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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Jonas, J. E.: Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0249
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IOI

J. E. Jonas Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911

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Egerflusses von der Stelle an, an welcher er aus
dem Berglande heraustrat, bis weit in die Ebene
hinein beobachten. Trennte man den Berghügel süd-
lich von dem dahinter liegenden Hügellande durch
einen Graben, und schützte man den abgetrennten
Teil an seiner Südseite durch Errichtung eines
Walles, deckte man die weniger gefährdeten andern
drei Seiten an einigen Stellen etwa durch Verhaue und
Gebücke, so war der Platz gegen feindliche Angriffe
für damalige Zeit.schon recht gut geschützt. Die fort-
währenden Kämpfe, welche die Slawen nach der Be-
setzung des Landes mit der vertriebenen oder unter-
drückten germanischen Bevölkerung sicherlich fortge-
setzt auszufechten hatten, werden dieselben zu einer
derartigen Befestigung des Platzes gedrängt haben.
Daß diese Zufluchtstätte gleichzeitig als Begräbnis-
stätte, gewissermaßen auch als Kultstätte diente,
schließt keinen Widerspruch in sich, nachdem im
Bereiche verschiedener größerer Wallburgen, beson-
ders wenn dieselben hoch gelegen waren, Funde
gemacht wurden, welche die frühere Benutzung als
Kultstätten dartun.

Die Herrschaft der Slawen war nicht von langer
Dauer, denn schon zu Beginn des Xl.Jhs. gelangte
das Egerland wieder in den Vollbesitz der Deutschen.

Aber schon vor dieser Zeit, zu Beginn der Re-
germanisierung, nach meiner Ansicht zur Zeit
Heinrichs I.75), werden bei der strategischen Bedeu-
tung des Platzes als vorgeschobener Posten gegen die
Slawen die alten primitiven slawischen Befestigun-
gen deutscherseits durch neue sachgemäßere aus
Stein ersetzt worden sein. Gewiß wurde zu diesem
Zwecke der Graben an der Angriffsseite vertieft
und verbreitert und das durch die Ausschachtungs-
arbeiten in den tieferen Regionen gewonnene Stein-
material zur Aufführung einer Ringmauer aus Bruch-
stein benutzt, welche den früheren Erdwall zu er-
setzen hatte, aber nunmehr sicherlich um den ganzen
Burgplatz herumführte. Es ist anzunehmen, daß
der Aushub aus diesem Graben, vereint mit den
Erdmassen des früheren Erdwalles nicht erst von
der Südseite nach der Nordseite geschafft worden,
sondern unmittelbar an der südlichsten Abgrenzung
aufgeschüttet liegen geblieben sein wird. Das Burg-
gelände erhielt auf diese Weise an seiner Angriffs-
seite eine Geländeerhöhung, welche für die Verteidi-
gung nur vorteilhaft war, und die noch bestand, als
der schwarze Turm später errichtet wurde.

Es erklärt sich daraus die Höhenlage des Turm-
fundamentes, welches nachträglich wieder zum Vor-
schein gekommen ist, weil bei den späteren erheb-

75) Heinrich I. 919—936.

liehen Umgestaltungen der Burg Abgrabungen vor-
genommen werden mußten. Jene Befestigungsanlage
aus dem Anfänge des X. Jhs. wird an der Angriffs-
seite vielleicht auch einen Turm gehabt haben, doch
ist dies dann mit größter Wahrscheinlichkeit nicht
der heute noch bestehende schwarze Turm gewesen,
sondern ein anderer, da der erstere nach seiner
Mauertechnik der Hohenstaufenzeit nahesteht.

In Anlehnung an diese Befestigungsanlage mag
bald nach dieser Zeit auch die Ortschaft Eger
entstanden sein, welche, im Jahre 1061 zum ersten
Male urkundlich erwähnt76), sich bis dahin zu einem
bekannten Ort entwickelt zu haben scheint.

Das letzte Viertel des XI. Jhs. ist bedeu-
tungsvoll für Eger und das Egerland. Von da ab
erscheint nämlich die Markgrafenwürde des Nord-
gaus, zu welcher auch das Egerland gehörte, in
den Händen des machtvollen Geschlechts der
Diepoldinger, deren Abkömmlinge sich auch von
Giengen, von Vohburg und von Cham nannten.

Insbesondere DiepoldH. (geboren zirka 1076,
gestorben 1146), welcher unter den Kaisern Hein-
rich IV., Heinrich V., Lothar von Sachsen und Kon-
rad III.77) eine der angesehensten Stellungen im
Reiche einnahm und bei allen großen Staatsaktionen
neben den Allerersten des Landes im unmittelbaren
Gefolge dieser Kaiser erschien, war infolge von Erb-
schaften und kaiserlichen Beschenkungen einer der
reichsten Herren jener Zeit. Er zeichnete sich durch
außerordentliche Freigebigkeit aus, welche er bei-
spielsweise durch die Stiftung reicher Klöster wie
Reichenbach und Waldsassen — letzteres in un-
mittelbarer Nähe von Eger — in hohem Maße doku-
mentierte.

Das hohe Ansehen des Diepoldingischen Ge-
schlechts brachte es mit sich, daß sogar Kaiser Konrad
auf möglichst gute Beziehungen zu demselben großen
Wert legte. Denn nachdem sich nach Diepolds II. Tod
eine Mißstimmung zwischen die beiden Geschlechter
der Staufen und Diepoldinger gelegt zu haben scheint,
wurde offenbar der Versuch gemacht, diese auf güt-
lichem Wege zu beseitigen. Angeblich durch Staats-
räson gezwungen, heiratete Friedrich von
Schwaben, der spätere Kaiser Friedrich I.,
Barbarossa, zu Eger 11+9 Diepolds Tochter

76) In einer Schenkungsurkunde heißt es: „ . . . usque
in illam uiam, que procedit de egire . . . “ Original auf
Pergament nach Heinrich Grade: Monumenta Egrana
(Eger 1886) im königl. bair. Reichsarchiv zu München.
S. Monum. boica, XXIX, 148.

77) Heinrich IV. 1056—1106, Heinrich V. 1106—1125,
Lothar von Sachsen 1125—1137, Konrad III. 1138—1152.

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