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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 2.1884

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I. Theil: Abhandlungen
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Schneider, Robert: Über zwei Bronzebilder des gehörnten Dionysos
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https://doi.org/10.11588/diglit.5610#0061
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Dr. Robert Schneider.

Nichts spricht deutlicher dafür, dass dieses bakchische Attribut der hellenistischen Zeit völlig geläufig
war, als der Gebrauch einiger Diadochenkönige, ihre Bildnisse mit den Hörnern des Stieres zu schmücken.
Auf den Münzen sehen wir sie sowohl an den Köpfen des Seleukos Nikator,1 als an jenen des Derae-
trios Poliorketes.2 Während aber die Hörner des Letzteren nach vorne gerichtet sind und wie an den
meisten Dionysosbildern im Haare sitzen, sind sie bei Seleukos über den Ohren angebracht, stehen vom
Kopfe weit ab und sind um vieles grösser. Auf den selteneren Münzen, die den König behelmt zeigen,
sind den Hörnern, welche auch seine Pferde und Elephanten tragen, die abstehenden Ohren des Stieres
hinzugefügt.3 Entlehnte Seleukos sein Abzeichen vielleicht nicht unmittelbar dem Gotte, indem es ihm
zunächst als Spolie jenes beim Opfer Alexander des Grossen von ihm allein mit übermenschlicher Kraft be-
zwungenen Stieres gelten mochte,* so kann über die Absicht des Demetrius, sich so als Sohn des Dionysos
darzustellen, kein Zweifel obwalten5 ähnlich wie auch König Attalos von Pergamon in einem Orakel-
spruche und von der epirotischen Seherin Phaennis als Sohn des Stieres und als Stierhörniger (taupoy.spwc;)
angeredet wurde.6

Es ist schwer zu entscheiden, ob die gehörnte Bildung des Dionysos auf den Einfluss der einheimi-
schen Mysterien oder fremder Götterkulte zurückzuführen ist. Dass alte, echt hellenische Xoana des
Dionysos Hörner trugen, ist nicht zu erweisen, und es spricht eher dawider, wenn es uns von seinem
Bilde in dem von asiatischen Götterdiensten erfüllten Kyzikos berichtet wird. Dagegen kennen wir den
Stier sowohl als Symbol des orphischen Zagreus? als des thrako-phrygischen Sabazios.8 Gewiss darf der

I, 232; III, 348 insignis cornu Bacche; Amor.III, i5,17 corniger Lyaeus; Fast. III, 5oo und 789 mite Caput, pater huc placataque
cornua vertas; Epist.XIII,33 bicorniger; XV, 24 accedant capiti cornua, Bacchus eris — Seneca, Hippol. 706 — Valerius
Flaccus, Argon. II, 272 — Nemesianus, Ecl. III, 36 — Ausonius, Epigr. 29, 3 — Sidonius Apollinaris 22, 26. —
In ähnlicher Weise wie von den alexandrinischen Dichtern auf die römischen gingen diese Epitheta von den letzteren auf
die der Renaissance über, z. B. Sannazar, Eleg. II, 5. 2.

1 Visconti, Iconographie grecque, pl. XLVI, 1 (Müller-Wieseler, Denkmäler der alten Kunst I. 49, 220m), Lenor-
mant, Numismatique des rois grecs, pl. XXXV, 10. Percy-Gardner, A catalogue of the greek coins in the British
Museum: the Seleucid kings, pl. I, 6.

2 Visconti, 1. c, pl. XL, 1, 2 (Müller-Wieseler I, 5o, 221b); Lenormant pl. XVIII, 18—20, XXIII, 21.
'i Percy-Gardner pl. I, 11 —13.

4 Appian, Syr. 5j.

5 Vgl. Plutarch, Demetr. 2 und 12. — Seit Visconti pflegt man eine Bronzestatue aus Herculaneum — abgebildet
in den Bronzi di Ercolano VI, tav. LX (danach Roux und Bouchet, Herculanum et Pompei V, Serie 1, pl. LXXXVII;
Clarac, Musee de sculpture 840, 2113) und in Vis conti's Iconographie grecque, pl.XL, 1, 2 (Müller-Wieseler, Denkmäler
der alten Kunst I, 5o. 221a) — welche von den Gelehrten der herculanensischen Akademie auf Seleukos gedeutet wurde, als
Bild des Demetrius zu betrachten; doch dürfte nebst dem Porträtcharakter es auch noch in Frage stehen, ob die Hörner
im Haare wirklich vom Stiere sind. — Als heroisirtes Porträt eines Diadochenkönigs darf dagegen der schöne gehörnte
Hermenkopf aus der Villa dei Pisoni in Herculaneum, jetzt in Neapel, gelten (abgebildet Gomparetti e de Petra, La villa
Ercolanese dei Pisoni, i suoi monumenti e la sua biblioteca, tav. XX, 3; vgl. Gerhard und Panofka, Neapels antike Bild-
werke, p. 42, Nr. 121), welchen man indess, wie mir scheint, ohne ausreichenden Grund als Bildniss Alexander des Grossen
erklärt hat. Ein Porträtkopf mit keimenden Stierhörnern über der Stirn, leider vielfach restaurirt, ist im lateranensischen Mu-
seum (Benndorf und Schöne, Katalog, Nr 240).

6 Pausanias X, i5, 3 «xaüpoio 8toTpE?&>{ tpfXov uldv».

7 Clemens Alex., protrept I, 2, 12 u. a. Vgl. Hymn. Orph. 3o. 4, 43. 1, 52. 2 und 10, 53. 8.

8 Diodor IV, 4, Vgl. III, 64. — An den mir bekannt gewordenen vier inschriftlich gesicherten Darstellungen des
Sabazios sind die Hörner nicht nachzuweisen. Sie könnten aber an dem thronenden Gotte auf einem Votivreliefe (MevavSpo?
'AOijvoowpou Ait Saa^w süjtfv) aus Blaudos (Balat auf phrygisch-mysischem Grenzgebiete), das Conze auf Imbros gesehen
und in einer Skizze (Reise auf den Inseln des thrakischen Meeres, Taf. XVII. 7, vgl. p. 99) veröffentlicht hat, vielleicht
unter der den Kopf umgebenden Binde gedacht werden, denn die Erhaltung des Steines und die rohe Handwerksarbeit
Hessen feinere Unterscheidungen nicht zu, wie ja auch der Thyrs^s nur als ein Stab «mit verdicktem und dann spitz zu-
laufendem oberen Ende» erkannt werden konnte. Die Nebenseite einer Ära mit der Dedicationsinschrift Iidtpo; Saßa^tu Swpov
im Palazzo Merolli zu Rom (Matz und Duhn, Antike Bildwerke in Rom III, Nr. 3763) zeigt dieselbe Gottheit mit diesem
«thyrsosartigen Speere» und den Beschreibungen Visconti's und Duhn's zufolge ohne Hörner. Auf einem dritten Relief
über einer Weihinschrift der Stadt Koloe (Kula) in Lydien aus dem Jahre 101 n. Chr., welches Wagener (Inscriptions
grecques recueillies en Asie Mineure, p. 3 ff., in den «Memoires couronnes et memoires des savants etrangers publies par
l'Academie royale de Belgique», t. XXX) beschreibt, sitzt Sabazios auf einem von Gott Men geleiteten Wagen; unter dem
Gespanne ringelt sich eine Schlange und auf einem der Pferde hat sich ein Adler niedergelassen. Völlig als Zeus erscheint
Sabazios auf einem Votive aus Buzadsilar (nahe bei Sliven in Thrakien), das Kanitz in Berkovica gezeichnet hat (Donau-
 
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