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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Morelovski de Prus, Marian: Der Krakauer Schwanritter-Wandteppich und sein Verhältnis zu den französischen Teppichen des XV. Jhs.
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0264
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Marian Morei.owski Der Krakauer Schwanritter-Wandteppich usw.

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jenem des Vaters vom Chevalier au cygne wieder-
zufinden sind, und zwar: die breite Stirn, die charakteri-
stischen Augenbrauen, die hervortretenden Augen-
lieder und große Augen, die in der zweiten Hälfte
leicht gebogene, lange Nase, die verhältnismäßig
kurzen, feinen Nasenmuscheln, die Falten neben den
letzteren und den Mundecken — die besonders auf
dem Original in Krakau bemerkbar sind, — die Falte
unter der unteren Lippe, — endlich das kurze, jedoch
energisch hervortretende Doppelkinn. Auch jene

sehr ähnlich, — die Krone Beatricens (Oriants
Frau) erinnert wiederum sehr stark an jene, die auf
dem retable de Beaune die vermeintliche Isabeau
de Portugal (Philipps des Guten Gattin seit 1429) trägt
(Rubbrecht, op. cit.). — Das in den „Chefs d’oeuvre
etc.“ reproduzierte Porträt dieser Herzogin (vergl.
Fig. 60) könnte sowohl mit der Beatrix des Wiener
Wandteppichs (das untere Bild links), als auch mit
der des Krakauer Wandteppichs (Bild 5, kniend)
zusammengestellt werden.

Fig. 58 Herzog Philipp der Gute von Burgund.

(Aus: Les cliefs d’oeuvre de l’exposition de la Toison d’or. Bruxelles 1907)

„hauteur considerable de la levre superieure“, welche
Van Galippe als ein Charakteristikon Philipps des
Guten hervorhebt6), sowie die dicke untere Lippe.
(Porträt Nr. 1) kommen beim Oriant vor. In demselben
Werke finden wir (S. 186) die Reproduktion einer
Zeichnung aus dem Recueil d’Arras, die auch
Rubbrecht (op. cit. S. 21) „un document tres digne
de foi“ nennt; auf diesem Bilde trägt Philipp der
Gute lange Haare wie Oriant. Die Herzogskrone auf
dem chaperon des letzteren ist jener, welche Philipp
der Gute getragen hat (vgl. z. B. Rubbrecht op. cit.),

6) Van Galippe, L’heredite des stygmates ... et les
familles souveraines. Paris, Masson, 1905.

Der Umstand, daß mehrere Gestalten auf den
beiden Tapisserien ziemlich verwandte Gesichtszüge
aufweisen, kann nicht zu der Schlußfolgerung führen,
daß wir es hier einzig und allein mit einem allge-
meinen, in einer Kunstschule oder Kunstepoche be-
liebten, daher auch abstrahierten Gesichtstypus zu tun
haben. Freilich läßt sich eine gewisse Stilisierung
der Gesichtszüge fast überall bemerken.

Die gotisierende Richtung kennzeichnet sich
durch das Vermeiden abgerundeter Gesichtslinien.
Die hohen eingebogenen Augenbrauen, die langen
Nasen, die feinen und kleinen Nasenmuscheln wieder-
holen sich oft und bilden Merkmale, die für die stil-
kritische Bezeichnung eine nicht geringe Bedeutung
 
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