe der
etwas dicken Lippen, abgesehen von einer
kaum zu leugnenden Ähnlichkeit in der
Darstellung des Landschaftlichen auffallend
überein.

Wenden wir uns nun zur linken Wand,
so sehen wir da die zierliche Halbfigur einer
heiligen Nonne, auf einem kleinen Holz-
täfelchen sorgfältig ausgeführt. Sie hält in der
Rechten eine Lilie, in der Linken ein niedliches
Kästchen. Daß sie dem strengen Hauptmeister
der ferraresischen Schule des XV. Jhs., Co-
simo Tura, nicht zugeschrieben werden kann,
mit dessen Namen sie bezeichnet ist, liegt
ganz außer Zweifel. Immerhin darf es in
eine benachbarte Schule eingereiht werden,
und ich glaube sogar einen bestimmten Maler-
namen dafür nennen zu können. Es entspricht
nämlich in dem Bilde alles ziemlich über-
zeugend den bekannten Werken eines fleißi-
gen und bescheidenen Malers aus dem Ra-
vennatischen, nämlich aus Cotignola. Es ist
dies Francesco Zaganelli, der öfter in Ge-
sellschaft seines Bruders Bernardino ge-
arbeitet hat, gegen Ende des XV. und wäh-
rend der ersten Dezennien des XVI. Jhs.
Vergleicht man nun das Täfelchen mit einem
umfangreicheren Werk, welches in der Brera-
galerie zu Mailand ausgestellt ist und den Namen des Künstlers mit der Jahreszahl 1505
führt, so wird man mir wohl zugeben, daß wir es bei den zwei Bildern sehr wahrscheinlich
mit demselben Autor zu tun haben. Die mageren Formen, das helle Kolorit und dazu noch
der den Malern der Romagna eigene Geschmack, die architektonischen Teile mit farbigen
Arabesken auf Goldgrund zu dekorieren, lassen sich sowohl in dem einen als in dem
andern Gemälde nachweisen.

Sicher nimmt sich der derbe, aber tüchtige Cosimo Tura in allen seinen Leistungen
ganz anders aus; und um dies hier am besten augenscheinlich zu demonstrieren, sei
noch der Halbfigur aus der fürstlichen Galerie eine des Ferraresen entgegengestellt, die
Darstellung des hl. Dominicus, welche Corrado Ricci mit einem glücklichen Griff vor

Fig. 50 Cosimo Tura: Hl. Dominicus. Uffizien
 
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