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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Morelovski de Prus, Marian: Der Krakauer Schwanritter-Wandteppich und sein Verhältnis zu den französischen Teppichen des XV. Jhs.
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0267
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Marian Morelowski Der Krakauer Schwanritter-Wandteppich usw.

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Es kann für uns nicht ohne Interesse sein, daß
eben dieses Werk im Jahre 1453 von Jean le
Tavernier „enlumineur et historteur d’Audenarde“
mit 50 goldenen Buchstaben „et autres choses de son
mestier y ndcessaires“ geschmückt wurde17). Der-
selbe Tavernier hat für den Herzog von Burgund
mehrere andere Arbeiten ausgeführt18).

Wenn wir uns jetzt daran erinnern, daß
Philipp der Gute das „Banquet du Faisan“ zum
Zwecke der Proklamierung eines heiligen Krieges
gegen die Ungläubigen veranstaltet hat, so wird es
auch klar, warum er während des Turniers, das
jenem Festmahle vorangegangen war, die Geschichte
des Schwanritters zur Darstellung bringen ließ.
Der Ahne zweier berühmtester Eroberer Jerusalems,
zugleich Ahnherr der Herren von Brabant, Flan-
dern, Hainau, Namur und Limburg, deren Nach-
folger oder Erbe Philipp war, hatte es gewiß ver-
dient, an diesen Tagen besonders gefeiert zu werden.
Daß der Plan eines neuen Kreuzzuges um die Mitte
des XV. Jhs. ungemein populär war und daß diese
Idee selbst auf dem Kunstgebiete auf die Wahl
scheinbar entlegener, mit dem Kreuzzuge in keinem
direkten Zusammenhänge stehender Motive einen
gewissen Einfluß ausgeübt hat beziehungsweise aus-
geübt haben konnte, dies wurde schon seitens einiger
Kunsthistoriker hervorgehoben19). Desto mehr konnte
dies hinsichtlich der Helden des Kreuzzugszyklus
der Fall gewesen sein20).

Wir besitzen einen unwiderlegbaren Beweis
dafür, daß die kriegerische Stimmung, die Idee eines
Krieges gegen die Türken speziell auf dem Gebiete
der textilen Kunst einen direkten Widerhall ge-
funden hat. Der Kanzler des Ordens vom Goldenen
Vlies, Bischof von Chalons Germain, der in seinen
Werken an das ruhmreiche Beispiel Godfrieds de
Bouillon hinwies, um die Christen zum neuen Feld-
zug gegen die Türken anzueifern21), verfaßte im
Jahre 1457 eine Schrift, deren Titel („Deux pans de
la tapisserie chretienne“) schon an und für sich, für

17) Die Rechnung, die auch andere Arbeiten dieses
Künstlers aufzählt, wurde von Laborde II, p. 217—218
u. a. publiziert (Doutrepont S. 21).

18) Nach Qdantin, Les ducs de Bourgogne. Moeurs
et usages. Paris 1882.

19) Vergl. z. B. BenoIt Camille, L’invention de la
vraie croix (S. Marmion?). Monuments Piot, B. 10.

20) Vergl. Doutrepont 257. Beim Einzug Philipps
des Guten in Mons 1455: . . . un autre echafaud exhibe
la prise de Constantinople par Baudoin, comte de Flandre
et de Hainauf, que l’on voit en suite couronne sur un
troisieme theätre, place du Marche (nach Barante).

21) Doutrepont251. Desbat du chrestien et du sarrazin.

Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission 1912.

unsere Frage lehrreich erscheint. Er beschreibt
zwei Wandteppiche, welche den Kampf der „Eglise
militant“ und der „chevalereux conquerans“ gegen
die Ungläubigen darstellen. Allem Anscheine nach
hat er diese Teppiche auch verfertigen lassen.
Durrieu fand in einem Exemplar dieses Werkes Ent-
würfe zu diesen Teppichen22). Noch wichtiger für
unseren Studiengegenstand ist aber der Umstand,
daß Philipp der Gute unter seinen zahl-
reichen Tapisserien tatsächlich auch solche
mit Szenen aus der Geschichte Godefroids
de Bouillon und des Schwanritters besaß23).

Durch das Obgesagte wurde meines Erachtens
ganz deutlich aufgeklärt, warum die erwähnten
Heldengestalten den Herzog von Burgund mehr als
irgend einen andern Kunstmäzen des damaligen
Abendlandes interessiert haben konnten und warum
wir selbst in dem Falle, wenn die Gesichstzüge des
Königs Oriant an jene Philipps des Guten nicht er-
innern würden, unsere Aufmerksamkeit auf diesen
Herrscher besonders richten müßten.

B. Pasquier Grenier von Tournay

In den von Laborde publizierten Rechnungen
der Herzoge von Burgund finden wir (II P., tome

1. p. 480, Nr. 1871) — mit Hilfe der oben angeführten
Werke eine Urkunde, in der es heißt, daß Pasquier
Grenier einer der berühmtesten „marchants tapis-
siers“ und Ateliersbesitzer aus Tournai, der seine
Erzeugnisse auch in Zentral-Frankreich verkaufte, —
in Antwerpen seine Niederlage besaß und seit dem
Jahre 1459 Hoflieferant Philipp des Guten war,—
dem letzteren im Jahre 1462 mehrere Wandteppiche,
darunter drei Stücke mit der Geschichte des Schwan-
ritters, verkauft hat. Von ihrem hohen Werte kann
uns auch das Detail belehren, daß der Herzog sie
dem Kardinal von Arras, — quand il fut par devers
M. D. S.“,— geschenkt hat24).

22) Biblotb. Ecole. Chartres L. p. 400. Les mss. . . .
ä Cheltenham. Vgl. Doutrepont 252.

23) Vgl. Doutrepont 117, auch Guiffreys große
(und kleinere) Histoire de la tapisserie. Tours, Marne, 1886,
S. 82 und 88. — Michel, Histoire de l’art. Tapisseries,
S. 358, unten. — Soil, Les tapisseries de Tournai. —
Tournai, Vasseur, 1892, S. 242. — Das sehr gründliche
Werk Soils stützt sich hauptsächlich auf archivalische
Studien. Vgl. die sehr günstige Meinung des G. MlGEON
über Soil, Les arts du Tissu. Paris 1909, S. 212.

21) A Pasquier Grenier . . . ä Tournay . . . pour
plusieurs pieces de tapisserie, c’est assavoir, six tappis de
muraille ... de l’histoire du roy Assuerus et de la royne
Hester et quatre piäces d’aultres tappis servans ä ung lit,
avec trois pieces de (. . . . eine Lücke bei Laborde) fais
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