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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 7.1913

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Tietze, Hans: Ein Passionszyklus im Stifte Schlägl
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https://doi.org/10.11588/diglit.28308#0215
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Hans Ttetzk Ein Passionszyklus im Stifte Schlägl

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Fig. 87 Christus vor Pilatus. Stift Schlägl

pen um den isoliert belassenen Kreuzesstamm und die klare Gebärdensprache der Betei-
ligten den Gedanken an ein hochdramatisches Geschehen nicht aufkommen lassen.

Diese Weichmütigkeit der Auffassung ist von der Energielosigkeit verschieden, die in
der alpenländischen Malerei in der Mitte des XV. Jhs. vorherrscht. Selbst in der Salzburger
Schule, deren sanfte Anmut so oft als ihr herrschender Charakterzug bezeichnet worden
ist, mengen sich Zartes und Derbes in anderer Weise. Wohl sind die Gestalten schlank
und gebrechlich, die Glieder dünn und die Mienen voll Milde, aber um die Kreuzstämme
flutet das Gewimmel der Krieger und Neugierigen und Marias ätherische Gestalt knickt
unter der Last des Kummers in die Knie1). Noch weiter östlich in dem Kunstkreise, als
dessen Zentrum wir vielleicht Wien annehmen dürfen, gibt es eine Malerei, die, ihrer höfi-
schen Quellen eingedenk, nicht leicht in ergreifendes Schildern und lautes Poltern ver-
fällt, deren Mangel an Dramatik aber aus spießbürgerlicher Gesinnung hervorgellt; der
Maler, der um 1469 den großen Zyklus im Wiener Schottenstift gearbeitet hat, ist ein Ge-
sinnungsverwandter des Meisters des Marienlebens. Er ist der Erzähler, der detailreiche
Chronist der heiligen Geschichten; aber in dieser Trockenheit, in der aller hohe Gehalt
des Geschilderten verloren gegangen ist, bleibt die verständige Präzision vorherrschend,
der die Wiedergabe des Tatsächlichen die Hauptaufgabe erscheint. Diese Charakteristik
trifft für die Schlägler Bilder nicht zu, in denen wir Ölberg, Kreuzigung und Beweinung
beinahe zur Ruhe einer Zustandsschilderung abgedämpft erblicken.

*) Otto Fischer, Die altdeutsche Malerei in Salzburg, Leipzig 1908, Taf. 5, 8, 12.
 
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