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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Jonas, J. E.: Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0246
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J. E. Jonas Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911

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hatten, da in dem Patente Ferdinands befohlen war,
ihn tot oder lebendig zu haschen.

„Gordon, welchem der Herzog etliche Tage zu-
vor des verstorbenen Obrist Böhmens Regiment65)
gab, lud den lllo, Terzky, Kinsky und Rittmeister
Neumann (Geheimsekretär Wallensteins) zum Abend-
essen auf die Burg oder vielmehr luden sich alle
selbst ein, als verbundene Freunde, über der Mittags-
tafel (nachdem Kinsky seine Freunde nebst Gordon,
Buttler und Lesley zu Mittag traktiert hatte). Daniel
Macdonald, Edmund Borcke und Brown, drey Haupt-
leute, Irländer, zwey vom Buttlerischen, und Haupt-
mann Pestalutz vom Terzkyschen Regimente, welche
diese Nacht die Schloßwache hatten, wurden von
dem Mordanschlage benachrichtiget und stimmten
mit einem Eide dazu bey. Eine Stunde zuvor, ehe
die Eingeladenen erschienen, ungefähr um fünf Uhr,
entdeckten sie auch dem Obristwachtmeister Robert
Geraldino vom Buttlerischen Regiment ihren Vorsatz.
Dieser wurde nebst sechs zur Hinrichtung auserle-
senen Buttlerischen Dragonern in ein Nebenzimmer
geführt (Raum C, Zeichnung 46), in ein anders aber
24 Dragoner nebst dem Rittmeister Walter Deveroux
(Raum X und Y)66), so daß die zwey Thiiren des
Tafelzimmers gegeneinander über besetzt waren67).
Die Soldaten hatten bloß Partisanen und Degen,
weil man sich der Feuergewehre nicht bedienen
wollte, um keinen frühzeitigen Lärmen unten bey der
Schloß wache zu verursachen, damit dem Herzoge68)
nithts verrathen würde, ehe sie nach seiner Wohnung
auf den Markt kämen.

Illo, Adam Hartmann Tersika oder Terzky,
Wilhelm Kinsky, und Neumann holten in der Stadt
einander ab und fuhren um sechs Uhr in einer Kutsche
zusammen in die Citadelle.

Als diese vier eingeladenen Gäste nach sechs
Uhr sich zur Abendtafel setzten und viel von ihrem
Vorhaben bey vollen Gläsern gesprochen hatten, gab
Lesley bei Auftragung des Confects das Zeichen
zur Aufziehung der Schloßbrücke, nahm alle Thor-
schlüssel selbst zu sich und ließ durch einen Jungen

65) Das Regiment lag in Zittau in Garnison.

68) War damals möglicherweise ein einziger Raum.

67) „Besetzt“ ist nicht in dem Sinne aufzufassen, daß
die Mannschaften direkt vor den Türen postiert waren,
vielmehr daß die Aufstellung ein Entweichen aus den Türen
unmöglich machte. Denn die Ausgänge aus dem Bankett-
zimmer konnten von den benachbarten Räumen C und X
aus unter sicherer Kontrolle gehalten werden. Nur so war
es auch möglich, die zur Exekution kommandierten Soldaten
vor den Gästen zunächst genügend verborgen zu halten.

8S) Dieser war allerdings eingeladen, ging aber infolge
seiner podagrischen Zustände nie zu Gastmahlen.

dem Major Geraldino sagen: daß nunmehr keine
Zeit zu verlieren sey.

Auf diese Ordre trat Geraldino mit den sechs
commandirten Dragonern durch die Thüre (k) zu-
nächst des Tisches69), in das Tafelzimmer. Er hatte
eine Partisane in der Hand, und schrie: Viva la
Casa d’Austria! Es lebe das Haus Österreich! Zu
gleicher Zeit kam Rittmeister Deveroux zur Thüre
gegen über (1) mit 24 Dragonern herein, trat vor die
Tafel, und fragte: Wer ist gut kaiserlich? Sogleich
stunden Gordon, Lesley und Buttler auf, und riefen:
Vivat Ferdinandus! Vivat Ferdinandus! Jeder nahm
ein Licht von der Tafel und hielt es in die Höhe.
Sie traten auf die Seite, und commandirten, worauf
die Tafel von den Dragonern in einem Augenblicke
umgeworfen, und Kinsky, der hinter dem Tische
saß, alsobald durchstoßen und getödtet wurde. Illo
lief nach seinem Degen, der an der Wand hing; als
er aber eben darnach langte, wurde er mit drey
Stößen durchbohret.

Terzky erreichte seinen Degen und stellte sich
in einer Ecke70) des Zimmers zu löwenmüthiger
Gegenwehr. Er schalt Gordon einen treulosen,
schändlichen Kerl, der als eine feige Memme durch
Wein, List und Betrug ihn und seine Freunde unter-
drücke; forderte ihn und Lesley heraus, focht mit
Geraldino und Deveroux, so daß diesem sein Degen
entzwey sprang, erlegte zwey von den Soldaten und
verwundete einen Spanier, Namens Lerda, tödtlich.
Endlich mußte er doch unterliegen. Er fiel, bekam
drey Dolchstiche ins Gesicht, und weil man ihm
wegen seines Gollers von Elendshaut lange nichts
anhaben konnte, und doch nicht schießen durfte,
hoben die Mörder den Schössel des Gollers oder
Collets auf, und stachen ihn todt.

Rittmeister Neumann, der vormals Wallensteins
Secretair gewesen, retirirte sich im Tumulte, hart
verwundet, über den Vorsaal die Treppe hinab, und
erreichte die Küche oder Speisekammer. Die unten
postirten Dragoner forderten die Parole von ihm,
und durchbohrten ihn augenblicklich, als er Sanct
Jacob antwortete. Friedland hatte diese an seinem
Sterbetage gegeben. Die in der Citadelle geltende
Parole war: Österreich.“

Hier besteht ein offenbarer Widerspruch. Die
auf dem Wiener Plane angegebene Küche befindet
sich nämlich in gleicher Geschoßhöhe wie das
Bankettzimmer und auch die östlich anstoßenden

89) Der Tisch stand also in der Nähe der Südwand,
westlich vom Erker. Dort stellt ihn auch das Hofreutersche
Gemälde dar.

70) Wahrscheinlich die Nordwestecke.
 
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