Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

DOI Heft:
Beiblatt
DOI Artikel:
Jonas, J. E.: Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0248
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
99

J. E. Jonas Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911

IOO

in welchem zweiten Falle der Turm teilweise aus
dem Burgbering herausgeschoben war. Allen diesen
drei Möglichkeiten trugen von Nordost nach Süd-
west also senkrecht zu der Richtung der gesuchten
Ringmauer gezogene Versuchsgräben Rechnung.

Leider waren diese Versuche ergebnislos. Man
stieß nur in einer Tiefe von etwa 1-5 m unterhalb
des jetzigen Niveaus in dem jetzt von einer Ziegel-
mauer eingefriedeten Teile, unmittelbar südlich von
den westlich an den schwarzen Turm sich an-
schließenden Kasematten, allenthalben auf ein Bruch-
steinpflaster (167 auf Zeichnung Fig. 27 und 29), so-
daß anzunehmen ist, daß dieser ganze Teil des Hofes
gepflastert war.

Gepflasterte Stellen wurden übrigens im Ver-
laufe der Ausgrabungskampagne noch anderwärts
(163—166 auf Zeichnung Fig. 29, 33, 34 und 36) bloß-
gelegt. Auch sei an das Steinpflaster auf dem Gräber-
feld (59 auf Zeichnung Fig. 14, und 15) erinnert.

Die Ergebnislosigkeit der Nachforschungen nach
romanischen Ringmauerresten an dieser Stelle be-
weist nun allerdings durchaus nicht die Unmöglich-
keit einer Ringmauer in der vermuteten Richtung.
Betrachtet man nämlich den untersten Teil des
schwarzen Turmes, welcher in ganz anderem Ma-
terial und in ganz anderer Technik als der Quader-
oberbau, nämlich als Bruchstein mauerwerk aus-
geführt ist, so kommt man leicht zu dem Schlüsse,
daß dieser Unterbau das ursprüngliche eigent-
liche Fundament ist, welches natürlich noch tief
in den Boden hinabreichen wird. Demnach wäre das
nordwestlich aufgefundene Bruchsteinpflaster natür-
lich nicht so alt, daß man seine Entstehung in die
romanische Zeit verlegen kann, was ohne weiteres
plausibel erscheint. Denn das Gelände unmittelbar
um den schwarzen Turm herum muß demnach
ursprünglich höher gelegen haben als jetzt.Da man
den Berchfrit innerhalb des Burgberinges gern an die
höchste Stelle legte, sodaß das Gelände um ihn herum
in der Richtung auf ihn zu anstieg, so ist durchaus
wahrscheinlich, daß die Geländegestaltung in unmittel-
barer Nähe des schwarzen Turmes früher eine andere
gewesen ist als heute. Es ist daher nicht ausgeschlos-
sen, daß die Geländeveränderung zur radikalen Besei-
tigung ursprünglich vorhanden gewesener Bauteile
wie etwa einer romanischen Ringmauer geführt hat.

Wir stießen im Verlaufe der bisherigen Be-
schreibung schon des öfteren auf Momente, welche
darauf hinweisen, daß die Geländegestaltung zu
verschiedenen Zeiten eine verschiedene ge-
wesen ist. Es ist daher am Platze, hierüber an
dieser Stelle einiges im Zusammenhänge zu sagen.
Infolge des hypothetischen Charakters der folgenden

Ausführungen ist eine gewisse Berücksichtigung der
geschichtlichen Verhältnisse unerläßlich73).

Ursprünglich, als die Burg noch nicht be-
stand, hatte das Gelände eine Gestaltung, wie sie
etwa durch die schwarze Humusschicht74), von
welcher wir bei Gelegenheit der Grabfeldbeschrei-
bung berichteten, charakterisiert ist. Demnach
fiel das Gelände von der Bergseite zur Talseite, also
von Süden nach Norden, sanft ab bis zu dem nörd-
lichen Felsabhange. Dieser war keineswegs so schroff
und steil beschaffen wie heute, erstreckte sich viel-
mehr wahrscheinlich bis ziemlich dicht an das Ufer
der Eger, welche damals an den Felsen heranreichte
und denselben gleichsam umspülte.

Diese Situation werden die germanischen Scharen
vorgefunden haben, welche in der ersten Hälfte des
I. Jhs. v. Chr. die vorher dort ansässigen Kelten ver-
drängen. Es sind dies die Narisker, ein Zweigstamm
der Markomannen.

Diese germanische Bevölkerung muß in der
ersten Hälfte des VII. Jhs. den vordringenden Sla-
wen Platz machen.

Die Germanen oder auch ihre slawischen Nach-
folger mögen diejenigen gewesen sein, welche an
der durch die jetzige Ausgrabung festgestellten
Feuerstelle große Feuer entzündeten, sei es zu
Kultzwecken, sei es, um sich gegenseitig durch
Feuerzeichen zu verständigen.

Jedenfalls hielten die Slawen den an so expo-
nierter Stelle gelegenen, gewissermaßen als letzten
Ausläufer der südlich dahinter liegenden Berge in
das Egerländer Flachland hineinragenden Bergzipfel,
vom lieblichen Egerflusse umspült, an der Bergseite
gewiß von mächtigen Wäldern umgeben, für einen
geeigneten Platz, ihre Toten daselbst zur letzten
Ruhe zu betten, wie jetzt nach fast 1200 Jahren
festgestellt worden ist.

Diese Slawen mögen auch die ersten gewesen
sein, welche den Berghügel, auf welchem jetzt die
Trümmer der alten stolzen Kaiserpfalz emporragen,
befestigten, soweit sie es damals verstanden, da
dazu die ganze Geländegestaltung geradezu heraus-
forderte. Von diesem von der Nord- und Westseite
fast unzugänglichen, von der Ostseite gewiß schwer
erklimmbaren Berghügel aus hatte man einen guten
Überblick über die ganze Talseite und die östlich
vorgelagerte Ebene, und man konnte den Lauf des

73) Ausführliches über die geschichtlichen Verhält-
nisse des Egerlandes findet man in Heinrich Gradl:
Geschichte des Egerlandes bis 1437. Prag, 1893.

74) Was den humösen Charakter der Schicht anbelangt,
so stütze ich mich auf die Gutachten von Szombathy und
Wilhelm.
 
Annotationen